geneigt. Das Gestell selbst war 36 bis 40 Zoll hoch, oben 12 Zoll, vor der Form 10 Zoll weit und im Eisenkasten 22 Zoll lang. Das Gestell hatte nur etwa 5 Kubikfuss Inhalt. Die ganze Zustellung war eine sehr enge. Die längste gesetzliche Blasezeit war 25 Wochen, die aber meist nicht erreicht wurde.
Gegen das Ende des 16. Jahrhunderts kam ein Mann aus dem Voigtlande, mit Namen Hans Sien (Sieme), welcher zu Wieda einen neuen und grösseren Hochofen anlegte, der zur damaligen Zeit der grösste auf dem ganzen Harze gewesen sein soll 1). Das Raugemäuer war 7 Fuss im Quadrat, die ganze Höhe des inneren Ofens betrug 24 Fuss, die Gicht war 4 Fuss weit, doch blieben die Masse des Ge- stells die nämlichen, wie in den früheren kleineren Öfen. Dadurch entstand ein Missverhältnis zwischen Schacht und Gestell. Trotzdem wurde Hans Sien so berühmt, dass er an verschiedene Orte berufen wurde, um neue Hochöfen anzulegen. Um diese Zeit herrschte noch viel Aberglaube und Geheimniskrämerei wegen der Ofenzustellung, und Männer wie Sien beherrschten ganze Länder durch ihr Ansehen, was wirklichem Fortschritte sehr im Wege stand. Hans Sien be- hielt seine Kunst sehr geheim und vererbte sie nur auf seinen Sohn Christof Sien, der wie jener auf seine Kunst reiste. Diesem folgte dann Hans Voltin Teichmann von St. Andreasberg, welcher die kupfernen Formen einführte, während vorher durch den Stein geblasen wurde. Die ganze Hochofenindustrie des Harzes hing lange Zeit von solchen Ofenmeistern und "Maschenbläsern" ab.
Wir haben zuvor erwähnt, dass sich die Grafen von Stolberg per- sönlich grosse Verdienste um das Berg- und Hüttenwesen ihres Landes erwarben. Leidenschaftliche Förderer waren Graf Botho und nach dessen Tode 1538 Graf Wolfgang. Bei letzterem wurde diese Leiden- schaft zum Fehler, denn er spekulierte über seine Verhältnisse und wollte es dem Kurfürsten von Sachsen und dem Herzog von Braun- schweig zuvorthun. Er kaufte Hütten auf und legte neue an, aber beides mit grossen Kosten. Er war es, der Ilsenburg zu einer gross- artigen Fabrikstadt machte. Dort legte er im Jahre 1544 die erste Messinghütte am Harze an. Er liess Arbeiter von Nürnberg, Aachen und Antwerpen kommen und brachte rasch die Messingfabrikation zu grosser Blüte. Es entstanden drei Messinghämmer bei Ilsenburg, die untere, mittlere und oberste Blechhütte, sodann umfangreiche Draht- züge: der Messingdraht, der in grossen Mengen hergestellt wurde,
1) Siehe Tölle und Gärtner, a. a. O., S. 92.
Stolberg und der Unterharz.
geneigt. Das Gestell selbst war 36 bis 40 Zoll hoch, oben 12 Zoll, vor der Form 10 Zoll weit und im Eisenkasten 22 Zoll lang. Das Gestell hatte nur etwa 5 Kubikfuſs Inhalt. Die ganze Zustellung war eine sehr enge. Die längste gesetzliche Blasezeit war 25 Wochen, die aber meist nicht erreicht wurde.
Gegen das Ende des 16. Jahrhunderts kam ein Mann aus dem Voigtlande, mit Namen Hans Sien (Sieme), welcher zu Wieda einen neuen und gröſseren Hochofen anlegte, der zur damaligen Zeit der gröſste auf dem ganzen Harze gewesen sein soll 1). Das Raugemäuer war 7 Fuſs im Quadrat, die ganze Höhe des inneren Ofens betrug 24 Fuſs, die Gicht war 4 Fuſs weit, doch blieben die Maſse des Ge- stells die nämlichen, wie in den früheren kleineren Öfen. Dadurch entstand ein Miſsverhältnis zwischen Schacht und Gestell. Trotzdem wurde Hans Sien so berühmt, daſs er an verschiedene Orte berufen wurde, um neue Hochöfen anzulegen. Um diese Zeit herrschte noch viel Aberglaube und Geheimniskrämerei wegen der Ofenzustellung, und Männer wie Sien beherrschten ganze Länder durch ihr Ansehen, was wirklichem Fortschritte sehr im Wege stand. Hans Sien be- hielt seine Kunst sehr geheim und vererbte sie nur auf seinen Sohn Christof Sien, der wie jener auf seine Kunst reiste. Diesem folgte dann Hans Voltin Teichmann von St. Andreasberg, welcher die kupfernen Formen einführte, während vorher durch den Stein geblasen wurde. Die ganze Hochofenindustrie des Harzes hing lange Zeit von solchen Ofenmeistern und „Maschenbläsern“ ab.
Wir haben zuvor erwähnt, daſs sich die Grafen von Stolberg per- sönlich groſse Verdienste um das Berg- und Hüttenwesen ihres Landes erwarben. Leidenschaftliche Förderer waren Graf Botho und nach dessen Tode 1538 Graf Wolfgang. Bei letzterem wurde diese Leiden- schaft zum Fehler, denn er spekulierte über seine Verhältnisse und wollte es dem Kurfürsten von Sachsen und dem Herzog von Braun- schweig zuvorthun. Er kaufte Hütten auf und legte neue an, aber beides mit groſsen Kosten. Er war es, der Ilsenburg zu einer groſs- artigen Fabrikstadt machte. Dort legte er im Jahre 1544 die erste Messinghütte am Harze an. Er lieſs Arbeiter von Nürnberg, Aachen und Antwerpen kommen und brachte rasch die Messingfabrikation zu groſser Blüte. Es entstanden drei Messinghämmer bei Ilsenburg, die untere, mittlere und oberste Blechhütte, sodann umfangreiche Draht- züge: der Messingdraht, der in groſsen Mengen hergestellt wurde,
1) Siehe Tölle und Gärtner, a. a. O., S. 92.
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Stolberg und der Unterharz.
geneigt. Das Gestell selbst war 36 bis 40 Zoll hoch, oben 12 Zoll,
vor der Form 10 Zoll weit und im Eisenkasten 22 Zoll lang. Das
Gestell hatte nur etwa 5 Kubikfuſs Inhalt. Die ganze Zustellung war
eine sehr enge. Die längste gesetzliche Blasezeit war 25 Wochen, die
aber meist nicht erreicht wurde.
Gegen das Ende des 16. Jahrhunderts kam ein Mann aus dem
Voigtlande, mit Namen Hans Sien (Sieme), welcher zu Wieda einen
neuen und gröſseren Hochofen anlegte, der zur damaligen Zeit der
gröſste auf dem ganzen Harze gewesen sein soll 1). Das Raugemäuer
war 7 Fuſs im Quadrat, die ganze Höhe des inneren Ofens betrug
24 Fuſs, die Gicht war 4 Fuſs weit, doch blieben die Maſse des Ge-
stells die nämlichen, wie in den früheren kleineren Öfen. Dadurch
entstand ein Miſsverhältnis zwischen Schacht und Gestell. Trotzdem
wurde Hans Sien so berühmt, daſs er an verschiedene Orte berufen
wurde, um neue Hochöfen anzulegen. Um diese Zeit herrschte noch
viel Aberglaube und Geheimniskrämerei wegen der Ofenzustellung,
und Männer wie Sien beherrschten ganze Länder durch ihr Ansehen,
was wirklichem Fortschritte sehr im Wege stand. Hans Sien be-
hielt seine Kunst sehr geheim und vererbte sie nur auf seinen Sohn
Christof Sien, der wie jener auf seine Kunst reiste. Diesem folgte
dann Hans Voltin Teichmann von St. Andreasberg, welcher die
kupfernen Formen einführte, während vorher durch den Stein geblasen
wurde. Die ganze Hochofenindustrie des Harzes hing lange Zeit von
solchen Ofenmeistern und „Maschenbläsern“ ab.
Wir haben zuvor erwähnt, daſs sich die Grafen von Stolberg per-
sönlich groſse Verdienste um das Berg- und Hüttenwesen ihres Landes
erwarben. Leidenschaftliche Förderer waren Graf Botho und nach
dessen Tode 1538 Graf Wolfgang. Bei letzterem wurde diese Leiden-
schaft zum Fehler, denn er spekulierte über seine Verhältnisse und
wollte es dem Kurfürsten von Sachsen und dem Herzog von Braun-
schweig zuvorthun. Er kaufte Hütten auf und legte neue an, aber
beides mit groſsen Kosten. Er war es, der Ilsenburg zu einer groſs-
artigen Fabrikstadt machte. Dort legte er im Jahre 1544 die erste
Messinghütte am Harze an. Er lieſs Arbeiter von Nürnberg, Aachen
und Antwerpen kommen und brachte rasch die Messingfabrikation zu
groſser Blüte. Es entstanden drei Messinghämmer bei Ilsenburg, die
untere, mittlere und oberste Blechhütte, sodann umfangreiche Draht-
züge: der Messingdraht, der in groſsen Mengen hergestellt wurde,
1) Siehe Tölle und Gärtner, a. a. O., S. 92.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 768. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/788>, abgerufen am 22.11.2024.
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