hundert. In der Stadt Lüttich blühte die Schmiedekunst, namentlich die Waffenschmiedekunst, während in dem benachbarten Gebiete, be- sonders in der Markgrafschaft Franchimont, die Eisengewinnung und Bereitung zu Hause war. In beiden Gebieten schlossen sich die Eisenarbeiter in Zünfte und Genossenschaften zusammen. Die alte Lütticher Schmiedezunft führte den Namen "corporation du bon Metier des Febvres". Wie angesehen dieselbe war, geht unter Anderem daraus hervor, dass Le sire d'Himbercourt, der Befehlshaber der Belagerungstruppen bei der ersten Belagerung Lüttichs durch Karl den Kühnen 1467, sich in einer Ansprache, in der er die Stadt zur Übergabe auffordert, rühmt (als früherer Gouverneur der Stadt), ein Mitglied der Schmiedezunft gewesen zu sein: Ne suis-je pas un de leurs confreres? J'ai ete recu du metier des forgerons: ils m'ont vu portant la robe de livres de leur corporation et marchant sous leur banniere (Barante, histoire des ducs de Bourgogne, XVII, p. 82). Nach einer Überlieferung sollen die Waffenschmiede aus Aachen nach einer grossen Feuersbrunst nach Lüttich übergesiedelt sein.
Die Eisenerze dieses Gebietes, die besonders in der Grafschaft Namür reichlich vorkommen, treten in dem Kalke des Kohlengebirges in der Regel im Kontakt mit Schiefer auf. Es ist vorherrschend Brauneisenstein, doch finden sich nördlich von Namür auch bedeutende Roheisensteinlager aus blaugrauen Körnern zusammengesetzt und als fer oligiste violet bezeichnet. Sehr früh werden Gruben bei Huy und Landroz genannt.
Das Ausschmelzen der Erze geschah auch hier ursprünglich in Luppenfeuern. Als man dazu überging, die Wasserkraft zu benutzen, zogen sich die Eisenhütten in grosser Zahl in die Thäler der Vesdre, Ourthe, Ambleve und Hoyoux, alles Nebenflüsse der Maas im Gebiete von Lüttich. Hier und in der Grafschaft Namür sollen denn schon früh Stücköfen eingeführt worden sein, die durch Erhöhung zur Er- findung des Gusseisens und zum Hochofenbetriebe geführt hätten.
Es ist sehr wahrscheinlich, dass der Hochofenbetrieb in Lüttich und Namür sehr früh in Anwendung gekommen ist; das frühe Vor- kommen gusseiserner Geschützkugeln und Geschütze in den reichen flandrischen Städten1) spricht dafür. Auch Karsten sagt in seiner Eisenhüttenkunde2) in Bezug auf Belgien: "die Eisenfabrikation hat in den zu diesem Reiche gehörenden Landesteilen ohne Zweifel einen
1) Siehe Bd. I, S. 912.
2) 3. Auflage von 1841, Bd. I, S. 98.
Belgien und Lothringen.
hundert. In der Stadt Lüttich blühte die Schmiedekunst, namentlich die Waffenschmiedekunst, während in dem benachbarten Gebiete, be- sonders in der Markgrafschaft Franchimont, die Eisengewinnung und Bereitung zu Hause war. In beiden Gebieten schlossen sich die Eisenarbeiter in Zünfte und Genossenschaften zusammen. Die alte Lütticher Schmiedezunft führte den Namen „corporation du bon Métier des Febvres“. Wie angesehen dieselbe war, geht unter Anderem daraus hervor, daſs Le sire d’Himbercourt, der Befehlshaber der Belagerungstruppen bei der ersten Belagerung Lüttichs durch Karl den Kühnen 1467, sich in einer Ansprache, in der er die Stadt zur Übergabe auffordert, rühmt (als früherer Gouverneur der Stadt), ein Mitglied der Schmiedezunft gewesen zu sein: Ne suis-je pas un de leurs confrères? J’ai été reçu du métier des forgerons: ils m’ont vu portant la robe de livrés de leur corporation et marchant sous leur bannière (Barante, histoire des ducs de Bourgogne, XVII, p. 82). Nach einer Überlieferung sollen die Waffenschmiede aus Aachen nach einer groſsen Feuersbrunst nach Lüttich übergesiedelt sein.
Die Eisenerze dieses Gebietes, die besonders in der Grafschaft Namür reichlich vorkommen, treten in dem Kalke des Kohlengebirges in der Regel im Kontakt mit Schiefer auf. Es ist vorherrschend Brauneisenstein, doch finden sich nördlich von Namür auch bedeutende Roheisensteinlager aus blaugrauen Körnern zusammengesetzt und als fer oligiste violet bezeichnet. Sehr früh werden Gruben bei Huy und Landroz genannt.
Das Ausschmelzen der Erze geschah auch hier ursprünglich in Luppenfeuern. Als man dazu überging, die Wasserkraft zu benutzen, zogen sich die Eisenhütten in groſser Zahl in die Thäler der Vesdre, Ourthe, Amblève und Hoyoux, alles Nebenflüsse der Maas im Gebiete von Lüttich. Hier und in der Grafschaft Namür sollen denn schon früh Stücköfen eingeführt worden sein, die durch Erhöhung zur Er- findung des Guſseisens und zum Hochofenbetriebe geführt hätten.
Es ist sehr wahrscheinlich, daſs der Hochofenbetrieb in Lüttich und Namür sehr früh in Anwendung gekommen ist; das frühe Vor- kommen guſseiserner Geschützkugeln und Geschütze in den reichen flandrischen Städten1) spricht dafür. Auch Karsten sagt in seiner Eisenhüttenkunde2) in Bezug auf Belgien: „die Eisenfabrikation hat in den zu diesem Reiche gehörenden Landesteilen ohne Zweifel einen
1) Siehe Bd. I, S. 912.
2) 3. Auflage von 1841, Bd. I, S. 98.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0870"n="850"/><fwplace="top"type="header">Belgien und Lothringen.</fw><lb/>
hundert. In der Stadt Lüttich blühte die Schmiedekunst, namentlich<lb/>
die Waffenschmiedekunst, während in dem benachbarten Gebiete, be-<lb/>
sonders in der Markgrafschaft Franchimont, die Eisengewinnung und<lb/>
Bereitung zu Hause war. In beiden Gebieten schlossen sich die<lb/>
Eisenarbeiter in Zünfte und Genossenschaften zusammen. Die alte<lb/>
Lütticher Schmiedezunft führte den Namen „corporation du bon<lb/>
Métier des Febvres“. Wie angesehen dieselbe war, geht unter Anderem<lb/>
daraus hervor, daſs Le sire d’<hirendition="#g">Himbercourt</hi>, der Befehlshaber der<lb/>
Belagerungstruppen bei der ersten Belagerung Lüttichs durch Karl<lb/>
den Kühnen 1467, sich in einer Ansprache, in der er die Stadt zur<lb/>
Übergabe auffordert, rühmt (als früherer Gouverneur der Stadt), ein<lb/>
Mitglied der Schmiedezunft gewesen zu sein: Ne suis-je pas un de<lb/>
leurs confrères? J’ai été reçu du métier des forgerons: ils m’ont vu<lb/>
portant la robe de livrés de leur corporation et marchant sous leur<lb/>
bannière (<hirendition="#g">Barante</hi>, histoire des ducs de Bourgogne, XVII, p. 82).<lb/>
Nach einer Überlieferung sollen die Waffenschmiede aus Aachen nach<lb/>
einer groſsen Feuersbrunst nach Lüttich übergesiedelt sein.</p><lb/><p>Die Eisenerze dieses Gebietes, die besonders in der Grafschaft<lb/>
Namür reichlich vorkommen, treten in dem Kalke des Kohlengebirges<lb/>
in der Regel im Kontakt mit Schiefer auf. Es ist vorherrschend<lb/>
Brauneisenstein, doch finden sich nördlich von Namür auch bedeutende<lb/>
Roheisensteinlager aus blaugrauen Körnern zusammengesetzt und<lb/>
als fer oligiste violet bezeichnet. Sehr früh werden Gruben bei Huy<lb/>
und Landroz genannt.</p><lb/><p>Das Ausschmelzen der Erze geschah auch hier ursprünglich in<lb/>
Luppenfeuern. Als man dazu überging, die Wasserkraft zu benutzen,<lb/>
zogen sich die Eisenhütten in groſser Zahl in die Thäler der Vesdre,<lb/>
Ourthe, Amblève und Hoyoux, alles Nebenflüsse der Maas im Gebiete<lb/>
von Lüttich. Hier und in der Grafschaft Namür sollen denn schon<lb/>
früh Stücköfen eingeführt worden sein, die durch Erhöhung zur Er-<lb/>
findung des Guſseisens und zum Hochofenbetriebe geführt hätten.</p><lb/><p>Es ist sehr wahrscheinlich, daſs der Hochofenbetrieb in Lüttich<lb/>
und Namür sehr früh in Anwendung gekommen ist; das frühe Vor-<lb/>
kommen guſseiserner Geschützkugeln und Geschütze in den reichen<lb/>
flandrischen Städten<noteplace="foot"n="1)">Siehe Bd. I, S. 912.</note> spricht dafür. Auch <hirendition="#g">Karsten</hi> sagt in seiner<lb/>
Eisenhüttenkunde<noteplace="foot"n="2)">3. Auflage von 1841, Bd. I, S. 98.</note> in Bezug auf Belgien: „die Eisenfabrikation hat<lb/>
in den zu diesem Reiche gehörenden Landesteilen ohne Zweifel einen<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[850/0870]
Belgien und Lothringen.
hundert. In der Stadt Lüttich blühte die Schmiedekunst, namentlich
die Waffenschmiedekunst, während in dem benachbarten Gebiete, be-
sonders in der Markgrafschaft Franchimont, die Eisengewinnung und
Bereitung zu Hause war. In beiden Gebieten schlossen sich die
Eisenarbeiter in Zünfte und Genossenschaften zusammen. Die alte
Lütticher Schmiedezunft führte den Namen „corporation du bon
Métier des Febvres“. Wie angesehen dieselbe war, geht unter Anderem
daraus hervor, daſs Le sire d’Himbercourt, der Befehlshaber der
Belagerungstruppen bei der ersten Belagerung Lüttichs durch Karl
den Kühnen 1467, sich in einer Ansprache, in der er die Stadt zur
Übergabe auffordert, rühmt (als früherer Gouverneur der Stadt), ein
Mitglied der Schmiedezunft gewesen zu sein: Ne suis-je pas un de
leurs confrères? J’ai été reçu du métier des forgerons: ils m’ont vu
portant la robe de livrés de leur corporation et marchant sous leur
bannière (Barante, histoire des ducs de Bourgogne, XVII, p. 82).
Nach einer Überlieferung sollen die Waffenschmiede aus Aachen nach
einer groſsen Feuersbrunst nach Lüttich übergesiedelt sein.
Die Eisenerze dieses Gebietes, die besonders in der Grafschaft
Namür reichlich vorkommen, treten in dem Kalke des Kohlengebirges
in der Regel im Kontakt mit Schiefer auf. Es ist vorherrschend
Brauneisenstein, doch finden sich nördlich von Namür auch bedeutende
Roheisensteinlager aus blaugrauen Körnern zusammengesetzt und
als fer oligiste violet bezeichnet. Sehr früh werden Gruben bei Huy
und Landroz genannt.
Das Ausschmelzen der Erze geschah auch hier ursprünglich in
Luppenfeuern. Als man dazu überging, die Wasserkraft zu benutzen,
zogen sich die Eisenhütten in groſser Zahl in die Thäler der Vesdre,
Ourthe, Amblève und Hoyoux, alles Nebenflüsse der Maas im Gebiete
von Lüttich. Hier und in der Grafschaft Namür sollen denn schon
früh Stücköfen eingeführt worden sein, die durch Erhöhung zur Er-
findung des Guſseisens und zum Hochofenbetriebe geführt hätten.
Es ist sehr wahrscheinlich, daſs der Hochofenbetrieb in Lüttich
und Namür sehr früh in Anwendung gekommen ist; das frühe Vor-
kommen guſseiserner Geschützkugeln und Geschütze in den reichen
flandrischen Städten 1) spricht dafür. Auch Karsten sagt in seiner
Eisenhüttenkunde 2) in Bezug auf Belgien: „die Eisenfabrikation hat
in den zu diesem Reiche gehörenden Landesteilen ohne Zweifel einen
1) Siehe Bd. I, S. 912.
2) 3. Auflage von 1841, Bd. I, S. 98.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 850. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/870>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.