zur Produktion von Gusswaren. Die Natur der Erze der Nachbar- schaft begünstigte diese Industrie."
"Was die Hütte von Dieupart am Ambleve betrifft, so reicht sie in so entfernte Zeiten zurück, dass ihre Entstehungsurkunden (titres) längst verloren sind. Aller Wahrscheinlichkeit nach stammt sie aus dem 15. Jahrhundert. Sie enthielt einen Hochofen und zwei Frisch- hütten. Auch der Hochofen mit Frischfeuer bei Colonstre ist ein altes Werk." Es wird in einer Urkunde von 1642 "une vieille usine" genannt. Ebenso war der Hochofen von Spa sehr alt. Es war der erste, auf welchem die gusseisernen Töpfe gemacht wurden.
Natürlich schreibt der Verfasser mit der Erfindung der Hochöfen auch die Erfindung des Frischens den Schmieden des Lütticher Landes zu und erklärt die Wallonschmiede für den ältesten Frischprozess.
Dass die Eisenfabrikation eine grosse Rolle im Lütticher Lande spielte, wird durch andere Thatsachen bewiesen. Dynant und Lüttich nahmen durch ihren grossen Handel mit England eine hervorragende Stellung in London ein. Sie hatten ihre eigene Halle und Waren- häuser, und wenn sie sich auch später der Hansa und dem deutschen Stahlhofe anschlossen 1), so bewahrten sie sich doch ihre Selbständig- keit. Eisen und Eisenwaren waren Ausfuhrartikel der Lütticher, ob- gleich in dem alten Brüggeschen Warenverzeichnisse aus dem 13. Jahr- hundert nur die Kupferschmiedewaren von Lüttich aufgeführt werden (S. 584).
Lüttich war im 14. Jahrhundert berühmt durch Reichtum und Bildung. Petrarka schreibt 1339 bewundernd: "ich habe Lüttich gesehen, die durch Wissenschaft ruhmreiche Stadt".
Die Zahl, die Macht und die Bedeutung der Eisenschmiede im Lütticher Lande trat deutlich zu Tage in dem grossen, erbitterten Kampfe Karls des Kühnen von Burgund gegen Lüttich. Die Eisen- schmiede von Franchimont bildeten die wichtigste Abteilung des Ver- teidigungsheeres bei der grossen Belagerung von Lüttich im Jahre 1469 und waren berühmt als die tapfersten und todesmutigsten Streiter. Sie machten einen Ausfall, überfielen das Lager des Herzogs von Burgund, und sowohl dieser als König Ludwig XI. von Frank- reich entgingen nur mit knapper Not der Gefangenschaft oder dem Tode. Als deshalb Lüttich gefallen war, wütete Karl der Kühne mit erbarmungsloser Grausamkeit, mit Schwert und Bann gegen die Eisen-
1) Siehe Lappenberg, Urkundl. Geschichte des deutschen Stahlhofs. Ham- burg 1851, S. 35 etc.
Belgien und Lothringen.
zur Produktion von Guſswaren. Die Natur der Erze der Nachbar- schaft begünstigte diese Industrie.“
„Was die Hütte von Dieupart am Amblève betrifft, so reicht sie in so entfernte Zeiten zurück, daſs ihre Entstehungsurkunden (titres) längst verloren sind. Aller Wahrscheinlichkeit nach stammt sie aus dem 15. Jahrhundert. Sie enthielt einen Hochofen und zwei Frisch- hütten. Auch der Hochofen mit Frischfeuer bei Colonstre ist ein altes Werk.“ Es wird in einer Urkunde von 1642 „une vieille usine“ genannt. Ebenso war der Hochofen von Spa sehr alt. Es war der erste, auf welchem die guſseisernen Töpfe gemacht wurden.
Natürlich schreibt der Verfasser mit der Erfindung der Hochöfen auch die Erfindung des Frischens den Schmieden des Lütticher Landes zu und erklärt die Wallonschmiede für den ältesten Frischprozeſs.
Daſs die Eisenfabrikation eine groſse Rolle im Lütticher Lande spielte, wird durch andere Thatsachen bewiesen. Dynant und Lüttich nahmen durch ihren groſsen Handel mit England eine hervorragende Stellung in London ein. Sie hatten ihre eigene Halle und Waren- häuser, und wenn sie sich auch später der Hansa und dem deutschen Stahlhofe anschlossen 1), so bewahrten sie sich doch ihre Selbständig- keit. Eisen und Eisenwaren waren Ausfuhrartikel der Lütticher, ob- gleich in dem alten Brüggeschen Warenverzeichnisse aus dem 13. Jahr- hundert nur die Kupferschmiedewaren von Lüttich aufgeführt werden (S. 584).
Lüttich war im 14. Jahrhundert berühmt durch Reichtum und Bildung. Petrarka schreibt 1339 bewundernd: „ich habe Lüttich gesehen, die durch Wissenschaft ruhmreiche Stadt“.
Die Zahl, die Macht und die Bedeutung der Eisenschmiede im Lütticher Lande trat deutlich zu Tage in dem groſsen, erbitterten Kampfe Karls des Kühnen von Burgund gegen Lüttich. Die Eisen- schmiede von Franchimont bildeten die wichtigste Abteilung des Ver- teidigungsheeres bei der groſsen Belagerung von Lüttich im Jahre 1469 und waren berühmt als die tapfersten und todesmutigsten Streiter. Sie machten einen Ausfall, überfielen das Lager des Herzogs von Burgund, und sowohl dieser als König Ludwig XI. von Frank- reich entgingen nur mit knapper Not der Gefangenschaft oder dem Tode. Als deshalb Lüttich gefallen war, wütete Karl der Kühne mit erbarmungsloser Grausamkeit, mit Schwert und Bann gegen die Eisen-
1) Siehe Lappenberg, Urkundl. Geschichte des deutschen Stahlhofs. Ham- burg 1851, S. 35 etc.
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Belgien und Lothringen.
zur Produktion von Guſswaren. Die Natur der Erze der Nachbar-
schaft begünstigte diese Industrie.“
„Was die Hütte von Dieupart am Amblève betrifft, so reicht sie
in so entfernte Zeiten zurück, daſs ihre Entstehungsurkunden (titres)
längst verloren sind. Aller Wahrscheinlichkeit nach stammt sie aus
dem 15. Jahrhundert. Sie enthielt einen Hochofen und zwei Frisch-
hütten. Auch der Hochofen mit Frischfeuer bei Colonstre ist ein
altes Werk.“ Es wird in einer Urkunde von 1642 „une vieille usine“
genannt. Ebenso war der Hochofen von Spa sehr alt. Es war der
erste, auf welchem die guſseisernen Töpfe gemacht wurden.
Natürlich schreibt der Verfasser mit der Erfindung der Hochöfen
auch die Erfindung des Frischens den Schmieden des Lütticher Landes
zu und erklärt die Wallonschmiede für den ältesten Frischprozeſs.
Daſs die Eisenfabrikation eine groſse Rolle im Lütticher Lande
spielte, wird durch andere Thatsachen bewiesen. Dynant und Lüttich
nahmen durch ihren groſsen Handel mit England eine hervorragende
Stellung in London ein. Sie hatten ihre eigene Halle und Waren-
häuser, und wenn sie sich auch später der Hansa und dem deutschen
Stahlhofe anschlossen 1), so bewahrten sie sich doch ihre Selbständig-
keit. Eisen und Eisenwaren waren Ausfuhrartikel der Lütticher, ob-
gleich in dem alten Brüggeschen Warenverzeichnisse aus dem 13. Jahr-
hundert nur die Kupferschmiedewaren von Lüttich aufgeführt werden
(S. 584).
Lüttich war im 14. Jahrhundert berühmt durch Reichtum und
Bildung. Petrarka schreibt 1339 bewundernd: „ich habe Lüttich
gesehen, die durch Wissenschaft ruhmreiche Stadt“.
Die Zahl, die Macht und die Bedeutung der Eisenschmiede im
Lütticher Lande trat deutlich zu Tage in dem groſsen, erbitterten
Kampfe Karls des Kühnen von Burgund gegen Lüttich. Die Eisen-
schmiede von Franchimont bildeten die wichtigste Abteilung des Ver-
teidigungsheeres bei der groſsen Belagerung von Lüttich im Jahre
1469 und waren berühmt als die tapfersten und todesmutigsten
Streiter. Sie machten einen Ausfall, überfielen das Lager des Herzogs
von Burgund, und sowohl dieser als König Ludwig XI. von Frank-
reich entgingen nur mit knapper Not der Gefangenschaft oder dem
Tode. Als deshalb Lüttich gefallen war, wütete Karl der Kühne mit
erbarmungsloser Grausamkeit, mit Schwert und Bann gegen die Eisen-
1) Siehe Lappenberg, Urkundl. Geschichte des deutschen Stahlhofs. Ham-
burg 1851, S. 35 etc.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 852. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/872>, abgerufen am 22.11.2024.
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