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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895.

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England.
Noch aber war die Macht der Hansa ungebrochen und gerade um
die Wende des Jahrhunderts war die Einfuhr fremden Eisens auf
fremden Schiffen eine grosse.

Was den deutschen Kaufleuten in London am meisten zu Macht
und Ansehen half, war ihr Reichtum, der sie in den Stand setzte,
die englischen Könige, die in fortwährender Geldverlegenheit waren,
immer von neuem zu unterstützen.

Schottland war noch mehr wie England auf die Einfuhr fremden
Eisens angewiesen, denn seine heimische Erzeugung war ganz gering.
Es bezog Stahl aus Flandern und Eisen von Danzig und andern
Hansahäfen.

In Schottland blühte nur ein Eisenschmiedegewerbe, die Schwert-
schmiedekunst, welche ihren Anfang, oder den Anfang ihres Auf-
schwungs, wohl nur sagenhaft auf einen fremden Klingenschmied,
Andreas von Ferrara, zurückführt, der angeblich gegen Ende des
15. Jahrhunderts in Schottland thätig gewesen sein soll.

Um diesen Andreas Ferrara hat sich ein förmlicher Sagenkreis
gesponnen. Es ist aber wohl kein Zweifel, dass er identisch ist mit
dem Andrea Ferrara von Belluno, geboren um 1530, gestorben nach
1583, welcher einer der bekanntesten Klingenschmiede Italiens in der
zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts war und von dem auf dem Wege
des Handels viele Klingen nach England und Schottland gekommen
sind. Da er seinen Namen auf die Klinge schlug, kam es, dass eine
gute Schwertklinge damals schlechthin eine Andreas Ferrara hiess.
Heinrich VIII. kann aber diese Klingen der Zeit noch nicht bezogen
haben. Auch die von Dillon 1) mitgeteilte Überlieferung vermengt
Verschiedenes in irriger Weise. Danach habe Katharina von Arra-
gonien ihrem Gemahl Heinrich VIII. eine grössere Zahl berühmter
Schwerter aus Erz von Mondragon (Toledoklingen) zum Geschenk ge-
macht, von denen man noch einige bei den Hochländern in Schott-
land antreffe, wo man sie unter dem Namen Andreas Ferrara, als
des Meisters, der auf der Klinge steht, sehr in Ehren halte. Klingen
mit dem Namen Andreas Ferrara waren allerdings noch um die
Mitte des vorigen Jahrhunderts in England nicht selten. Dillon
erwähnt ein Schwert, das sich in der kleinen Gewehrkammer im
Tower in London befinde, mit dem Namen Andreas Ferrara, ohne
anderes Zeichen; dasselbe wurde 1715 bei der schottischen Rebellion
erobert.


1) Siehe Dillon, Reise durch Spanien, 1782, Bd. I, S. 162.

England.
Noch aber war die Macht der Hansa ungebrochen und gerade um
die Wende des Jahrhunderts war die Einfuhr fremden Eisens auf
fremden Schiffen eine groſse.

Was den deutschen Kaufleuten in London am meisten zu Macht
und Ansehen half, war ihr Reichtum, der sie in den Stand setzte,
die englischen Könige, die in fortwährender Geldverlegenheit waren,
immer von neuem zu unterstützen.

Schottland war noch mehr wie England auf die Einfuhr fremden
Eisens angewiesen, denn seine heimische Erzeugung war ganz gering.
Es bezog Stahl aus Flandern und Eisen von Danzig und andern
Hansahäfen.

In Schottland blühte nur ein Eisenschmiedegewerbe, die Schwert-
schmiedekunst, welche ihren Anfang, oder den Anfang ihres Auf-
schwungs, wohl nur sagenhaft auf einen fremden Klingenschmied,
Andreas von Ferrara, zurückführt, der angeblich gegen Ende des
15. Jahrhunderts in Schottland thätig gewesen sein soll.

Um diesen Andreas Ferrara hat sich ein förmlicher Sagenkreis
gesponnen. Es ist aber wohl kein Zweifel, daſs er identisch ist mit
dem Andrea Ferrara von Belluno, geboren um 1530, gestorben nach
1583, welcher einer der bekanntesten Klingenschmiede Italiens in der
zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts war und von dem auf dem Wege
des Handels viele Klingen nach England und Schottland gekommen
sind. Da er seinen Namen auf die Klinge schlug, kam es, daſs eine
gute Schwertklinge damals schlechthin eine Andreas Ferrara hieſs.
Heinrich VIII. kann aber diese Klingen der Zeit noch nicht bezogen
haben. Auch die von Dillon 1) mitgeteilte Überlieferung vermengt
Verschiedenes in irriger Weise. Danach habe Katharina von Arra-
gonien ihrem Gemahl Heinrich VIII. eine gröſsere Zahl berühmter
Schwerter aus Erz von Mondragon (Toledoklingen) zum Geschenk ge-
macht, von denen man noch einige bei den Hochländern in Schott-
land antreffe, wo man sie unter dem Namen Andreas Ferrara, als
des Meisters, der auf der Klinge steht, sehr in Ehren halte. Klingen
mit dem Namen Andreas Ferrara waren allerdings noch um die
Mitte des vorigen Jahrhunderts in England nicht selten. Dillon
erwähnt ein Schwert, das sich in der kleinen Gewehrkammer im
Tower in London befinde, mit dem Namen Andreas Ferrara, ohne
anderes Zeichen; dasſelbe wurde 1715 bei der schottischen Rebellion
erobert.


1) Siehe Dillon, Reise durch Spanien, 1782, Bd. I, S. 162.
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[882/0902] England. Noch aber war die Macht der Hansa ungebrochen und gerade um die Wende des Jahrhunderts war die Einfuhr fremden Eisens auf fremden Schiffen eine groſse. Was den deutschen Kaufleuten in London am meisten zu Macht und Ansehen half, war ihr Reichtum, der sie in den Stand setzte, die englischen Könige, die in fortwährender Geldverlegenheit waren, immer von neuem zu unterstützen. Schottland war noch mehr wie England auf die Einfuhr fremden Eisens angewiesen, denn seine heimische Erzeugung war ganz gering. Es bezog Stahl aus Flandern und Eisen von Danzig und andern Hansahäfen. In Schottland blühte nur ein Eisenschmiedegewerbe, die Schwert- schmiedekunst, welche ihren Anfang, oder den Anfang ihres Auf- schwungs, wohl nur sagenhaft auf einen fremden Klingenschmied, Andreas von Ferrara, zurückführt, der angeblich gegen Ende des 15. Jahrhunderts in Schottland thätig gewesen sein soll. Um diesen Andreas Ferrara hat sich ein förmlicher Sagenkreis gesponnen. Es ist aber wohl kein Zweifel, daſs er identisch ist mit dem Andrea Ferrara von Belluno, geboren um 1530, gestorben nach 1583, welcher einer der bekanntesten Klingenschmiede Italiens in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts war und von dem auf dem Wege des Handels viele Klingen nach England und Schottland gekommen sind. Da er seinen Namen auf die Klinge schlug, kam es, daſs eine gute Schwertklinge damals schlechthin eine Andreas Ferrara hieſs. Heinrich VIII. kann aber diese Klingen der Zeit noch nicht bezogen haben. Auch die von Dillon 1) mitgeteilte Überlieferung vermengt Verschiedenes in irriger Weise. Danach habe Katharina von Arra- gonien ihrem Gemahl Heinrich VIII. eine gröſsere Zahl berühmter Schwerter aus Erz von Mondragon (Toledoklingen) zum Geschenk ge- macht, von denen man noch einige bei den Hochländern in Schott- land antreffe, wo man sie unter dem Namen Andreas Ferrara, als des Meisters, der auf der Klinge steht, sehr in Ehren halte. Klingen mit dem Namen Andreas Ferrara waren allerdings noch um die Mitte des vorigen Jahrhunderts in England nicht selten. Dillon erwähnt ein Schwert, das sich in der kleinen Gewehrkammer im Tower in London befinde, mit dem Namen Andreas Ferrara, ohne anderes Zeichen; dasſelbe wurde 1715 bei der schottischen Rebellion erobert. 1) Siehe Dillon, Reise durch Spanien, 1782, Bd. I, S. 162.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 882. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/902>, abgerufen am 01.07.2024.