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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895.

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Schweden und Norwegen.
Die Abhängigkeit der schwedischen Industrie von den deutschen Kauf-
leuten war gebrochen. Diese Abhängigkeit, nicht nur auf wirtschaft-
lichem, sondern auch auf politischem Gebiete, war aber eine solche
gewesen, dass nicht der König, sondern die Hanseaten das Land
beherrschten. Zur Zeit, da Sten Sture Reichsverweser wurde, hatten
die Bauern überhaupt noch keine Vertretung; in den Städten musste
aber die Hälfte der Bürgermeister und Ratsherrn Deutsche sein. Sten
Sture
verschaffte dem dritten Stand das Recht der Vertretung und
bekämpfte die grossen Vorrechte der Ausländer im Stadtregiment.
Wo er konnte, war er auf Hebung der Volkswirtschaft bedacht. Die
Arbeit und die Arbeiter fanden bei ihm Schutz. Er gab auch den
Bergleuten Dalekarliens neue Privilegien. -- Die gleiche Politik ver-
folgte Gustav Wasa und führte sie mit noch grösserer Umsicht und
Sachkenntnis durch. Deutschland war damals im Bergbau und Hütten-
wesen allen Ländern voraus. Deshalb liess sich Gustav, geleitet von
dem Wunsch, die heimischen Bergwerke, welche durch die Nach-
lässigkeit ihrer früheren geistlichen Herren sehr in Verfall geraten
waren, einer grösseren Ausbeute zuzuführen, und wohl erkennend, dass
dazu gründlichere Kenntnisse sowohl der Erze und Gesteine als des
technischen Betriebes notwendig seien, tüchtige Fachleute aus Deutsch-
land kommen und erteilte denselben Privilegien, und ebenso sammelte
sein Agent Stephan Sachse auf seine Kosten über die verschiedenen
metallurgischen Vornahmen in deutschen Hüttenwerken erprobte
Kenntnisse, welche als Grundlage für den künftigen Betrieb der
schwedischen Werke dienen sollten. Desgleichen berief er deutsche
Eisenhüttenleute.

Gustav Wasa erkannte klar die Unnatur des seit Jahrhunderten
eingeführten und von den Hanseaten mit Eifersucht gepflegten Verhält-
nisses, dass die Schweden aus ihren Erzen nur das Halbprodukt, den
Osmund, herstellten, welchen die Deutschen zu billigem Preis aufkauften
und ausführten, während alles fertige Eisen, Schmiedeeisen und Eisen-
waren von den hansischen Kaufleuten zu hohen Preisen eingeführt wurde.
Und dies geschah trotz des enormen Holzreichtums Schwedens! Nur
Schlendrian und Dummheit, gepflegt von den interessierten Händlern,
hatten diesen Zustand so lange bestehen lassen. Gustav I. ging ihm
mit fester Hand zu Leibe. Er verbot die Ausfuhr von Erzen und
von Osmund und Roheisen, die von Stabeisen dagegen nicht. Um
der gedankenlosen Wirtschaft der Bauernöfen und der Darstellung
des Osmund entgegen zu arbeiten, verlangte er 1540, dass alle Ab-
gaben von Eisen an den Staat, -- und in den erzreichen Distrikten

Schweden und Norwegen.
Die Abhängigkeit der schwedischen Industrie von den deutschen Kauf-
leuten war gebrochen. Diese Abhängigkeit, nicht nur auf wirtschaft-
lichem, sondern auch auf politischem Gebiete, war aber eine solche
gewesen, daſs nicht der König, sondern die Hanseaten das Land
beherrschten. Zur Zeit, da Sten Sture Reichsverweser wurde, hatten
die Bauern überhaupt noch keine Vertretung; in den Städten muſste
aber die Hälfte der Bürgermeister und Ratsherrn Deutsche sein. Sten
Sture
verschaffte dem dritten Stand das Recht der Vertretung und
bekämpfte die groſsen Vorrechte der Ausländer im Stadtregiment.
Wo er konnte, war er auf Hebung der Volkswirtschaft bedacht. Die
Arbeit und die Arbeiter fanden bei ihm Schutz. Er gab auch den
Bergleuten Dalekarliens neue Privilegien. — Die gleiche Politik ver-
folgte Gustav Wasa und führte sie mit noch gröſserer Umsicht und
Sachkenntnis durch. Deutschland war damals im Bergbau und Hütten-
wesen allen Ländern voraus. Deshalb lieſs sich Gustav, geleitet von
dem Wunsch, die heimischen Bergwerke, welche durch die Nach-
lässigkeit ihrer früheren geistlichen Herren sehr in Verfall geraten
waren, einer gröſseren Ausbeute zuzuführen, und wohl erkennend, daſs
dazu gründlichere Kenntnisse sowohl der Erze und Gesteine als des
technischen Betriebes notwendig seien, tüchtige Fachleute aus Deutsch-
land kommen und erteilte denselben Privilegien, und ebenso sammelte
sein Agent Stephan Sachse auf seine Kosten über die verschiedenen
metallurgischen Vornahmen in deutschen Hüttenwerken erprobte
Kenntnisse, welche als Grundlage für den künftigen Betrieb der
schwedischen Werke dienen sollten. Desgleichen berief er deutsche
Eisenhüttenleute.

Gustav Wasa erkannte klar die Unnatur des seit Jahrhunderten
eingeführten und von den Hanseaten mit Eifersucht gepflegten Verhält-
nisses, daſs die Schweden aus ihren Erzen nur das Halbprodukt, den
Osmund, herstellten, welchen die Deutschen zu billigem Preis aufkauften
und ausführten, während alles fertige Eisen, Schmiedeeisen und Eisen-
waren von den hansischen Kaufleuten zu hohen Preisen eingeführt wurde.
Und dies geschah trotz des enormen Holzreichtums Schwedens! Nur
Schlendrian und Dummheit, gepflegt von den interessierten Händlern,
hatten diesen Zustand so lange bestehen lassen. Gustav I. ging ihm
mit fester Hand zu Leibe. Er verbot die Ausfuhr von Erzen und
von Osmund und Roheisen, die von Stabeisen dagegen nicht. Um
der gedankenlosen Wirtschaft der Bauernöfen und der Darstellung
des Osmund entgegen zu arbeiten, verlangte er 1540, daſs alle Ab-
gaben von Eisen an den Staat, — und in den erzreichen Distrikten

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[901/0921] Schweden und Norwegen. Die Abhängigkeit der schwedischen Industrie von den deutschen Kauf- leuten war gebrochen. Diese Abhängigkeit, nicht nur auf wirtschaft- lichem, sondern auch auf politischem Gebiete, war aber eine solche gewesen, daſs nicht der König, sondern die Hanseaten das Land beherrschten. Zur Zeit, da Sten Sture Reichsverweser wurde, hatten die Bauern überhaupt noch keine Vertretung; in den Städten muſste aber die Hälfte der Bürgermeister und Ratsherrn Deutsche sein. Sten Sture verschaffte dem dritten Stand das Recht der Vertretung und bekämpfte die groſsen Vorrechte der Ausländer im Stadtregiment. Wo er konnte, war er auf Hebung der Volkswirtschaft bedacht. Die Arbeit und die Arbeiter fanden bei ihm Schutz. Er gab auch den Bergleuten Dalekarliens neue Privilegien. — Die gleiche Politik ver- folgte Gustav Wasa und führte sie mit noch gröſserer Umsicht und Sachkenntnis durch. Deutschland war damals im Bergbau und Hütten- wesen allen Ländern voraus. Deshalb lieſs sich Gustav, geleitet von dem Wunsch, die heimischen Bergwerke, welche durch die Nach- lässigkeit ihrer früheren geistlichen Herren sehr in Verfall geraten waren, einer gröſseren Ausbeute zuzuführen, und wohl erkennend, daſs dazu gründlichere Kenntnisse sowohl der Erze und Gesteine als des technischen Betriebes notwendig seien, tüchtige Fachleute aus Deutsch- land kommen und erteilte denselben Privilegien, und ebenso sammelte sein Agent Stephan Sachse auf seine Kosten über die verschiedenen metallurgischen Vornahmen in deutschen Hüttenwerken erprobte Kenntnisse, welche als Grundlage für den künftigen Betrieb der schwedischen Werke dienen sollten. Desgleichen berief er deutsche Eisenhüttenleute. Gustav Wasa erkannte klar die Unnatur des seit Jahrhunderten eingeführten und von den Hanseaten mit Eifersucht gepflegten Verhält- nisses, daſs die Schweden aus ihren Erzen nur das Halbprodukt, den Osmund, herstellten, welchen die Deutschen zu billigem Preis aufkauften und ausführten, während alles fertige Eisen, Schmiedeeisen und Eisen- waren von den hansischen Kaufleuten zu hohen Preisen eingeführt wurde. Und dies geschah trotz des enormen Holzreichtums Schwedens! Nur Schlendrian und Dummheit, gepflegt von den interessierten Händlern, hatten diesen Zustand so lange bestehen lassen. Gustav I. ging ihm mit fester Hand zu Leibe. Er verbot die Ausfuhr von Erzen und von Osmund und Roheisen, die von Stabeisen dagegen nicht. Um der gedankenlosen Wirtschaft der Bauernöfen und der Darstellung des Osmund entgegen zu arbeiten, verlangte er 1540, daſs alle Ab- gaben von Eisen an den Staat, — und in den erzreichen Distrikten

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 901. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/921>, abgerufen am 01.07.2024.