Die Eisengiesserei um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
der Kern in der Form derart frei schwebt, dass überall der gleiche Abstand von der äusseren Form entsprechend der Wandstärke des Rohres verbleibt. Nachdem man den Oberkasten, welcher natürlich auch am Unterkasten seine Zapfenführung hat, wieder aufgesetzt hat, ist die Form zum Gusse fertig. Die Muffenröhren haben den grossen Nachteil, dass man sie aus einer geschlossenen Leitung kaum heraus- nehmen kann, ohne sie zu zerschlagen, dadurch kam man dazu, sie durch Flantschenröhren, welche Verdichtungsflächen haben, die mit Schrauben verbunden werden, zu ersetzen. Es war dies eine sehr wichtige Erfindung, die durchaus nicht so einfach war, wie sie uns heutzutage erscheint 1). Sie soll nach Deparcieux' Angabe gegen Ende des 17. Jahrhunderts in Frankreich gemacht worden sein, als Ludwig XIV. die grossartigen Anlagen in Versailles und Marly aus- führen liess. Nach seiner Ansicht hätte der Schwerpunkt der Er- findung nur in den richtigen Formkasten gelegen. Das Modell eines
[Abbildung]
Fig. 105.
einfachen Flant- schenrohres be- steht aus sechs Teilen, aus den zwei Rohrhälften und den vier Flantschenhälf- ten (Fig. 105). An dem Rohrmodell ist ein Ansatz von geringerem Durchmesser, der Kernstutzen, durch welchen die Eisenstärke bestimmt wird. Deparcieux sagt, man habe seines Wissens bis jetzt keine Versuche über die erforder- liche Wandstärke von gusseisernen Röhren bei bestimmtem Druck angestellt und müsse man sich deshalb an die vorliegenden Erfahrungen halten. Für ein 6 bis 7 Zoll weites Rohr mache man die Wandstärke in der Regel 6 bis 7 Linien, wenn es aber einen Druck von 100 bis 120 Fuss Wasser auszuhalten habe, müsse man sie 8 bis 9 Linien dick machen. Die Flantschen mache man dicker als die Wandstärke der Rohre, bei Röhren von 6 bis 7 Zoll 14 bis 15 Linien stark. Dementsprechend müsste auch die Entfernung der Schraubenlöcher vom Rande der Flantsche sein. Diese Löcher machte man 1 bis 2 Linien grösser, als der Schraube entspreche, damit sie leicht durch- gesteckt werden könne. Für 6- bis 8zöllige Röhren gäbe man ihnen 13 Linien lichte Weite.
1) Siehe hierüber Deparcieux in den Descriptions des arts et metiers, T. II, p. 225.
Die Eisengieſserei um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
der Kern in der Form derart frei schwebt, daſs überall der gleiche Abstand von der äuſseren Form entsprechend der Wandstärke des Rohres verbleibt. Nachdem man den Oberkasten, welcher natürlich auch am Unterkasten seine Zapfenführung hat, wieder aufgesetzt hat, ist die Form zum Gusse fertig. Die Muffenröhren haben den groſsen Nachteil, daſs man sie aus einer geschlossenen Leitung kaum heraus- nehmen kann, ohne sie zu zerschlagen, dadurch kam man dazu, sie durch Flantschenröhren, welche Verdichtungsflächen haben, die mit Schrauben verbunden werden, zu ersetzen. Es war dies eine sehr wichtige Erfindung, die durchaus nicht so einfach war, wie sie uns heutzutage erscheint 1). Sie soll nach Deparcieux’ Angabe gegen Ende des 17. Jahrhunderts in Frankreich gemacht worden sein, als Ludwig XIV. die groſsartigen Anlagen in Versailles und Marly aus- führen lieſs. Nach seiner Ansicht hätte der Schwerpunkt der Er- findung nur in den richtigen Formkasten gelegen. Das Modell eines
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Fig. 105.
einfachen Flant- schenrohres be- steht aus sechs Teilen, aus den zwei Rohrhälften und den vier Flantschenhälf- ten (Fig. 105). An dem Rohrmodell ist ein Ansatz von geringerem Durchmesser, der Kernstutzen, durch welchen die Eisenstärke bestimmt wird. Deparcieux sagt, man habe seines Wissens bis jetzt keine Versuche über die erforder- liche Wandstärke von guſseisernen Röhren bei bestimmtem Druck angestellt und müsse man sich deshalb an die vorliegenden Erfahrungen halten. Für ein 6 bis 7 Zoll weites Rohr mache man die Wandstärke in der Regel 6 bis 7 Linien, wenn es aber einen Druck von 100 bis 120 Fuſs Wasser auszuhalten habe, müsse man sie 8 bis 9 Linien dick machen. Die Flantschen mache man dicker als die Wandstärke der Rohre, bei Röhren von 6 bis 7 Zoll 14 bis 15 Linien stark. Dementsprechend müſste auch die Entfernung der Schraubenlöcher vom Rande der Flantsche sein. Diese Löcher machte man 1 bis 2 Linien gröſser, als der Schraube entspreche, damit sie leicht durch- gesteckt werden könne. Für 6- bis 8zöllige Röhren gäbe man ihnen 13 Linien lichte Weite.
1) Siehe hierüber Deparcieux in den Descriptions des arts et métiers, T. II, p. 225.
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Die Eisengieſserei um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
der Kern in der Form derart frei schwebt, daſs überall der gleiche
Abstand von der äuſseren Form entsprechend der Wandstärke des
Rohres verbleibt. Nachdem man den Oberkasten, welcher natürlich
auch am Unterkasten seine Zapfenführung hat, wieder aufgesetzt hat,
ist die Form zum Gusse fertig. Die Muffenröhren haben den groſsen
Nachteil, daſs man sie aus einer geschlossenen Leitung kaum heraus-
nehmen kann, ohne sie zu zerschlagen, dadurch kam man dazu, sie
durch Flantschenröhren, welche Verdichtungsflächen haben, die mit
Schrauben verbunden werden, zu ersetzen. Es war dies eine sehr
wichtige Erfindung, die durchaus nicht so einfach war, wie sie uns
heutzutage erscheint 1). Sie soll nach Deparcieux’ Angabe gegen
Ende des 17. Jahrhunderts in Frankreich gemacht worden sein, als
Ludwig XIV. die groſsartigen Anlagen in Versailles und Marly aus-
führen lieſs. Nach seiner Ansicht hätte der Schwerpunkt der Er-
findung nur in den richtigen Formkasten gelegen. Das Modell eines
[Abbildung Fig. 105.]
einfachen Flant-
schenrohres be-
steht aus sechs
Teilen, aus den
zwei Rohrhälften
und den vier
Flantschenhälf-
ten (Fig. 105).
An dem Rohrmodell ist ein Ansatz von geringerem Durchmesser, der
Kernstutzen, durch welchen die Eisenstärke bestimmt wird. Deparcieux
sagt, man habe seines Wissens bis jetzt keine Versuche über die erforder-
liche Wandstärke von guſseisernen Röhren bei bestimmtem Druck
angestellt und müsse man sich deshalb an die vorliegenden Erfahrungen
halten. Für ein 6 bis 7 Zoll weites Rohr mache man die Wandstärke
in der Regel 6 bis 7 Linien, wenn es aber einen Druck von 100 bis
120 Fuſs Wasser auszuhalten habe, müsse man sie 8 bis 9 Linien
dick machen. Die Flantschen mache man dicker als die Wandstärke
der Rohre, bei Röhren von 6 bis 7 Zoll 14 bis 15 Linien stark.
Dementsprechend müſste auch die Entfernung der Schraubenlöcher
vom Rande der Flantsche sein. Diese Löcher machte man 1 bis
2 Linien gröſser, als der Schraube entspreche, damit sie leicht durch-
gesteckt werden könne. Für 6- bis 8zöllige Röhren gäbe man ihnen
13 Linien lichte Weite.
1) Siehe hierüber Deparcieux in den Descriptions des arts et métiers,
T. II, p. 225.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 375. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/389>, abgerufen am 22.11.2024.
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