Die Eisengiesserei um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
ausserdem auch Roheisen. Das Bestreben der Hütte geht dahin, alle Arten von Gusswaren anzufertigen, als Roste und Stubenkamine, Zierrate von Zimmern, Schiffsöfen, Hausthüren mit zwei Flügeln, Plätteisen, Töpfe u. s. w. Die letzteren machen einen Hauptgegenstand aus. Diese Hütten versorgen ganz Canada damit, seitdem solches von Eng- land erobert ist und sie brauchen dieselben Modelle, die man ehedem in Frankreich hatte. Endlich werden auch daselbst beinahe alle Arten von Waren aus Gusseisen gemacht, die man sonst aus ge- schmiedetem Eisen verfertigt und auf Schleifsteinen, welche nach der zu St. Etienne in Foretz gewöhnlichen Art vom Wasser getrieben werden, blank geschliffen. Die Formen zu den grossen Cylindern werden aus Thon, der mit Kälberhaaren vermischt und sehr wohl durchgearbeitet und geknetet wird, hergestellt. Die Kernstange zu dem grossen Cylinder besteht aus einer grossen runden eisernen Stange, um welche so lange Backsteine gelegt und darüber Thon geschlagen wird, bis der Kern den erforderlichen Durchmesser erhalten hat. Weil aber ein solcher Kern zu stark ist, als dass man ihn selbst drehen könnte, so wird er senkrecht aufgestellt und an einer beweglichen Spindel wird eine Schablone befestigt, welche, wenn sie herumgedreht wird, dem Kern die gehörige Proportion giebt."
In Deutschland war die Eisengiesserei direkt aus dem Hochofen sehr verbreitet. Die Eisenhütten am Rhein, an der Saar, in der Eifel, an der Lahn, in Nassau, Hessen, am Harz, in Sachsen lieferten vorzügliche Gusswaren.
Durch von Justi erfahren wir, dass schon lange vor 1764 auch das Einschmelzen im englischen Coupoloofen, d. h. im Flammofen mit englischen Steinkohlen, auf den Eisengiessereien in Hamburg und Altona eingeführt war1). Justi spricht von der Güte dieser Öfen und der damit erzeugten Gusswaren sehr geringschätzig. In diese Hamburger Öfen könne man in der Mitte eine alte Kanone hineinhängen und sie nach und nach abschmelzen. Hieraus zieht Justi den verkehrten Schluss, dass diese Öfen nichts taugen könnten, weil dies "wider die Natur des Coupolo- ofens" sei. Er ist aber durchaus kein klassischer Zeuge, weil er selbst schon um 1762 ein Patent auf einen "verbesserten englischen Coupolo- ofen" genommen hatte. Derselbe war allerdings 1764 in Deutschland, wie er berichtet, noch nicht probiert worden2). In einem späteren Aufsatz giebt Justi an, dass das Verdienst der Erfindung dieser Öfen
1) Schauplatz der Künste und Handwerke, Bd. III, S. 7 Anmerk.
2) S. Schauplatz (1764), Bd. III, S. 6. Chymische Schriften (1771), Bd. III, S. 365, wo auch eine Abbildung seines Ofens mitgeteilt ist.
Beck, Geschichte des Eisens. 25
Die Eisengieſserei um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
auſserdem auch Roheisen. Das Bestreben der Hütte geht dahin, alle Arten von Guſswaren anzufertigen, als Roste und Stubenkamine, Zierrate von Zimmern, Schiffsöfen, Hausthüren mit zwei Flügeln, Plätteisen, Töpfe u. s. w. Die letzteren machen einen Hauptgegenstand aus. Diese Hütten versorgen ganz Canada damit, seitdem solches von Eng- land erobert ist und sie brauchen dieselben Modelle, die man ehedem in Frankreich hatte. Endlich werden auch daselbst beinahe alle Arten von Waren aus Guſseisen gemacht, die man sonst aus ge- schmiedetem Eisen verfertigt und auf Schleifsteinen, welche nach der zu St. Etienne in Foretz gewöhnlichen Art vom Wasser getrieben werden, blank geschliffen. Die Formen zu den groſsen Cylindern werden aus Thon, der mit Kälberhaaren vermischt und sehr wohl durchgearbeitet und geknetet wird, hergestellt. Die Kernstange zu dem groſsen Cylinder besteht aus einer groſsen runden eisernen Stange, um welche so lange Backsteine gelegt und darüber Thon geschlagen wird, bis der Kern den erforderlichen Durchmesser erhalten hat. Weil aber ein solcher Kern zu stark ist, als daſs man ihn selbst drehen könnte, so wird er senkrecht aufgestellt und an einer beweglichen Spindel wird eine Schablone befestigt, welche, wenn sie herumgedreht wird, dem Kern die gehörige Proportion giebt.“
In Deutschland war die Eisengieſserei direkt aus dem Hochofen sehr verbreitet. Die Eisenhütten am Rhein, an der Saar, in der Eifel, an der Lahn, in Nassau, Hessen, am Harz, in Sachsen lieferten vorzügliche Guſswaren.
Durch von Justi erfahren wir, daſs schon lange vor 1764 auch das Einschmelzen im englischen Coupoloofen, d. h. im Flammofen mit englischen Steinkohlen, auf den Eisengieſsereien in Hamburg und Altona eingeführt war1). Justi spricht von der Güte dieser Öfen und der damit erzeugten Guſswaren sehr geringschätzig. In diese Hamburger Öfen könne man in der Mitte eine alte Kanone hineinhängen und sie nach und nach abschmelzen. Hieraus zieht Justi den verkehrten Schluſs, daſs diese Öfen nichts taugen könnten, weil dies „wider die Natur des Coupolo- ofens“ sei. Er ist aber durchaus kein klassischer Zeuge, weil er selbst schon um 1762 ein Patent auf einen „verbesserten englischen Coupolo- ofen“ genommen hatte. Derselbe war allerdings 1764 in Deutschland, wie er berichtet, noch nicht probiert worden2). In einem späteren Aufsatz giebt Justi an, daſs das Verdienst der Erfindung dieser Öfen
1) Schauplatz der Künste und Handwerke, Bd. III, S. 7 Anmerk.
2) S. Schauplatz (1764), Bd. III, S. 6. Chymische Schriften (1771), Bd. III, S. 365, wo auch eine Abbildung seines Ofens mitgeteilt ist.
Beck, Geschichte des Eisens. 25
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><p><pbfacs="#f0399"n="385"/><fwplace="top"type="header">Die Eisengieſserei um die Mitte des 18. Jahrhunderts.</fw><lb/>
auſserdem auch Roheisen. Das Bestreben der Hütte geht dahin, alle<lb/>
Arten von Guſswaren anzufertigen, als Roste und Stubenkamine, Zierrate<lb/>
von Zimmern, Schiffsöfen, Hausthüren mit zwei Flügeln, Plätteisen,<lb/>
Töpfe u. s. w. Die letzteren machen einen Hauptgegenstand aus.<lb/>
Diese Hütten versorgen ganz Canada damit, seitdem solches von Eng-<lb/>
land erobert ist und sie brauchen dieselben Modelle, die man ehedem<lb/>
in Frankreich hatte. Endlich werden auch daselbst beinahe alle<lb/>
Arten von Waren aus Guſseisen gemacht, die man sonst aus ge-<lb/>
schmiedetem Eisen verfertigt und auf Schleifsteinen, welche nach der zu<lb/>
St. Etienne in Foretz gewöhnlichen Art vom Wasser getrieben werden,<lb/>
blank geschliffen. Die Formen zu den groſsen Cylindern werden aus<lb/>
Thon, der mit Kälberhaaren vermischt und sehr wohl durchgearbeitet<lb/>
und geknetet wird, hergestellt. Die Kernstange zu dem groſsen Cylinder<lb/>
besteht aus einer groſsen runden eisernen Stange, um welche so<lb/>
lange Backsteine gelegt und darüber Thon geschlagen wird, bis der<lb/>
Kern den erforderlichen Durchmesser erhalten hat. Weil aber ein<lb/>
solcher Kern zu stark ist, als daſs man ihn selbst drehen könnte, so<lb/>
wird er senkrecht aufgestellt und an einer beweglichen Spindel wird<lb/>
eine Schablone befestigt, welche, wenn sie herumgedreht wird, dem<lb/>
Kern die gehörige Proportion giebt.“</p><lb/><p>In <hirendition="#g">Deutschland</hi> war die Eisengieſserei direkt aus dem Hochofen<lb/>
sehr verbreitet. Die Eisenhütten am Rhein, an der Saar, in der<lb/>
Eifel, an der Lahn, in Nassau, Hessen, am Harz, in Sachsen lieferten<lb/>
vorzügliche Guſswaren.</p><lb/><p>Durch <hirendition="#g">von Justi</hi> erfahren wir, daſs schon lange vor 1764 auch<lb/>
das Einschmelzen im englischen Coupoloofen, d. h. im Flammofen mit<lb/>
englischen Steinkohlen, auf den Eisengieſsereien in Hamburg und Altona<lb/>
eingeführt war<noteplace="foot"n="1)">Schauplatz der Künste und Handwerke, Bd. III, S. 7 Anmerk.</note>. <hirendition="#g">Justi</hi> spricht von der Güte dieser Öfen und der damit<lb/>
erzeugten Guſswaren sehr geringschätzig. In diese Hamburger Öfen<lb/>
könne man in der Mitte eine alte Kanone hineinhängen und sie nach und<lb/>
nach abschmelzen. Hieraus zieht <hirendition="#g">Justi</hi> den verkehrten Schluſs, daſs diese<lb/>
Öfen nichts taugen könnten, weil dies „wider die Natur des Coupolo-<lb/>
ofens“ sei. Er ist aber durchaus kein klassischer Zeuge, weil er selbst<lb/>
schon um 1762 ein Patent auf einen „verbesserten englischen Coupolo-<lb/>
ofen“ genommen hatte. Derselbe war allerdings 1764 in Deutschland,<lb/>
wie er berichtet, noch nicht probiert worden<noteplace="foot"n="2)">S. Schauplatz (1764), Bd. III, S. 6. Chymische Schriften (1771), Bd. III,<lb/>
S. 365, wo auch eine Abbildung seines Ofens mitgeteilt ist.</note>. In einem späteren<lb/>
Aufsatz giebt <hirendition="#g">Justi</hi> an, daſs das Verdienst der Erfindung dieser Öfen<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#g">Beck</hi>, Geschichte des Eisens. 25</fw><lb/></p></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[385/0399]
Die Eisengieſserei um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
auſserdem auch Roheisen. Das Bestreben der Hütte geht dahin, alle
Arten von Guſswaren anzufertigen, als Roste und Stubenkamine, Zierrate
von Zimmern, Schiffsöfen, Hausthüren mit zwei Flügeln, Plätteisen,
Töpfe u. s. w. Die letzteren machen einen Hauptgegenstand aus.
Diese Hütten versorgen ganz Canada damit, seitdem solches von Eng-
land erobert ist und sie brauchen dieselben Modelle, die man ehedem
in Frankreich hatte. Endlich werden auch daselbst beinahe alle
Arten von Waren aus Guſseisen gemacht, die man sonst aus ge-
schmiedetem Eisen verfertigt und auf Schleifsteinen, welche nach der zu
St. Etienne in Foretz gewöhnlichen Art vom Wasser getrieben werden,
blank geschliffen. Die Formen zu den groſsen Cylindern werden aus
Thon, der mit Kälberhaaren vermischt und sehr wohl durchgearbeitet
und geknetet wird, hergestellt. Die Kernstange zu dem groſsen Cylinder
besteht aus einer groſsen runden eisernen Stange, um welche so
lange Backsteine gelegt und darüber Thon geschlagen wird, bis der
Kern den erforderlichen Durchmesser erhalten hat. Weil aber ein
solcher Kern zu stark ist, als daſs man ihn selbst drehen könnte, so
wird er senkrecht aufgestellt und an einer beweglichen Spindel wird
eine Schablone befestigt, welche, wenn sie herumgedreht wird, dem
Kern die gehörige Proportion giebt.“
In Deutschland war die Eisengieſserei direkt aus dem Hochofen
sehr verbreitet. Die Eisenhütten am Rhein, an der Saar, in der
Eifel, an der Lahn, in Nassau, Hessen, am Harz, in Sachsen lieferten
vorzügliche Guſswaren.
Durch von Justi erfahren wir, daſs schon lange vor 1764 auch
das Einschmelzen im englischen Coupoloofen, d. h. im Flammofen mit
englischen Steinkohlen, auf den Eisengieſsereien in Hamburg und Altona
eingeführt war 1). Justi spricht von der Güte dieser Öfen und der damit
erzeugten Guſswaren sehr geringschätzig. In diese Hamburger Öfen
könne man in der Mitte eine alte Kanone hineinhängen und sie nach und
nach abschmelzen. Hieraus zieht Justi den verkehrten Schluſs, daſs diese
Öfen nichts taugen könnten, weil dies „wider die Natur des Coupolo-
ofens“ sei. Er ist aber durchaus kein klassischer Zeuge, weil er selbst
schon um 1762 ein Patent auf einen „verbesserten englischen Coupolo-
ofen“ genommen hatte. Derselbe war allerdings 1764 in Deutschland,
wie er berichtet, noch nicht probiert worden 2). In einem späteren
Aufsatz giebt Justi an, daſs das Verdienst der Erfindung dieser Öfen
1) Schauplatz der Künste und Handwerke, Bd. III, S. 7 Anmerk.
2) S. Schauplatz (1764), Bd. III, S. 6. Chymische Schriften (1771), Bd. III,
S. 365, wo auch eine Abbildung seines Ofens mitgeteilt ist.
Beck, Geschichte des Eisens. 25
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 385. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/399>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.