dings 1770 in den Schriften der Akademie abdrucken liess, aber in solcher Fassung, dass ein grosser Teil des Verdienstes auf Retzius fallen musste. Hieraus erklärt sich zur Genüge Scheeles bitteres Gefühl gegen Bergman, denn er hielt sein Betragen für Geringschätzung. Nicht ohne Mühe gelang es Bergman, ihn zu überzeugen, dass nicht böser Wille, sondern Vergesslichkeit der Grund des unliebsamen Ereig- nisses gewesen sei. Nachdem er aber einmal Scheeles Herz gewonnen hatte, entspann sich daraus eine Freundschaft beider für das Leben zum Segen der Wissenschaft, der Bergman und Scheele immer als zwei Sterne erster Grösse vorleuchten werden. Scheele starb 1786, zwei Jahre nach Bergman, nach kaum zurückgelegtem 43. Lebens- jahre. Von seinen Entdeckungen haben wir die der Mangansalze schon genannt, ferner entdeckte er die Molybdän- und die Wolframsäure, ferner die Barytsalze, die Flusssäure u. s. w. Eine für die Metallurgie des Eisens wichtige Arbeit war seine Untersuchung des Graphits. Er wies 1779 nach, dass sich derselbe beim Verbrennen mit Salpeter fast ganz in Kohlensäure verwandle und dass er, mit Arseniksäure erhitzt, diese unter Entwickelung von Kohlensäure zu arseniger Säure reduziere; er schloss, der Graphit sei eine Art mineralischer Kohle, welche viel fixe Luft (Kohlensäure) und Phlogiston enthalte. Das Eisen im Graphit erklärte er für eine zufällige Beimischung. Dagegen sei der "Kies" im Gusseisen wirklicher Graphit.
Eine seiner hervorragendsten Arbeiten war seine chemische Abhandlung über Luft und Feuer 1), welche 1777 im Druck erschien. Er wies darin nach, dass die atmosphärische Luft aus zwei ver- schiedenen Bestandteilen besteht, wovon die eine, von ihm Feuerluft genannt, die Verbrennung und das Atmen unterhält, während die andere, welche er verdorbene Luft nannte, nichts zur Unterhaltung dieser Prozesse beiträgt. Zur Zerlegung der Luft bediente sich Scheele einer Auflösung von Schwefelleber, von der er erkannte, dass sie den Anteil an Feuerluft vollständig absorbiert. Er versuchte das Ver- hältnis beider Gase quantitativ zu bestimmen und ermittelte ziemlich richtig ihre specifischen Gewichte. Er zeigte, dass die Metalle bei ihrer Verkalkung Feuerluft aufnehmen und bei ihrer Reduktion wieder davon befreit werden. So hatte er selbst die Thatsachen erforscht, welche die Unrichtigkeit der Phlogistontheorie erwiesen und doch hielt er an letzterer fest, was freilich nur dadurch möglich war, dass er dem Begriff Phlogiston eine ganz andere, künstliche Deutung gab.
1)Kopp, a. a. O., Bd. I, S. 260.
Chemie des Eisens.
dings 1770 in den Schriften der Akademie abdrucken lieſs, aber in solcher Fassung, daſs ein groſser Teil des Verdienstes auf Retzius fallen muſste. Hieraus erklärt sich zur Genüge Scheeles bitteres Gefühl gegen Bergman, denn er hielt sein Betragen für Geringschätzung. Nicht ohne Mühe gelang es Bergman, ihn zu überzeugen, daſs nicht böser Wille, sondern Vergeſslichkeit der Grund des unliebsamen Ereig- nisses gewesen sei. Nachdem er aber einmal Scheeles Herz gewonnen hatte, entspann sich daraus eine Freundschaft beider für das Leben zum Segen der Wissenschaft, der Bergman und Scheele immer als zwei Sterne erster Gröſse vorleuchten werden. Scheele starb 1786, zwei Jahre nach Bergman, nach kaum zurückgelegtem 43. Lebens- jahre. Von seinen Entdeckungen haben wir die der Mangansalze schon genannt, ferner entdeckte er die Molybdän- und die Wolframsäure, ferner die Barytsalze, die Fluſssäure u. s. w. Eine für die Metallurgie des Eisens wichtige Arbeit war seine Untersuchung des Graphits. Er wies 1779 nach, daſs sich derselbe beim Verbrennen mit Salpeter fast ganz in Kohlensäure verwandle und daſs er, mit Arseniksäure erhitzt, diese unter Entwickelung von Kohlensäure zu arseniger Säure reduziere; er schloſs, der Graphit sei eine Art mineralischer Kohle, welche viel fixe Luft (Kohlensäure) und Phlogiston enthalte. Das Eisen im Graphit erklärte er für eine zufällige Beimischung. Dagegen sei der „Kies“ im Guſseisen wirklicher Graphit.
Eine seiner hervorragendsten Arbeiten war seine chemische Abhandlung über Luft und Feuer 1), welche 1777 im Druck erschien. Er wies darin nach, daſs die atmosphärische Luft aus zwei ver- schiedenen Bestandteilen besteht, wovon die eine, von ihm Feuerluft genannt, die Verbrennung und das Atmen unterhält, während die andere, welche er verdorbene Luft nannte, nichts zur Unterhaltung dieser Prozesse beiträgt. Zur Zerlegung der Luft bediente sich Scheele einer Auflösung von Schwefelleber, von der er erkannte, daſs sie den Anteil an Feuerluft vollständig absorbiert. Er versuchte das Ver- hältnis beider Gase quantitativ zu bestimmen und ermittelte ziemlich richtig ihre specifischen Gewichte. Er zeigte, daſs die Metalle bei ihrer Verkalkung Feuerluft aufnehmen und bei ihrer Reduktion wieder davon befreit werden. So hatte er selbst die Thatsachen erforscht, welche die Unrichtigkeit der Phlogistontheorie erwiesen und doch hielt er an letzterer fest, was freilich nur dadurch möglich war, daſs er dem Begriff Phlogiston eine ganz andere, künstliche Deutung gab.
1)Kopp, a. a. O., Bd. I, S. 260.
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[493/0507]
Chemie des Eisens.
dings 1770 in den Schriften der Akademie abdrucken lieſs, aber in
solcher Fassung, daſs ein groſser Teil des Verdienstes auf Retzius
fallen muſste. Hieraus erklärt sich zur Genüge Scheeles bitteres Gefühl
gegen Bergman, denn er hielt sein Betragen für Geringschätzung.
Nicht ohne Mühe gelang es Bergman, ihn zu überzeugen, daſs nicht
böser Wille, sondern Vergeſslichkeit der Grund des unliebsamen Ereig-
nisses gewesen sei. Nachdem er aber einmal Scheeles Herz gewonnen
hatte, entspann sich daraus eine Freundschaft beider für das Leben
zum Segen der Wissenschaft, der Bergman und Scheele immer
als zwei Sterne erster Gröſse vorleuchten werden. Scheele starb
1786, zwei Jahre nach Bergman, nach kaum zurückgelegtem 43. Lebens-
jahre. Von seinen Entdeckungen haben wir die der Mangansalze
schon genannt, ferner entdeckte er die Molybdän- und die Wolframsäure,
ferner die Barytsalze, die Fluſssäure u. s. w. Eine für die Metallurgie
des Eisens wichtige Arbeit war seine Untersuchung des Graphits.
Er wies 1779 nach, daſs sich derselbe beim Verbrennen mit Salpeter
fast ganz in Kohlensäure verwandle und daſs er, mit Arseniksäure
erhitzt, diese unter Entwickelung von Kohlensäure zu arseniger Säure
reduziere; er schloſs, der Graphit sei eine Art mineralischer Kohle,
welche viel fixe Luft (Kohlensäure) und Phlogiston enthalte. Das
Eisen im Graphit erklärte er für eine zufällige Beimischung. Dagegen
sei der „Kies“ im Guſseisen wirklicher Graphit.
Eine seiner hervorragendsten Arbeiten war seine chemische
Abhandlung über Luft und Feuer 1), welche 1777 im Druck erschien.
Er wies darin nach, daſs die atmosphärische Luft aus zwei ver-
schiedenen Bestandteilen besteht, wovon die eine, von ihm Feuerluft
genannt, die Verbrennung und das Atmen unterhält, während die
andere, welche er verdorbene Luft nannte, nichts zur Unterhaltung
dieser Prozesse beiträgt. Zur Zerlegung der Luft bediente sich Scheele
einer Auflösung von Schwefelleber, von der er erkannte, daſs sie den
Anteil an Feuerluft vollständig absorbiert. Er versuchte das Ver-
hältnis beider Gase quantitativ zu bestimmen und ermittelte ziemlich
richtig ihre specifischen Gewichte. Er zeigte, daſs die Metalle bei
ihrer Verkalkung Feuerluft aufnehmen und bei ihrer Reduktion wieder
davon befreit werden. So hatte er selbst die Thatsachen erforscht,
welche die Unrichtigkeit der Phlogistontheorie erwiesen und doch hielt
er an letzterer fest, was freilich nur dadurch möglich war, daſs er
dem Begriff Phlogiston eine ganz andere, künstliche Deutung gab.
1) Kopp, a. a. O., Bd. I, S. 260.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 493. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/507>, abgerufen am 22.11.2024.
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