Becherianum bei. In diesem wiederholte er bestimmt, dass alle ver- kalkbaren Metalle aus einer brennbaren Substanz und Metallkalk be- stehen, dass das, was wir die Reduktion der Metallkalke nennen, ihre Vereinigung mit dieser brennbaren Substanz ist. Diese brennbare Substanz, die nicht Schwefel, noch Oel, noch Fett an und für sich, auch nicht Feuer schlechthin, sondern nur das Prinzip oder das Ur- sächliche desselben ist, nannte er Phlogiston. Er definiert dieses Phlogiston als materiale et corporeum principium, quod solum cita- tissimo motu ignis fiat. Es ist die Substanz, durch deren Abscheidung die Metalle zu Kalken werden.
Diese Theorie erscheint uns nach unserer jetzigen Kenntnis der chemischen Vorgänge durchaus verkehrt und fast widersinnig und doch war dieselbe ein wesentlicher Fortschritt in der Chemie, weil sie die wichtigsten chemischen Erscheinungen von einem bestimmten und einheitlichen Gesichtspunkte aus betrachtete, prüfte und zusammen- fasste. Das Phlogiston, dieses Grundwesen, die Bedingung der Ver- brennlichkeit, ist in allen brennbaren Substanzen dasselbe: "es ist vor die Augen zu legen", sagt er, "dass sowohl in dem Fett, da man die Schuhe mit schmiert, als in dem Schwefel aus den Bergwerken und allen verbrennlichen halben und ganzen Metallen in der That einerlei und eben dasselbige Wesen sei, was die Verbrennlichkeit eigentlich giebt und machet"; ... und "es ist meines Erachtens das vernunftgemässeste, wenn man es von seiner allgemeinen Wirkung benennt. Und dieserwegen habe ich es mit dem griechischen Namen Phlogiston, zu deutsch brennlich, beleget." -- Bechers Lehre von der fortdauernden Neubildung und dem Wachsen der Metalle in der Erde verwarf Stahl dagegen; nach ihm waren alle "ganghaftig be- findlichen Erze, stracks von Anfang, in die allerweiteste Einteilung, Befestigung und Auszierung der Erde mit eingelegt und eingeschaffen worden".
Stahls Phlogistontheorie fand allgemeine Anerkennung und An- wendung in Europa, wenn auch die französischen Chemiker den Aus- druck Phlogiston nicht annahmen, sondern nach wie vor statt dessen "Schwefel" sagten, obgleich sie dabei nicht wirklichen Schwefel, sondern ebenfalls nur das verbrennliche Prinzip meinten. Zwar er- hoben einzelne bedeutende Chemiker, wie namentlich Fr. Hoffmann und Boerhave, gegen Stahls Erklärung wichtiger Erscheinungen Widerspruch, dies konnte aber die Verbreitung und die Macht der Phlogistontheorie nicht einschränken. Sie war, was in mechanischen Betrieben ein besseres Werkzeug ist, und darin liegt auch ihre histo-
Beck, Geschichte des Eisens. 5
Chemie.
Becherianum bei. In diesem wiederholte er bestimmt, daſs alle ver- kalkbaren Metalle aus einer brennbaren Substanz und Metallkalk be- stehen, daſs das, was wir die Reduktion der Metallkalke nennen, ihre Vereinigung mit dieser brennbaren Substanz ist. Diese brennbare Substanz, die nicht Schwefel, noch Oel, noch Fett an und für sich, auch nicht Feuer schlechthin, sondern nur das Prinzip oder das Ur- sächliche desselben ist, nannte er Phlogiston. Er definiert dieses Phlogiston als materiale et corporeum principium, quod solum cita- tissimo motu ignis fiat. Es ist die Substanz, durch deren Abscheidung die Metalle zu Kalken werden.
Diese Theorie erscheint uns nach unserer jetzigen Kenntnis der chemischen Vorgänge durchaus verkehrt und fast widersinnig und doch war dieselbe ein wesentlicher Fortschritt in der Chemie, weil sie die wichtigsten chemischen Erscheinungen von einem bestimmten und einheitlichen Gesichtspunkte aus betrachtete, prüfte und zusammen- faſste. Das Phlogiston, dieses Grundwesen, die Bedingung der Ver- brennlichkeit, ist in allen brennbaren Substanzen dasselbe: „es ist vor die Augen zu legen“, sagt er, „daſs sowohl in dem Fett, da man die Schuhe mit schmiert, als in dem Schwefel aus den Bergwerken und allen verbrennlichen halben und ganzen Metallen in der That einerlei und eben dasselbige Wesen sei, was die Verbrennlichkeit eigentlich giebt und machet“; … und „es ist meines Erachtens das vernunftgemäſseste, wenn man es von seiner allgemeinen Wirkung benennt. Und dieserwegen habe ich es mit dem griechischen Namen Phlogiston, zu deutsch brennlich, beleget.“ — Bechers Lehre von der fortdauernden Neubildung und dem Wachsen der Metalle in der Erde verwarf Stahl dagegen; nach ihm waren alle „ganghaftig be- findlichen Erze, stracks von Anfang, in die allerweiteste Einteilung, Befestigung und Auszierung der Erde mit eingelegt und eingeschaffen worden“.
Stahls Phlogistontheorie fand allgemeine Anerkennung und An- wendung in Europa, wenn auch die französischen Chemiker den Aus- druck Phlogiston nicht annahmen, sondern nach wie vor statt dessen „Schwefel“ sagten, obgleich sie dabei nicht wirklichen Schwefel, sondern ebenfalls nur das verbrennliche Prinzip meinten. Zwar er- hoben einzelne bedeutende Chemiker, wie namentlich Fr. Hoffmann und Boerhave, gegen Stahls Erklärung wichtiger Erscheinungen Widerspruch, dies konnte aber die Verbreitung und die Macht der Phlogistontheorie nicht einschränken. Sie war, was in mechanischen Betrieben ein besseres Werkzeug ist, und darin liegt auch ihre histo-
Beck, Geschichte des Eisens. 5
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Chemie.
Becherianum bei. In diesem wiederholte er bestimmt, daſs alle ver-
kalkbaren Metalle aus einer brennbaren Substanz und Metallkalk be-
stehen, daſs das, was wir die Reduktion der Metallkalke nennen, ihre
Vereinigung mit dieser brennbaren Substanz ist. Diese brennbare
Substanz, die nicht Schwefel, noch Oel, noch Fett an und für sich,
auch nicht Feuer schlechthin, sondern nur das Prinzip oder das Ur-
sächliche desselben ist, nannte er Phlogiston. Er definiert dieses
Phlogiston als materiale et corporeum principium, quod solum cita-
tissimo motu ignis fiat. Es ist die Substanz, durch deren Abscheidung
die Metalle zu Kalken werden.
Diese Theorie erscheint uns nach unserer jetzigen Kenntnis der
chemischen Vorgänge durchaus verkehrt und fast widersinnig und
doch war dieselbe ein wesentlicher Fortschritt in der Chemie, weil sie
die wichtigsten chemischen Erscheinungen von einem bestimmten und
einheitlichen Gesichtspunkte aus betrachtete, prüfte und zusammen-
faſste. Das Phlogiston, dieses Grundwesen, die Bedingung der Ver-
brennlichkeit, ist in allen brennbaren Substanzen dasselbe: „es ist
vor die Augen zu legen“, sagt er, „daſs sowohl in dem Fett, da man
die Schuhe mit schmiert, als in dem Schwefel aus den Bergwerken
und allen verbrennlichen halben und ganzen Metallen in der That
einerlei und eben dasselbige Wesen sei, was die Verbrennlichkeit
eigentlich giebt und machet“; … und „es ist meines Erachtens das
vernunftgemäſseste, wenn man es von seiner allgemeinen Wirkung
benennt. Und dieserwegen habe ich es mit dem griechischen Namen
Phlogiston, zu deutsch brennlich, beleget.“ — Bechers Lehre von
der fortdauernden Neubildung und dem Wachsen der Metalle in der
Erde verwarf Stahl dagegen; nach ihm waren alle „ganghaftig be-
findlichen Erze, stracks von Anfang, in die allerweiteste Einteilung,
Befestigung und Auszierung der Erde mit eingelegt und eingeschaffen
worden“.
Stahls Phlogistontheorie fand allgemeine Anerkennung und An-
wendung in Europa, wenn auch die französischen Chemiker den Aus-
druck Phlogiston nicht annahmen, sondern nach wie vor statt dessen
„Schwefel“ sagten, obgleich sie dabei nicht wirklichen Schwefel,
sondern ebenfalls nur das verbrennliche Prinzip meinten. Zwar er-
hoben einzelne bedeutende Chemiker, wie namentlich Fr. Hoffmann
und Boerhave, gegen Stahls Erklärung wichtiger Erscheinungen
Widerspruch, dies konnte aber die Verbreitung und die Macht der
Phlogistontheorie nicht einschränken. Sie war, was in mechanischen
Betrieben ein besseres Werkzeug ist, und darin liegt auch ihre histo-
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/79>, abgerufen am 26.11.2024.
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