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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897.

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Die gewerblichen Verhältnisse.

Diese freisinnigen Anschauungen kamen hauptsächlich der Industrie
zu gute, welche sich frei und ungestört in England entfalten konnte
und schon dadurch einen grossen Vorsprung vor der bevormundeten,
polizeilich beaufsichtigten und eingeschränkten Industrie der Konti-
nentalstaaten gewann.

In der Eisenindustrie war die Einteilung der Arbeit, die Zahl der
Arbeiter und ihre Pflichten, so lange man nur die alten Holzkohlen-
hütten und den Frischbetrieb kannte, in allen Ländern ziemlich gleich.

Bei einer Hochofenhütte bestanden die Arbeiter aus dem Hoch-
ofenmeister und seinem Gesellen oder Knecht, der ihn ablöste, und
zwei bis drei Hülfsarbeitern. Der Meister hatte die Zustellung des
Ofens zu besorgen, bestimmte meistens auch den Satz, besorgte das
Abstechen der Schlacken und des Eisens, das Reinigen des Gestelles
und der Form, den Gang der Blasebälge u. s. w. Die Aufgeber
besorgten das Einschütten der Kohlen und des Eisensteins oben in
die Gicht des Ofens; der Pocher besorgte das Pochen des Eisensteins
und der Schlacken zur Gewinnung des Wascheisens, auch hatte er
meistens das Rösten der Erze noch unter sich. Der Kohlenmesser
bediente da, wo Hämmer mit dem Hüttenwerk verbunden waren,
gewöhnlich diese mit. Der Eisenmesser hatte die von den Gruben
angefahrenen Erze und ebenso die Zuschläge in Empfang zu nehmen
und zu vermessen. Wo die Hütte ihre eigene Waldung hatte, liess
sie ihre Kohlen durch eigene Köhler brennen. Die Pflichten der
Hütten- und Hammerbediensteten waren in den Hütten- und Hammer-
ordnungen genau bestimmt.

Die Hüttenarbeiter dienten auf Gedinge und wurden in der Regel
auf ein Jahr gedungen. In Preussen begann das Jahr mit dem ersten
Mai, im Wernigerodischen mit dem ersten Januar. Während dieser
Zeit durften sie nicht aus der Arbeit gehen und anderen Dienst
nehmen. Deshalb durfte kein Hüttenarbeiter, der auf inländischen
Hütten gearbeitet hatte, angenommen werden, wenn er nicht ein Attest
von der Faktorei hatte, dass er ordnungsmässig gekündigt und nicht
von neuem Gedinggeld erhalten hatte. Die Löhnung geschah teils
in barem Gelde, teils in Naturalien, an einigen Orten auch mit Eisen
oder Viktualien. Dieses Trucksystem war sehr allgemein, obgleich es
anerkannt schlecht war und zum Nachteil des Arbeiters, der zu häufig
dabei übervorteilt wurde. Am schlimmsten war die Löhnung mit
Eisen, weil sie den Arbeiter zum Unterschleif herausforderte. Aus
diesen Ursachen war in manchen Ländern, wie in Sachsen, die Aus-
lohnung mit Eisen und Viktualien verboten. Auf den preussischen

Die gewerblichen Verhältnisse.

Diese freisinnigen Anschauungen kamen hauptsächlich der Industrie
zu gute, welche sich frei und ungestört in England entfalten konnte
und schon dadurch einen groſsen Vorsprung vor der bevormundeten,
polizeilich beaufsichtigten und eingeschränkten Industrie der Konti-
nentalstaaten gewann.

In der Eisenindustrie war die Einteilung der Arbeit, die Zahl der
Arbeiter und ihre Pflichten, so lange man nur die alten Holzkohlen-
hütten und den Frischbetrieb kannte, in allen Ländern ziemlich gleich.

Bei einer Hochofenhütte bestanden die Arbeiter aus dem Hoch-
ofenmeister und seinem Gesellen oder Knecht, der ihn ablöste, und
zwei bis drei Hülfsarbeitern. Der Meister hatte die Zustellung des
Ofens zu besorgen, bestimmte meistens auch den Satz, besorgte das
Abstechen der Schlacken und des Eisens, das Reinigen des Gestelles
und der Form, den Gang der Blasebälge u. s. w. Die Aufgeber
besorgten das Einschütten der Kohlen und des Eisensteins oben in
die Gicht des Ofens; der Pocher besorgte das Pochen des Eisensteins
und der Schlacken zur Gewinnung des Wascheisens, auch hatte er
meistens das Rösten der Erze noch unter sich. Der Kohlenmesser
bediente da, wo Hämmer mit dem Hüttenwerk verbunden waren,
gewöhnlich diese mit. Der Eisenmesser hatte die von den Gruben
angefahrenen Erze und ebenso die Zuschläge in Empfang zu nehmen
und zu vermessen. Wo die Hütte ihre eigene Waldung hatte, lieſs
sie ihre Kohlen durch eigene Köhler brennen. Die Pflichten der
Hütten- und Hammerbediensteten waren in den Hütten- und Hammer-
ordnungen genau bestimmt.

Die Hüttenarbeiter dienten auf Gedinge und wurden in der Regel
auf ein Jahr gedungen. In Preuſsen begann das Jahr mit dem ersten
Mai, im Wernigerodischen mit dem ersten Januar. Während dieser
Zeit durften sie nicht aus der Arbeit gehen und anderen Dienst
nehmen. Deshalb durfte kein Hüttenarbeiter, der auf inländischen
Hütten gearbeitet hatte, angenommen werden, wenn er nicht ein Attest
von der Faktorei hatte, daſs er ordnungsmäſsig gekündigt und nicht
von neuem Gedinggeld erhalten hatte. Die Löhnung geschah teils
in barem Gelde, teils in Naturalien, an einigen Orten auch mit Eisen
oder Viktualien. Dieses Trucksystem war sehr allgemein, obgleich es
anerkannt schlecht war und zum Nachteil des Arbeiters, der zu häufig
dabei übervorteilt wurde. Am schlimmsten war die Löhnung mit
Eisen, weil sie den Arbeiter zum Unterschleif herausforderte. Aus
diesen Ursachen war in manchen Ländern, wie in Sachsen, die Aus-
lohnung mit Eisen und Viktualien verboten. Auf den preuſsischen

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[783/0797] Die gewerblichen Verhältnisse. Diese freisinnigen Anschauungen kamen hauptsächlich der Industrie zu gute, welche sich frei und ungestört in England entfalten konnte und schon dadurch einen groſsen Vorsprung vor der bevormundeten, polizeilich beaufsichtigten und eingeschränkten Industrie der Konti- nentalstaaten gewann. In der Eisenindustrie war die Einteilung der Arbeit, die Zahl der Arbeiter und ihre Pflichten, so lange man nur die alten Holzkohlen- hütten und den Frischbetrieb kannte, in allen Ländern ziemlich gleich. Bei einer Hochofenhütte bestanden die Arbeiter aus dem Hoch- ofenmeister und seinem Gesellen oder Knecht, der ihn ablöste, und zwei bis drei Hülfsarbeitern. Der Meister hatte die Zustellung des Ofens zu besorgen, bestimmte meistens auch den Satz, besorgte das Abstechen der Schlacken und des Eisens, das Reinigen des Gestelles und der Form, den Gang der Blasebälge u. s. w. Die Aufgeber besorgten das Einschütten der Kohlen und des Eisensteins oben in die Gicht des Ofens; der Pocher besorgte das Pochen des Eisensteins und der Schlacken zur Gewinnung des Wascheisens, auch hatte er meistens das Rösten der Erze noch unter sich. Der Kohlenmesser bediente da, wo Hämmer mit dem Hüttenwerk verbunden waren, gewöhnlich diese mit. Der Eisenmesser hatte die von den Gruben angefahrenen Erze und ebenso die Zuschläge in Empfang zu nehmen und zu vermessen. Wo die Hütte ihre eigene Waldung hatte, lieſs sie ihre Kohlen durch eigene Köhler brennen. Die Pflichten der Hütten- und Hammerbediensteten waren in den Hütten- und Hammer- ordnungen genau bestimmt. Die Hüttenarbeiter dienten auf Gedinge und wurden in der Regel auf ein Jahr gedungen. In Preuſsen begann das Jahr mit dem ersten Mai, im Wernigerodischen mit dem ersten Januar. Während dieser Zeit durften sie nicht aus der Arbeit gehen und anderen Dienst nehmen. Deshalb durfte kein Hüttenarbeiter, der auf inländischen Hütten gearbeitet hatte, angenommen werden, wenn er nicht ein Attest von der Faktorei hatte, daſs er ordnungsmäſsig gekündigt und nicht von neuem Gedinggeld erhalten hatte. Die Löhnung geschah teils in barem Gelde, teils in Naturalien, an einigen Orten auch mit Eisen oder Viktualien. Dieses Trucksystem war sehr allgemein, obgleich es anerkannt schlecht war und zum Nachteil des Arbeiters, der zu häufig dabei übervorteilt wurde. Am schlimmsten war die Löhnung mit Eisen, weil sie den Arbeiter zum Unterschleif herausforderte. Aus diesen Ursachen war in manchen Ländern, wie in Sachsen, die Aus- lohnung mit Eisen und Viktualien verboten. Auf den preuſsischen

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 783. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/797>, abgerufen am 22.11.2024.