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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897.

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Westfalen und die Rheinlande.

Die Reckhämmer in der Grafschaft Mark besorgten das Raf-
finieren des Stahles, das Ausschmieden des Stabeisens und des Stahles
in übliche Handelsformen. Die Hammerwerke machten den grössten
und wichtigsten Industriezweig des Landes aus, der auf die zahl-
reichen Wassergefälle und die einheimischen guten und billigen Stein-
kohlen begründet war. Es gab zu Ende des Jahrhunderts über
160 Hämmer in der Grafschaft.

Die Reckeisenschmiede verwandelten teils inländisches, teils
fremdes Eisen, namentlich Siegensches Reckeisen und Stabeisen in
kleingerecktes Eisen, als Bügel-, Schnallen-, Nageleisen u. s. w., oder
in Breit- und in Bandeisen.

Die Bandeisenschmiederei war erst in den 70er Jahren aus
dem Gimborn-Neustädtischen eingeführt worden. 1798 lieferten 4 Band-
eisenhämmer für 20000 Thlr. Ware.

Die Breitschmiede arbeiteten auf ihren "Bredde-hämmern" den
Schloss-, Schippen-, Sägen-, Pfannen- und Flintenlaufschmieden das
Eisen im Rauhen vor. Dazu benutzten sie Osemund-Knüppeleisen,
welches ein unübertreffliches Material dafür abgab. Diese Fabrikation,
die früher im Bergischen heimisch war, wurde erst in den 60er Jahren
in der Grafschaft Mark aufgenommen und mit solchem Erfolg, dass
die Breithämmer im Bergischen nach und nach alle eingingen. 1798
wurden 8182 Ctr. gebreitetes Eisen und Stahl zur Hälfte in den
Fabriken der Grafschaft Mark zu Schaufeln, Sägeblättern, Spaten,
Flinten u. s. w. weiter verarbeitet, zur anderen Hälfte in das Essensche,
Bergische etc. abgesetzt.

Die Ambossschmiede, die ausser Ambossen noch vielerlei
schwere Schmiedestücke, wie Wellen- und Krummzapfen, Mühlen-
eisen u. s. w. machten, waren ein blühendes Gewerbe, das hauptsächlich
für die Industrie selbst wieder arbeitete.

Am bedeutendsten war aber die Reckstahl-Fabrikation. Sie
zerfiel in Bördenstahl-Hämmer, die den Bördenstahl (von Börde,
Gebund von 118 Pfd. Gewicht), welcher das Material für die Stahl-
drahtfabrik in Altena lieferte, schmiedeten; -- Stahlhämmer für
den auswärtigen Handel, deren es die meisten gab, und Stahl-
hämmer für den inländischen Bedarf, die Sensen-, Sägen-, Beil-,
Feilen-, Messer-, Federstahl u. s. w. machten. Die Bördenstahlfabri-
kation hatte ihren Sitz in Altena.

Das Stahlraffinieren war erst in dem letzten Viertel des
17. Jahrhunderts aus dem Bergischen nach der Mark gebracht worden,
und zwar von Ibach und Clemens Bertram. Ibach hatte sich bei

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Westfalen und die Rheinlande.

Die Reckhämmer in der Grafschaft Mark besorgten das Raf-
finieren des Stahles, das Ausschmieden des Stabeisens und des Stahles
in übliche Handelsformen. Die Hammerwerke machten den gröſsten
und wichtigsten Industriezweig des Landes aus, der auf die zahl-
reichen Wassergefälle und die einheimischen guten und billigen Stein-
kohlen begründet war. Es gab zu Ende des Jahrhunderts über
160 Hämmer in der Grafschaft.

Die Reckeisenschmiede verwandelten teils inländisches, teils
fremdes Eisen, namentlich Siegensches Reckeisen und Stabeisen in
kleingerecktes Eisen, als Bügel-, Schnallen-, Nageleisen u. s. w., oder
in Breit- und in Bandeisen.

Die Bandeisenschmiederei war erst in den 70er Jahren aus
dem Gimborn-Neustädtischen eingeführt worden. 1798 lieferten 4 Band-
eisenhämmer für 20000 Thlr. Ware.

Die Breitschmiede arbeiteten auf ihren „Bredde-hämmern“ den
Schloſs-, Schippen-, Sägen-, Pfannen- und Flintenlaufschmieden das
Eisen im Rauhen vor. Dazu benutzten sie Osemund-Knüppeleisen,
welches ein unübertreffliches Material dafür abgab. Diese Fabrikation,
die früher im Bergischen heimisch war, wurde erst in den 60er Jahren
in der Grafschaft Mark aufgenommen und mit solchem Erfolg, daſs
die Breithämmer im Bergischen nach und nach alle eingingen. 1798
wurden 8182 Ctr. gebreitetes Eisen und Stahl zur Hälfte in den
Fabriken der Grafschaft Mark zu Schaufeln, Sägeblättern, Spaten,
Flinten u. s. w. weiter verarbeitet, zur anderen Hälfte in das Essensche,
Bergische etc. abgesetzt.

Die Amboſsschmiede, die auſser Ambossen noch vielerlei
schwere Schmiedestücke, wie Wellen- und Krummzapfen, Mühlen-
eisen u. s. w. machten, waren ein blühendes Gewerbe, das hauptsächlich
für die Industrie selbst wieder arbeitete.

Am bedeutendsten war aber die Reckstahl-Fabrikation. Sie
zerfiel in Bördenstahl-Hämmer, die den Bördenstahl (von Börde,
Gebund von 118 Pfd. Gewicht), welcher das Material für die Stahl-
drahtfabrik in Altena lieferte, schmiedeten; — Stahlhämmer für
den auswärtigen Handel, deren es die meisten gab, und Stahl-
hämmer für den inländischen Bedarf, die Sensen-, Sägen-, Beil-,
Feilen-, Messer-, Federstahl u. s. w. machten. Die Bördenstahlfabri-
kation hatte ihren Sitz in Altena.

Das Stahlraffinieren war erst in dem letzten Viertel des
17. Jahrhunderts aus dem Bergischen nach der Mark gebracht worden,
und zwar von Ibach und Clemens Bertram. Ibach hatte sich bei

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[947/0961] Westfalen und die Rheinlande. Die Reckhämmer in der Grafschaft Mark besorgten das Raf- finieren des Stahles, das Ausschmieden des Stabeisens und des Stahles in übliche Handelsformen. Die Hammerwerke machten den gröſsten und wichtigsten Industriezweig des Landes aus, der auf die zahl- reichen Wassergefälle und die einheimischen guten und billigen Stein- kohlen begründet war. Es gab zu Ende des Jahrhunderts über 160 Hämmer in der Grafschaft. Die Reckeisenschmiede verwandelten teils inländisches, teils fremdes Eisen, namentlich Siegensches Reckeisen und Stabeisen in kleingerecktes Eisen, als Bügel-, Schnallen-, Nageleisen u. s. w., oder in Breit- und in Bandeisen. Die Bandeisenschmiederei war erst in den 70er Jahren aus dem Gimborn-Neustädtischen eingeführt worden. 1798 lieferten 4 Band- eisenhämmer für 20000 Thlr. Ware. Die Breitschmiede arbeiteten auf ihren „Bredde-hämmern“ den Schloſs-, Schippen-, Sägen-, Pfannen- und Flintenlaufschmieden das Eisen im Rauhen vor. Dazu benutzten sie Osemund-Knüppeleisen, welches ein unübertreffliches Material dafür abgab. Diese Fabrikation, die früher im Bergischen heimisch war, wurde erst in den 60er Jahren in der Grafschaft Mark aufgenommen und mit solchem Erfolg, daſs die Breithämmer im Bergischen nach und nach alle eingingen. 1798 wurden 8182 Ctr. gebreitetes Eisen und Stahl zur Hälfte in den Fabriken der Grafschaft Mark zu Schaufeln, Sägeblättern, Spaten, Flinten u. s. w. weiter verarbeitet, zur anderen Hälfte in das Essensche, Bergische etc. abgesetzt. Die Amboſsschmiede, die auſser Ambossen noch vielerlei schwere Schmiedestücke, wie Wellen- und Krummzapfen, Mühlen- eisen u. s. w. machten, waren ein blühendes Gewerbe, das hauptsächlich für die Industrie selbst wieder arbeitete. Am bedeutendsten war aber die Reckstahl-Fabrikation. Sie zerfiel in Bördenstahl-Hämmer, die den Bördenstahl (von Börde, Gebund von 118 Pfd. Gewicht), welcher das Material für die Stahl- drahtfabrik in Altena lieferte, schmiedeten; — Stahlhämmer für den auswärtigen Handel, deren es die meisten gab, und Stahl- hämmer für den inländischen Bedarf, die Sensen-, Sägen-, Beil-, Feilen-, Messer-, Federstahl u. s. w. machten. Die Bördenstahlfabri- kation hatte ihren Sitz in Altena. Das Stahlraffinieren war erst in dem letzten Viertel des 17. Jahrhunderts aus dem Bergischen nach der Mark gebracht worden, und zwar von Ibach und Clemens Bertram. Ibach hatte sich bei 60*

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 947. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/961>, abgerufen am 22.11.2024.