Brennmaterial bewährte sich nur Koks. Holzkohlen gaben nicht die genügende Hitze. Die Öfen waren in der Regel nur so gross, dass sie einen Tiegel fassten. Die Flammöfen, die man selten zum Stahl- schmelzen anwendete, waren klein und so gebaut, dass der Rost in der Mitte lag und auf jeder Seite zwei Tiegel standen. Sie hatten Ähnlichkeit mit den Glasöfen. Die Feuerung geschah mit Steinkohlen. Das Einsetzen und Herausnehmen der Tiegel erfolgte durch Öffnungen in den Seitenwänden des Ofens, welche während des Schmelzens mit Ziegeln zugemauert wurden. Ebenso waren seitlich Züge angebracht, damit die Tiegel von allen Seiten von der Flamme umspült wurden. Alle Züge vereinigten sich unter einer Kuppel, die mit einer hohen Esse verbunden war 1). Das wichtigste Hülfsmittel der Gussstahl- fabrikation waren die Tiegel. Am besten bewährten sich die Ipser Graphittiegel, welche nicht nur sehr feuerbeständig waren, sondern auch die grossen Temperaturveränderungen am besten aushielten. Wo dieselben aber nicht billig zu beschaffen waren, musste man Thon- tiegel nehmen. Von diesen erwiesen sich die gepressten besser als die aus freier Hand gearbeiteten. Die Stahlschmelztiegel pflegten 21 cm hoch und 13 cm weit zu sein und 15 bis 20 kg zu fassen.
In früherer Zeit hatte man dem Flusse, den man zusetzte, die grösste Wichtigkeit beigelegt und denselben geheim gehalten. Die Er- fahrung hatte aber gelehrt, dass dies eine Täuschung war und dass jeder indifferente Fluss anwendbar war. Reines Glas gab die beste Schutz- decke; bei gutverschlossenen Tiegeln bedurfte man aber überhaupt keiner Flussdecke. Im kleinen hatte Lampadius guten Gussstahl aus feinstem Cementstahl mit etwas Kreide und Borax in hessischen Tiegeln geschmolzen. Die Beschickung betrug auf 1 Pfd. Cementstahl 1 Unze Borax und 1/2 Unze Kreidepulver.
Tiemann auf der Karlshütte bei Einbeck hatte 1804 eine Methode der Gussstahlbereitung erfunden, welche angeblich die eng- lische übertreffen sollte. Das Verfahren wurde 1810 in dem damaligen Königreich Westfalen bekannt gemacht und auch in Anwendung gebracht 2). Doch hatte man grosse Schwierigkeiten mit der Her- stellung haltbarer Tiegel, und verlautet von Erfolgen nichts.
Die ersten geschäftlichen Erfolge hatte ein Ratsherr Johann
1)Hassenfratz, T. IV, p. 94.
2) Siehe Bericht des Finanzministers von Bülow an den König vom 7. Sep- tember 1810, abgedruckt im Neuen Journal für Fabriken etc., IV, Oktober 1810, S. 356.
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Stahlbereitung 1801 bis 1815.
Brennmaterial bewährte sich nur Koks. Holzkohlen gaben nicht die genügende Hitze. Die Öfen waren in der Regel nur so groſs, daſs sie einen Tiegel faſsten. Die Flammöfen, die man selten zum Stahl- schmelzen anwendete, waren klein und so gebaut, daſs der Rost in der Mitte lag und auf jeder Seite zwei Tiegel standen. Sie hatten Ähnlichkeit mit den Glasöfen. Die Feuerung geschah mit Steinkohlen. Das Einsetzen und Herausnehmen der Tiegel erfolgte durch Öffnungen in den Seitenwänden des Ofens, welche während des Schmelzens mit Ziegeln zugemauert wurden. Ebenso waren seitlich Züge angebracht, damit die Tiegel von allen Seiten von der Flamme umspült wurden. Alle Züge vereinigten sich unter einer Kuppel, die mit einer hohen Esse verbunden war 1). Das wichtigste Hülfsmittel der Guſsstahl- fabrikation waren die Tiegel. Am besten bewährten sich die Ipser Graphittiegel, welche nicht nur sehr feuerbeständig waren, sondern auch die groſsen Temperaturveränderungen am besten aushielten. Wo dieselben aber nicht billig zu beschaffen waren, muſste man Thon- tiegel nehmen. Von diesen erwiesen sich die gepreſsten besser als die aus freier Hand gearbeiteten. Die Stahlschmelztiegel pflegten 21 cm hoch und 13 cm weit zu sein und 15 bis 20 kg zu fassen.
In früherer Zeit hatte man dem Flusse, den man zusetzte, die gröſste Wichtigkeit beigelegt und denselben geheim gehalten. Die Er- fahrung hatte aber gelehrt, daſs dies eine Täuschung war und daſs jeder indifferente Fluſs anwendbar war. Reines Glas gab die beste Schutz- decke; bei gutverschlossenen Tiegeln bedurfte man aber überhaupt keiner Fluſsdecke. Im kleinen hatte Lampadius guten Guſsstahl aus feinstem Cementstahl mit etwas Kreide und Borax in hessischen Tiegeln geschmolzen. Die Beschickung betrug auf 1 Pfd. Cementstahl 1 Unze Borax und ½ Unze Kreidepulver.
Tiemann auf der Karlshütte bei Einbeck hatte 1804 eine Methode der Guſsstahlbereitung erfunden, welche angeblich die eng- lische übertreffen sollte. Das Verfahren wurde 1810 in dem damaligen Königreich Westfalen bekannt gemacht und auch in Anwendung gebracht 2). Doch hatte man groſse Schwierigkeiten mit der Her- stellung haltbarer Tiegel, und verlautet von Erfolgen nichts.
Die ersten geschäftlichen Erfolge hatte ein Ratsherr Johann
1)Hassenfratz, T. IV, p. 94.
2) Siehe Bericht des Finanzministers von Bülow an den König vom 7. Sep- tember 1810, abgedruckt im Neuen Journal für Fabriken etc., IV, Oktober 1810, S. 356.
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Stahlbereitung 1801 bis 1815.
Brennmaterial bewährte sich nur Koks. Holzkohlen gaben nicht die
genügende Hitze. Die Öfen waren in der Regel nur so groſs, daſs
sie einen Tiegel faſsten. Die Flammöfen, die man selten zum Stahl-
schmelzen anwendete, waren klein und so gebaut, daſs der Rost in
der Mitte lag und auf jeder Seite zwei Tiegel standen. Sie hatten
Ähnlichkeit mit den Glasöfen. Die Feuerung geschah mit Steinkohlen.
Das Einsetzen und Herausnehmen der Tiegel erfolgte durch Öffnungen
in den Seitenwänden des Ofens, welche während des Schmelzens mit
Ziegeln zugemauert wurden. Ebenso waren seitlich Züge angebracht,
damit die Tiegel von allen Seiten von der Flamme umspült wurden.
Alle Züge vereinigten sich unter einer Kuppel, die mit einer hohen
Esse verbunden war 1). Das wichtigste Hülfsmittel der Guſsstahl-
fabrikation waren die Tiegel. Am besten bewährten sich die Ipser
Graphittiegel, welche nicht nur sehr feuerbeständig waren, sondern
auch die groſsen Temperaturveränderungen am besten aushielten. Wo
dieselben aber nicht billig zu beschaffen waren, muſste man Thon-
tiegel nehmen. Von diesen erwiesen sich die gepreſsten besser als
die aus freier Hand gearbeiteten. Die Stahlschmelztiegel pflegten
21 cm hoch und 13 cm weit zu sein und 15 bis 20 kg zu fassen.
In früherer Zeit hatte man dem Flusse, den man zusetzte, die
gröſste Wichtigkeit beigelegt und denselben geheim gehalten. Die Er-
fahrung hatte aber gelehrt, daſs dies eine Täuschung war und daſs jeder
indifferente Fluſs anwendbar war. Reines Glas gab die beste Schutz-
decke; bei gutverschlossenen Tiegeln bedurfte man aber überhaupt
keiner Fluſsdecke. Im kleinen hatte Lampadius guten Guſsstahl
aus feinstem Cementstahl mit etwas Kreide und Borax in hessischen
Tiegeln geschmolzen. Die Beschickung betrug auf 1 Pfd. Cementstahl
1 Unze Borax und ½ Unze Kreidepulver.
Tiemann auf der Karlshütte bei Einbeck hatte 1804 eine
Methode der Guſsstahlbereitung erfunden, welche angeblich die eng-
lische übertreffen sollte. Das Verfahren wurde 1810 in dem damaligen
Königreich Westfalen bekannt gemacht und auch in Anwendung
gebracht 2). Doch hatte man groſse Schwierigkeiten mit der Her-
stellung haltbarer Tiegel, und verlautet von Erfolgen nichts.
Die ersten geschäftlichen Erfolge hatte ein Ratsherr Johann
1) Hassenfratz, T. IV, p. 94.
2) Siehe Bericht des Finanzministers von Bülow an den König vom 7. Sep-
tember 1810, abgedruckt im Neuen Journal für Fabriken etc., IV, Oktober 1810,
S. 356.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/147>, abgerufen am 24.11.2024.
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