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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899.

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Die Physik des Eisens 1816 bis 1830.

Überblickt man die Ergebnisse der zahlreichen Festigkeitsver-
suche, so fallen zunächst die grossen Abweichungen auf. Diese sind
grösstenteils darin begründet, dass die untersuchten Eisensorten wirk-
lich von sehr verschiedener Qualität waren, zum Teil war aber auch
die Verschiedenheit der Untersuchungsmethoden und der Umstände
daran schuld.

Es war ja auch schon vorher bekannt, dass die gebräuchlichen
Namen Schmiedeeisen, Stahl und Gusseisen Metallgruppen von sehr
verschiedener Güte umfassten. Der zahlenmässige Nachweis, welchen
die Festigkeitsversuche hierfür erbrachten, hat die Aufmerksamkeit
sowohl der Metallurgen als der Ingenieure darauf gelenkt, wie wichtig
die Herstellung und die Verwendung eines gleichmässigen Materials
ist. Diese Erfahrung ist zu einem Grundsatz geworden, welcher die
moderne Eisenindustrie beherrscht.

Über die absolute Elasticität des Stabeisens haben Tredgold
und Duleau Versuche mit Stäben angestellt. Tredgold fand, dass
gutes englisches Stabeisen von 1 Quadratzoll rheinisch Querschnitt
mit 18233 Pfund belastet werden konnte, ohne dass eine bleibende
Formveränderung eintrat. Es hatte dabei eine Ausdehnung von 1/1400
seiner Länge erfahren, war aber nach Entfernung der Zugkraft wieder
zu seiner ursprünglichen Länge zurückgekehrt. Das Ausdehnungs-
verhältnis bei dieser Belastung war also 1:1000714. Dulong fand
dasselbe unter den gleichen Bedingungen zu 1:1000620. Wurde die
angegebene Belastung erhöht, so begann eine bleibende Längenausdeh-
nung einzutreten.

Viel stärker als die gröberen Eisensorten lassen sich dünnere Drähte
im Verhältnis belasten, ehe die Elasticitätsgrenze erreicht wird. Hier-
über hatten Dufour 1) und Seguin 2) Versuche angestellt. Dufour
hatte Draht von Laferriere und St. Gingolf genommen und gefunden,
dass die Verlängerung des Drahtes eintrat, wenn derselbe mit 2/3 des
Gewichtes belastet wurde, bei welcher er zerriss. Sehr verschieden
war das Verhalten von ausgeglühtem und nicht ausgeglühtem Draht.
Der nicht ausgeglühte Draht zeigte eine viel höhere absolute Festig-
keit; dabei war aber die Ausdehnung von nicht ausgeglühtem Draht
nur sehr unbedeutend, während der ausgeglühte Draht sich 1/9 bis 1/8
seiner ursprünglichen Länge ausdehnte.


1) Siehe Description du Pont suspendu en fil de fer construit a Geneve par
Dufour. Geneve 1824.
2) Des Ponts en fil de fer par Seguin aine d'Annonay. Paris 1824.
Beck, Geschichte des Eisens. 14
Die Physik des Eisens 1816 bis 1830.

Überblickt man die Ergebnisse der zahlreichen Festigkeitsver-
suche, so fallen zunächst die groſsen Abweichungen auf. Diese sind
gröſstenteils darin begründet, daſs die untersuchten Eisensorten wirk-
lich von sehr verschiedener Qualität waren, zum Teil war aber auch
die Verschiedenheit der Untersuchungsmethoden und der Umstände
daran schuld.

Es war ja auch schon vorher bekannt, daſs die gebräuchlichen
Namen Schmiedeeisen, Stahl und Guſseisen Metallgruppen von sehr
verschiedener Güte umfaſsten. Der zahlenmäſsige Nachweis, welchen
die Festigkeitsversuche hierfür erbrachten, hat die Aufmerksamkeit
sowohl der Metallurgen als der Ingenieure darauf gelenkt, wie wichtig
die Herstellung und die Verwendung eines gleichmäſsigen Materials
ist. Diese Erfahrung ist zu einem Grundsatz geworden, welcher die
moderne Eisenindustrie beherrscht.

Über die absolute Elasticität des Stabeisens haben Tredgold
und Duleau Versuche mit Stäben angestellt. Tredgold fand, daſs
gutes englisches Stabeisen von 1 Quadratzoll rheinisch Querschnitt
mit 18233 Pfund belastet werden konnte, ohne daſs eine bleibende
Formveränderung eintrat. Es hatte dabei eine Ausdehnung von 1/1400
seiner Länge erfahren, war aber nach Entfernung der Zugkraft wieder
zu seiner ursprünglichen Länge zurückgekehrt. Das Ausdehnungs-
verhältnis bei dieser Belastung war also 1:1000714. Dulong fand
dasselbe unter den gleichen Bedingungen zu 1:1000620. Wurde die
angegebene Belastung erhöht, so begann eine bleibende Längenausdeh-
nung einzutreten.

Viel stärker als die gröberen Eisensorten lassen sich dünnere Drähte
im Verhältnis belasten, ehe die Elasticitätsgrenze erreicht wird. Hier-
über hatten Dufour 1) und Seguin 2) Versuche angestellt. Dufour
hatte Draht von Laferrière und St. Gingolf genommen und gefunden,
daſs die Verlängerung des Drahtes eintrat, wenn derselbe mit ⅔ des
Gewichtes belastet wurde, bei welcher er zerriſs. Sehr verschieden
war das Verhalten von ausgeglühtem und nicht ausgeglühtem Draht.
Der nicht ausgeglühte Draht zeigte eine viel höhere absolute Festig-
keit; dabei war aber die Ausdehnung von nicht ausgeglühtem Draht
nur sehr unbedeutend, während der ausgeglühte Draht sich 1/9 bis ⅛
seiner ursprünglichen Länge ausdehnte.


1) Siehe Description du Pont suspendu en fil de fer construit à Genève par
Dufour. Genève 1824.
2) Des Ponts en fil de fer par Seguin ainé d’Annonay. Paris 1824.
Beck, Geschichte des Eisens. 14
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[209/0225] Die Physik des Eisens 1816 bis 1830. Überblickt man die Ergebnisse der zahlreichen Festigkeitsver- suche, so fallen zunächst die groſsen Abweichungen auf. Diese sind gröſstenteils darin begründet, daſs die untersuchten Eisensorten wirk- lich von sehr verschiedener Qualität waren, zum Teil war aber auch die Verschiedenheit der Untersuchungsmethoden und der Umstände daran schuld. Es war ja auch schon vorher bekannt, daſs die gebräuchlichen Namen Schmiedeeisen, Stahl und Guſseisen Metallgruppen von sehr verschiedener Güte umfaſsten. Der zahlenmäſsige Nachweis, welchen die Festigkeitsversuche hierfür erbrachten, hat die Aufmerksamkeit sowohl der Metallurgen als der Ingenieure darauf gelenkt, wie wichtig die Herstellung und die Verwendung eines gleichmäſsigen Materials ist. Diese Erfahrung ist zu einem Grundsatz geworden, welcher die moderne Eisenindustrie beherrscht. Über die absolute Elasticität des Stabeisens haben Tredgold und Duleau Versuche mit Stäben angestellt. Tredgold fand, daſs gutes englisches Stabeisen von 1 Quadratzoll rheinisch Querschnitt mit 18233 Pfund belastet werden konnte, ohne daſs eine bleibende Formveränderung eintrat. Es hatte dabei eine Ausdehnung von 1/1400 seiner Länge erfahren, war aber nach Entfernung der Zugkraft wieder zu seiner ursprünglichen Länge zurückgekehrt. Das Ausdehnungs- verhältnis bei dieser Belastung war also 1:1000714. Dulong fand dasselbe unter den gleichen Bedingungen zu 1:1000620. Wurde die angegebene Belastung erhöht, so begann eine bleibende Längenausdeh- nung einzutreten. Viel stärker als die gröberen Eisensorten lassen sich dünnere Drähte im Verhältnis belasten, ehe die Elasticitätsgrenze erreicht wird. Hier- über hatten Dufour 1) und Seguin 2) Versuche angestellt. Dufour hatte Draht von Laferrière und St. Gingolf genommen und gefunden, daſs die Verlängerung des Drahtes eintrat, wenn derselbe mit ⅔ des Gewichtes belastet wurde, bei welcher er zerriſs. Sehr verschieden war das Verhalten von ausgeglühtem und nicht ausgeglühtem Draht. Der nicht ausgeglühte Draht zeigte eine viel höhere absolute Festig- keit; dabei war aber die Ausdehnung von nicht ausgeglühtem Draht nur sehr unbedeutend, während der ausgeglühte Draht sich 1/9 bis ⅛ seiner ursprünglichen Länge ausdehnte. 1) Siehe Description du Pont suspendu en fil de fer construit à Genève par Dufour. Genève 1824. 2) Des Ponts en fil de fer par Seguin ainé d’Annonay. Paris 1824. Beck, Geschichte des Eisens. 14

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/225>, abgerufen am 24.11.2024.