decke der Wirkung des Windes und muss oft aufgebrochen werden, um zu frischen. Hierbei lässt sich aber auch der Zeitpunkt der Stahlbildung nicht so leicht verfehlen, als bei dem grauen, welches langsam einschmilzt und gleich gart. Den chemischen Vorgang erklärt Stünckel nach der herrschenden Anschauung seiner Zeit in der Weise, dass sich der in dem Roheisen vorhandene Sauerstoff mit dem Mangan verbunden ausschmelze und reines Eisen mit Kohlen- stoff zurückbleibe. Sei ein Überschuss an Mangan vorhanden, so bleibe dieser im Stahl und bewirke, dass dieser besser im Feuer stehe, wie dies ein besonderer Vorzug des deutschen Stahls sei. Die Chemiker suchten seit jener Zeit den Mangangehalt im Roheisen quantitativ zu bestimmen, wie aus den von Hassenfratz mitgeteilten Roheisenanalysen hervorgeht 1).
Diese theoretischen Untersuchungen waren von grosser Bedeutung; dass sie aber in Deutschland und Frankreich damals einen besonderen Einfluss auf die Praxis geübt hätten, lässt sich nicht nachweisen. Die Praxis war der Theorie vorausgeeilt und letztere diente nur zur Auf- klärung der gebräuchlichen Verfahren. In England nahm dagegen der unermüdliche John Wilkinson auf den künstlichen Zusatz von Mangan ein Patent und gründete darauf eine neue Darstellungsweise. Sein Patent (Nr. 3097) vom 23. Januar 1808 ist erteilt für die Be- reitung von Roh- und Gusseisen, um daraus Stabeisen von gleicher Güte, wie das russische, darzustellen. Die Erfindung besteht in der Anwendung von Mangan oder manganhaltigen Erzen als Zusatz zu den Eisenerzen.
Im zweiten Decennium des 19. Jahrhunderts hat sich Karsten in seiner Eisenhüttenkunde 1816 am deutlichsten über die wichtige Rolle des Mangans ausgesprochen. Er steht dabei ziemlich auf dem Standpunkt Stünckels. Nach ihm teilt das Mangan dem Eisen mehr Härte mit, ohne seiner Geschmeidigkeit und Zähigkeit Abbruch zu thun. Es mache ferner das Roheisen leichtflüssiger, weiss und strahlig. Das natürliche weisse Roheisen ist nach Karsten Eisen, welches mit Mangan und Kohle verbunden ist. Das Mangan besitze die Eigen- schaft, Roheisen weiss zu färben, im höchsten Grade und bei einem hohen Mangangehalt der Eisenerze sei es, auch bei dem garsten Gange des Hochofens, ganz unmöglich, graues Eisen zu produzieren. Er vermutet, dass sich das Mangan in jedem Verhältnis mit dem Eisen mischen lasse. Das weisse Roheisen, welches kein Mangan
1) Siderotechnie I, p. 50 u. 51.
Chemie 1801 bis 1815.
decke der Wirkung des Windes und muſs oft aufgebrochen werden, um zu frischen. Hierbei läſst sich aber auch der Zeitpunkt der Stahlbildung nicht so leicht verfehlen, als bei dem grauen, welches langsam einschmilzt und gleich gart. Den chemischen Vorgang erklärt Stünckel nach der herrschenden Anschauung seiner Zeit in der Weise, daſs sich der in dem Roheisen vorhandene Sauerstoff mit dem Mangan verbunden ausschmelze und reines Eisen mit Kohlen- stoff zurückbleibe. Sei ein Überschuſs an Mangan vorhanden, so bleibe dieser im Stahl und bewirke, daſs dieser besser im Feuer stehe, wie dies ein besonderer Vorzug des deutschen Stahls sei. Die Chemiker suchten seit jener Zeit den Mangangehalt im Roheisen quantitativ zu bestimmen, wie aus den von Hassenfratz mitgeteilten Roheisenanalysen hervorgeht 1).
Diese theoretischen Untersuchungen waren von groſser Bedeutung; daſs sie aber in Deutschland und Frankreich damals einen besonderen Einfluſs auf die Praxis geübt hätten, läſst sich nicht nachweisen. Die Praxis war der Theorie vorausgeeilt und letztere diente nur zur Auf- klärung der gebräuchlichen Verfahren. In England nahm dagegen der unermüdliche John Wilkinson auf den künstlichen Zusatz von Mangan ein Patent und gründete darauf eine neue Darstellungsweise. Sein Patent (Nr. 3097) vom 23. Januar 1808 ist erteilt für die Be- reitung von Roh- und Guſseisen, um daraus Stabeisen von gleicher Güte, wie das russische, darzustellen. Die Erfindung besteht in der Anwendung von Mangan oder manganhaltigen Erzen als Zusatz zu den Eisenerzen.
Im zweiten Decennium des 19. Jahrhunderts hat sich Karsten in seiner Eisenhüttenkunde 1816 am deutlichsten über die wichtige Rolle des Mangans ausgesprochen. Er steht dabei ziemlich auf dem Standpunkt Stünckels. Nach ihm teilt das Mangan dem Eisen mehr Härte mit, ohne seiner Geschmeidigkeit und Zähigkeit Abbruch zu thun. Es mache ferner das Roheisen leichtflüssiger, weiſs und strahlig. Das natürliche weiſse Roheisen ist nach Karsten Eisen, welches mit Mangan und Kohle verbunden ist. Das Mangan besitze die Eigen- schaft, Roheisen weiſs zu färben, im höchsten Grade und bei einem hohen Mangangehalt der Eisenerze sei es, auch bei dem garsten Gange des Hochofens, ganz unmöglich, graues Eisen zu produzieren. Er vermutet, daſs sich das Mangan in jedem Verhältnis mit dem Eisen mischen lasse. Das weiſse Roheisen, welches kein Mangan
1) Sidérotechnie I, p. 50 u. 51.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0048"n="32"/><fwplace="top"type="header">Chemie 1801 bis 1815.</fw><lb/>
decke der Wirkung des Windes und muſs oft aufgebrochen werden,<lb/>
um zu frischen. Hierbei läſst sich aber auch der Zeitpunkt der<lb/>
Stahlbildung nicht so leicht verfehlen, als bei dem grauen, welches<lb/>
langsam einschmilzt und gleich gart. Den chemischen Vorgang<lb/>
erklärt <hirendition="#g">Stünckel</hi> nach der herrschenden Anschauung seiner Zeit in<lb/>
der Weise, daſs sich der in dem Roheisen vorhandene Sauerstoff mit<lb/>
dem Mangan verbunden ausschmelze und reines Eisen mit Kohlen-<lb/>
stoff zurückbleibe. Sei ein Überschuſs an Mangan vorhanden, so<lb/>
bleibe dieser im Stahl und bewirke, daſs dieser besser im Feuer<lb/>
stehe, wie dies ein besonderer Vorzug des deutschen Stahls sei. Die<lb/>
Chemiker suchten seit jener Zeit den Mangangehalt im Roheisen<lb/>
quantitativ zu bestimmen, wie aus den von <hirendition="#g">Hassenfratz</hi> mitgeteilten<lb/>
Roheisenanalysen hervorgeht <noteplace="foot"n="1)">Sidérotechnie I, p. 50 u. 51.</note>.</p><lb/><p>Diese theoretischen Untersuchungen waren von groſser Bedeutung;<lb/>
daſs sie aber in Deutschland und Frankreich damals einen besonderen<lb/>
Einfluſs auf die Praxis geübt hätten, läſst sich nicht nachweisen. Die<lb/>
Praxis war der Theorie vorausgeeilt und letztere diente nur zur Auf-<lb/>
klärung der gebräuchlichen Verfahren. In England nahm dagegen<lb/>
der unermüdliche <hirendition="#g">John Wilkinson</hi> auf den künstlichen Zusatz von<lb/>
Mangan ein Patent und gründete darauf eine neue Darstellungsweise.<lb/>
Sein Patent (Nr. 3097) vom 23. Januar 1808 ist erteilt für die Be-<lb/>
reitung von Roh- und Guſseisen, um daraus Stabeisen von gleicher<lb/>
Güte, wie das russische, darzustellen. Die Erfindung besteht in der<lb/>
Anwendung von Mangan oder manganhaltigen Erzen als Zusatz zu<lb/>
den Eisenerzen.</p><lb/><p>Im zweiten Decennium des 19. Jahrhunderts hat sich <hirendition="#g">Karsten</hi><lb/>
in seiner Eisenhüttenkunde 1816 am deutlichsten über die wichtige<lb/>
Rolle des Mangans ausgesprochen. Er steht dabei ziemlich auf dem<lb/>
Standpunkt <hirendition="#g">Stünckels</hi>. Nach ihm teilt das Mangan dem Eisen mehr<lb/>
Härte mit, ohne seiner Geschmeidigkeit und Zähigkeit Abbruch zu<lb/>
thun. Es mache ferner das Roheisen leichtflüssiger, weiſs und strahlig.<lb/>
Das natürliche weiſse Roheisen ist nach <hirendition="#g">Karsten</hi> Eisen, welches mit<lb/>
Mangan und Kohle verbunden ist. Das Mangan besitze die Eigen-<lb/>
schaft, Roheisen weiſs zu färben, im höchsten Grade und bei einem<lb/>
hohen Mangangehalt der Eisenerze sei es, auch bei dem garsten<lb/>
Gange des Hochofens, ganz unmöglich, graues Eisen zu produzieren.<lb/>
Er vermutet, daſs sich das Mangan in jedem Verhältnis mit dem<lb/>
Eisen mischen lasse. Das weiſse Roheisen, welches kein Mangan<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[32/0048]
Chemie 1801 bis 1815.
decke der Wirkung des Windes und muſs oft aufgebrochen werden,
um zu frischen. Hierbei läſst sich aber auch der Zeitpunkt der
Stahlbildung nicht so leicht verfehlen, als bei dem grauen, welches
langsam einschmilzt und gleich gart. Den chemischen Vorgang
erklärt Stünckel nach der herrschenden Anschauung seiner Zeit in
der Weise, daſs sich der in dem Roheisen vorhandene Sauerstoff mit
dem Mangan verbunden ausschmelze und reines Eisen mit Kohlen-
stoff zurückbleibe. Sei ein Überschuſs an Mangan vorhanden, so
bleibe dieser im Stahl und bewirke, daſs dieser besser im Feuer
stehe, wie dies ein besonderer Vorzug des deutschen Stahls sei. Die
Chemiker suchten seit jener Zeit den Mangangehalt im Roheisen
quantitativ zu bestimmen, wie aus den von Hassenfratz mitgeteilten
Roheisenanalysen hervorgeht 1).
Diese theoretischen Untersuchungen waren von groſser Bedeutung;
daſs sie aber in Deutschland und Frankreich damals einen besonderen
Einfluſs auf die Praxis geübt hätten, läſst sich nicht nachweisen. Die
Praxis war der Theorie vorausgeeilt und letztere diente nur zur Auf-
klärung der gebräuchlichen Verfahren. In England nahm dagegen
der unermüdliche John Wilkinson auf den künstlichen Zusatz von
Mangan ein Patent und gründete darauf eine neue Darstellungsweise.
Sein Patent (Nr. 3097) vom 23. Januar 1808 ist erteilt für die Be-
reitung von Roh- und Guſseisen, um daraus Stabeisen von gleicher
Güte, wie das russische, darzustellen. Die Erfindung besteht in der
Anwendung von Mangan oder manganhaltigen Erzen als Zusatz zu
den Eisenerzen.
Im zweiten Decennium des 19. Jahrhunderts hat sich Karsten
in seiner Eisenhüttenkunde 1816 am deutlichsten über die wichtige
Rolle des Mangans ausgesprochen. Er steht dabei ziemlich auf dem
Standpunkt Stünckels. Nach ihm teilt das Mangan dem Eisen mehr
Härte mit, ohne seiner Geschmeidigkeit und Zähigkeit Abbruch zu
thun. Es mache ferner das Roheisen leichtflüssiger, weiſs und strahlig.
Das natürliche weiſse Roheisen ist nach Karsten Eisen, welches mit
Mangan und Kohle verbunden ist. Das Mangan besitze die Eigen-
schaft, Roheisen weiſs zu färben, im höchsten Grade und bei einem
hohen Mangangehalt der Eisenerze sei es, auch bei dem garsten
Gange des Hochofens, ganz unmöglich, graues Eisen zu produzieren.
Er vermutet, daſs sich das Mangan in jedem Verhältnis mit dem
Eisen mischen lasse. Das weiſse Roheisen, welches kein Mangan
1) Sidérotechnie I, p. 50 u. 51.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/48>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.