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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899.

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Belgien 1831 bis 1850.
Gougnies mit 1 Koks- und 2 Holzkohlenhochöfen; 3. der grosse Koks-
hochofen von Froidmont, dem Baron von Cartier d'Yve gehörig;
4. der demselben Besitzer gehörige Hochofen zu Fairoul; 5. die Hütte
von Laneffe mit einem grösseren und einem kleineren Kokshochofen
und 6. die Hütte von Thy-le-Chateau mit 2 grossen Kokshochöfen
und 1 Walzwerk. Die letzterwähnten Hochöfen waren ebenfalls von
dem um die belgische Eisenindustrie hochverdienten Bonehill er-
baut worden.

Die belgischen Eisenwerke, sowohl die Hochofenanlagen als die
Walzwerke, wurden die Muster und Vorbilder für einen grossen Teil
der französischen und der deutschen Industrie. Waren die deutschen
Eisenhüttenleute in früheren Jahrzehnten nach Oberschlesien gereist,
um das Neueste und Beste von Anlagen und Einrichtungen für den
Steinkohlenbetrieb kennen zu lernen, so wurde seit Mitte der 30er
Jahre Belgien die hohe Schule und blieb es mehrere Jahrzehnte hin-
durch. Die modernen Eisenwerke Westdeutschlands, besonders in
Rheinland und Westfalen, wurden grossenteils nach belgischem Muster
gebaut und eingerichtet, vielfach sogar mit belgischen Arbeitern
betrieben.

Man kopierte die Muster von Seraing und Couillet fast unver-
ändert. Selbst die Materialien zum Bau der Hochöfen und Puddel-
öfen glaubte man von Belgien beziehen zu müssen. Die Pudding-
steine von Marchin bei Huy lieferten das Material zu den Gestellen
in Deutschland und Frankreich, sie gingen bis zum Mittelländischen
Meere. Bis in die 60er Jahre hielt man an den Puddingstein-
gestellen fest und hielt sie für unübertrefflich. Die feuerfesten Ziegel
für Hochöfen und Schweissöfen bezog man lange Zeit hauptsächlich
aus Andennes. Charakteristisch war es, dass die meisten belgischen
Hüttenwerke, namentlich die Walzwerke, ihre feuerfesten Steine auf
den Hütten selbst anfertigten.

Während viele Verbesserungen von Belgien ausgingen, fanden
andere dort nur schwer Eingang. Zu diesen gehörte besonders die An-
wendung des heissen Windes, gegen welchen sich in Belgien ein Vor-
urteil gebildet hatte, ähnlich wie in Südwales. Erst im Jahre 1836
machte man einen Versuch mit heissem Wind beim Hochofenbetrieb
zu Seraing. Da dieser nicht befriedigend ausfiel, so befestigte sich das
Vorurteil, dass der heisse Wind für die belgischen Kohlen nichts tauge.

Wie bereits erwähnt, hatte der Bau der Eisenbahnen den grössten
Einfluss auf die Entwickelung der belgischen Eisenindustrie ausgeübt.
Zahlreiche grosse Walzwerke waren infolgedessen entstanden.


Belgien 1831 bis 1850.
Gougnies mit 1 Koks- und 2 Holzkohlenhochöfen; 3. der groſse Koks-
hochofen von Froidmont, dem Baron von Cartier d’Yve gehörig;
4. der demselben Besitzer gehörige Hochofen zu Fairoul; 5. die Hütte
von Laneffe mit einem gröſseren und einem kleineren Kokshochofen
und 6. die Hütte von Thy-le-Chateau mit 2 groſsen Kokshochöfen
und 1 Walzwerk. Die letzterwähnten Hochöfen waren ebenfalls von
dem um die belgische Eisenindustrie hochverdienten Bonehill er-
baut worden.

Die belgischen Eisenwerke, sowohl die Hochofenanlagen als die
Walzwerke, wurden die Muster und Vorbilder für einen groſsen Teil
der französischen und der deutschen Industrie. Waren die deutschen
Eisenhüttenleute in früheren Jahrzehnten nach Oberschlesien gereist,
um das Neueste und Beste von Anlagen und Einrichtungen für den
Steinkohlenbetrieb kennen zu lernen, so wurde seit Mitte der 30er
Jahre Belgien die hohe Schule und blieb es mehrere Jahrzehnte hin-
durch. Die modernen Eisenwerke Westdeutschlands, besonders in
Rheinland und Westfalen, wurden groſsenteils nach belgischem Muster
gebaut und eingerichtet, vielfach sogar mit belgischen Arbeitern
betrieben.

Man kopierte die Muster von Seraing und Couillet fast unver-
ändert. Selbst die Materialien zum Bau der Hochöfen und Puddel-
öfen glaubte man von Belgien beziehen zu müssen. Die Pudding-
steine von Marchin bei Huy lieferten das Material zu den Gestellen
in Deutschland und Frankreich, sie gingen bis zum Mittelländischen
Meere. Bis in die 60er Jahre hielt man an den Puddingstein-
gestellen fest und hielt sie für unübertrefflich. Die feuerfesten Ziegel
für Hochöfen und Schweiſsöfen bezog man lange Zeit hauptsächlich
aus Andennes. Charakteristisch war es, daſs die meisten belgischen
Hüttenwerke, namentlich die Walzwerke, ihre feuerfesten Steine auf
den Hütten selbst anfertigten.

Während viele Verbesserungen von Belgien ausgingen, fanden
andere dort nur schwer Eingang. Zu diesen gehörte besonders die An-
wendung des heiſsen Windes, gegen welchen sich in Belgien ein Vor-
urteil gebildet hatte, ähnlich wie in Südwales. Erst im Jahre 1836
machte man einen Versuch mit heiſsem Wind beim Hochofenbetrieb
zu Seraing. Da dieser nicht befriedigend ausfiel, so befestigte sich das
Vorurteil, daſs der heiſse Wind für die belgischen Kohlen nichts tauge.

Wie bereits erwähnt, hatte der Bau der Eisenbahnen den gröſsten
Einfluſs auf die Entwickelung der belgischen Eisenindustrie ausgeübt.
Zahlreiche groſse Walzwerke waren infolgedessen entstanden.


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[684/0700] Belgien 1831 bis 1850. Gougnies mit 1 Koks- und 2 Holzkohlenhochöfen; 3. der groſse Koks- hochofen von Froidmont, dem Baron von Cartier d’Yve gehörig; 4. der demselben Besitzer gehörige Hochofen zu Fairoul; 5. die Hütte von Laneffe mit einem gröſseren und einem kleineren Kokshochofen und 6. die Hütte von Thy-le-Chateau mit 2 groſsen Kokshochöfen und 1 Walzwerk. Die letzterwähnten Hochöfen waren ebenfalls von dem um die belgische Eisenindustrie hochverdienten Bonehill er- baut worden. Die belgischen Eisenwerke, sowohl die Hochofenanlagen als die Walzwerke, wurden die Muster und Vorbilder für einen groſsen Teil der französischen und der deutschen Industrie. Waren die deutschen Eisenhüttenleute in früheren Jahrzehnten nach Oberschlesien gereist, um das Neueste und Beste von Anlagen und Einrichtungen für den Steinkohlenbetrieb kennen zu lernen, so wurde seit Mitte der 30er Jahre Belgien die hohe Schule und blieb es mehrere Jahrzehnte hin- durch. Die modernen Eisenwerke Westdeutschlands, besonders in Rheinland und Westfalen, wurden groſsenteils nach belgischem Muster gebaut und eingerichtet, vielfach sogar mit belgischen Arbeitern betrieben. Man kopierte die Muster von Seraing und Couillet fast unver- ändert. Selbst die Materialien zum Bau der Hochöfen und Puddel- öfen glaubte man von Belgien beziehen zu müssen. Die Pudding- steine von Marchin bei Huy lieferten das Material zu den Gestellen in Deutschland und Frankreich, sie gingen bis zum Mittelländischen Meere. Bis in die 60er Jahre hielt man an den Puddingstein- gestellen fest und hielt sie für unübertrefflich. Die feuerfesten Ziegel für Hochöfen und Schweiſsöfen bezog man lange Zeit hauptsächlich aus Andennes. Charakteristisch war es, daſs die meisten belgischen Hüttenwerke, namentlich die Walzwerke, ihre feuerfesten Steine auf den Hütten selbst anfertigten. Während viele Verbesserungen von Belgien ausgingen, fanden andere dort nur schwer Eingang. Zu diesen gehörte besonders die An- wendung des heiſsen Windes, gegen welchen sich in Belgien ein Vor- urteil gebildet hatte, ähnlich wie in Südwales. Erst im Jahre 1836 machte man einen Versuch mit heiſsem Wind beim Hochofenbetrieb zu Seraing. Da dieser nicht befriedigend ausfiel, so befestigte sich das Vorurteil, daſs der heiſse Wind für die belgischen Kohlen nichts tauge. Wie bereits erwähnt, hatte der Bau der Eisenbahnen den gröſsten Einfluſs auf die Entwickelung der belgischen Eisenindustrie ausgeübt. Zahlreiche groſse Walzwerke waren infolgedessen entstanden.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 684. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/700>, abgerufen am 22.11.2024.