Lage befunden. Durch die Einführung des Zolles von 1 Mark auf den Centner am 1. September 1844 besserte sich dieselbe, und zwar um so mehr, als um dieselbe Zeit die Preise des englischen und belgischen Eisens in die Höhe gingen. Wie wenig aber selbst die preussische Regierung darauf bedacht war, die Eisenindustrie ihres Landes gegenüber dem Auslande zu schützen, geht daraus hervor, dass sie auf dem eigenen königlichen Werke in Gleiwitz mitten in Oberschlesien, welches gegründet worden war, um den englischen Hochofenbetrieb in Deutschland einzuführen, schottisches Roheisen statt schlesischem verschmolz und dessen Vorzüge laut verkündete, was eine ganz bedeutende Einfuhr von schottischem Roheisen in den Hauptsitz der preussischen Eisenerzeugung zur Folge hatte. Zu der Überflutung des deutschen Marktes mit englischem und besonders schottischem Roheisen trugen auch, wie erwähnt, die Geschäftslage des britischen Eisenmarktes und die ausserordentlich niedrigen Preise bei. Der Bau der Eisenbahnen in England hatte eine grossartige Steigerung der Eisenproduktion zur Folge, welche Ende der 30er Jahre infolge von Überproduktion zu einer Krisis und zu einem raschen Preis- sturz führte. 1839 kosteten 100 kg schottisches Roheisen noch 8,94 Mark, 1840 7,46, 1841 5,98, 1842 4,98 und 1843 sogar nur 3,98 Mark. Mit solchen Preisen konnten die deutschen Hochöfen unmöglich kon- kurrieren, betrugen doch die Selbstkosten in Schlesien Ende der 40 er Jahre für Holzkohlenroheisen 10 Mark, für Koksroheisen 7,80 Mark. In den meisten anderen Gebieten waren sie noch höher.
Die Wohlthat des neuen Zolltarifes wurde aber für die deutschen Hochofenwerke dadurch bedeutend eingeschränkt, dass mit Belgien im Jahre 1844 ein Separatvertrag geschlossen wurde, wodurch diesem ein Nachlass von 50 Proz. auf den Roheisenzoll zunächst auf sechs Jahre bewilligt wurde. Eine weitere Schädigung erfuhr besonders die deutsche Holzkohlenroheisen-Produktion dadurch, dass das Feineisen (refined metal), welches als Ersatz für das Holzkohlenroheisen diente, keinen höheren Zollsatz als das Roheisen zu zahlen hatte. Um diese drückenden Bestimmungen, wie überhaupt über den Tarif, und die prin- cipielle Frage: Schutzzoll oder Freihandel im Eisengewerbe, entbrannte ein lebhafter Kampf, der während der ganzen 40er Jahre hindurch andauerte und noch in den 50er Jahren fortgesetzt wurde.
Der mässige Schutzzoll hatte aber schon die Wirkung, dass von 1845 an ein lebhafter Aufschwung sich in der deutschen Eisenindustrie bemerkbar machte, welche aber leider durch die politischen Ereignisse der Jahre 1848 und 1849 jäh unterbrochen wurde.
Deutschland 1831 bis 1850.
Lage befunden. Durch die Einführung des Zolles von 1 Mark auf den Centner am 1. September 1844 besserte sich dieselbe, und zwar um so mehr, als um dieselbe Zeit die Preise des englischen und belgischen Eisens in die Höhe gingen. Wie wenig aber selbst die preuſsische Regierung darauf bedacht war, die Eisenindustrie ihres Landes gegenüber dem Auslande zu schützen, geht daraus hervor, daſs sie auf dem eigenen königlichen Werke in Gleiwitz mitten in Oberschlesien, welches gegründet worden war, um den englischen Hochofenbetrieb in Deutschland einzuführen, schottisches Roheisen statt schlesischem verschmolz und dessen Vorzüge laut verkündete, was eine ganz bedeutende Einfuhr von schottischem Roheisen in den Hauptsitz der preuſsischen Eisenerzeugung zur Folge hatte. Zu der Überflutung des deutschen Marktes mit englischem und besonders schottischem Roheisen trugen auch, wie erwähnt, die Geschäftslage des britischen Eisenmarktes und die auſserordentlich niedrigen Preise bei. Der Bau der Eisenbahnen in England hatte eine groſsartige Steigerung der Eisenproduktion zur Folge, welche Ende der 30er Jahre infolge von Überproduktion zu einer Krisis und zu einem raschen Preis- sturz führte. 1839 kosteten 100 kg schottisches Roheisen noch 8,94 Mark, 1840 7,46, 1841 5,98, 1842 4,98 und 1843 sogar nur 3,98 Mark. Mit solchen Preisen konnten die deutschen Hochöfen unmöglich kon- kurrieren, betrugen doch die Selbstkosten in Schlesien Ende der 40 er Jahre für Holzkohlenroheisen 10 Mark, für Koksroheisen 7,80 Mark. In den meisten anderen Gebieten waren sie noch höher.
Die Wohlthat des neuen Zolltarifes wurde aber für die deutschen Hochofenwerke dadurch bedeutend eingeschränkt, daſs mit Belgien im Jahre 1844 ein Separatvertrag geschlossen wurde, wodurch diesem ein Nachlaſs von 50 Proz. auf den Roheisenzoll zunächst auf sechs Jahre bewilligt wurde. Eine weitere Schädigung erfuhr besonders die deutsche Holzkohlenroheisen-Produktion dadurch, daſs das Feineisen (refined metal), welches als Ersatz für das Holzkohlenroheisen diente, keinen höheren Zollsatz als das Roheisen zu zahlen hatte. Um diese drückenden Bestimmungen, wie überhaupt über den Tarif, und die prin- cipielle Frage: Schutzzoll oder Freihandel im Eisengewerbe, entbrannte ein lebhafter Kampf, der während der ganzen 40er Jahre hindurch andauerte und noch in den 50er Jahren fortgesetzt wurde.
Der mäſsige Schutzzoll hatte aber schon die Wirkung, daſs von 1845 an ein lebhafter Aufschwung sich in der deutschen Eisenindustrie bemerkbar machte, welche aber leider durch die politischen Ereignisse der Jahre 1848 und 1849 jäh unterbrochen wurde.
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Deutschland 1831 bis 1850.
Lage befunden. Durch die Einführung des Zolles von 1 Mark auf
den Centner am 1. September 1844 besserte sich dieselbe, und zwar
um so mehr, als um dieselbe Zeit die Preise des englischen und
belgischen Eisens in die Höhe gingen. Wie wenig aber selbst die
preuſsische Regierung darauf bedacht war, die Eisenindustrie ihres
Landes gegenüber dem Auslande zu schützen, geht daraus hervor,
daſs sie auf dem eigenen königlichen Werke in Gleiwitz mitten in
Oberschlesien, welches gegründet worden war, um den englischen
Hochofenbetrieb in Deutschland einzuführen, schottisches Roheisen
statt schlesischem verschmolz und dessen Vorzüge laut verkündete,
was eine ganz bedeutende Einfuhr von schottischem Roheisen in den
Hauptsitz der preuſsischen Eisenerzeugung zur Folge hatte. Zu der
Überflutung des deutschen Marktes mit englischem und besonders
schottischem Roheisen trugen auch, wie erwähnt, die Geschäftslage
des britischen Eisenmarktes und die auſserordentlich niedrigen Preise
bei. Der Bau der Eisenbahnen in England hatte eine groſsartige
Steigerung der Eisenproduktion zur Folge, welche Ende der 30er Jahre
infolge von Überproduktion zu einer Krisis und zu einem raschen Preis-
sturz führte. 1839 kosteten 100 kg schottisches Roheisen noch 8,94 Mark,
1840 7,46, 1841 5,98, 1842 4,98 und 1843 sogar nur 3,98 Mark. Mit
solchen Preisen konnten die deutschen Hochöfen unmöglich kon-
kurrieren, betrugen doch die Selbstkosten in Schlesien Ende der 40 er
Jahre für Holzkohlenroheisen 10 Mark, für Koksroheisen 7,80 Mark.
In den meisten anderen Gebieten waren sie noch höher.
Die Wohlthat des neuen Zolltarifes wurde aber für die deutschen
Hochofenwerke dadurch bedeutend eingeschränkt, daſs mit Belgien
im Jahre 1844 ein Separatvertrag geschlossen wurde, wodurch diesem
ein Nachlaſs von 50 Proz. auf den Roheisenzoll zunächst auf sechs
Jahre bewilligt wurde. Eine weitere Schädigung erfuhr besonders die
deutsche Holzkohlenroheisen-Produktion dadurch, daſs das Feineisen
(refined metal), welches als Ersatz für das Holzkohlenroheisen diente,
keinen höheren Zollsatz als das Roheisen zu zahlen hatte. Um diese
drückenden Bestimmungen, wie überhaupt über den Tarif, und die prin-
cipielle Frage: Schutzzoll oder Freihandel im Eisengewerbe, entbrannte
ein lebhafter Kampf, der während der ganzen 40er Jahre hindurch
andauerte und noch in den 50er Jahren fortgesetzt wurde.
Der mäſsige Schutzzoll hatte aber schon die Wirkung, daſs von
1845 an ein lebhafter Aufschwung sich in der deutschen Eisenindustrie
bemerkbar machte, welche aber leider durch die politischen Ereignisse
der Jahre 1848 und 1849 jäh unterbrochen wurde.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 695. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/711>, abgerufen am 22.11.2024.
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