Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899.

Bild:
<< vorherige Seite
Chemie 1851 bis 1860.

Lohage und v. Mayrhofer dagegen nahmen nicht nur die Exi-
stenz des Achtelkarburets des Eisens, sondern noch die einer ganzen
Reihe von Eisenkarbureten an. Lohage bezeichnete das Achtel-
karburet als einen mit Kohlenstoff gesättigten Stahl, den gewöhn-
lichen Stahl aber als ein Gemisch von verschiedenen Kohlungsstufen
von ungleichen Eigenschaften.

Karl v. Mayrhofer will in jeder Eisensorte ein besonderes
Karburet erkennen. Für die verschiedenen Arten des Roheisens stellte
er folgende Reihe auf 1):

1. Luckiger Floss, Fe12 C oder Fe6 C (Zwölftelkarburet); 2. fein-
körniges, blumiges Roheisen, Fe5 C; 3. körnig-krystallinisches Roheisen,
Fe4 C; 4. strahliges Roheisen, Fe3 C; 5. Spiegeleisen, Fe2 C. Nun
folgen die graphithaltigen Roheisensorten: 6. Halbiertes, körniges
Roheisen, Fe3 C + n C; 7. halbiertes strahliges Roheisen, Fe4 C + n C;
8. körniges graues Roheisen, Fe5 C + n C; 9. schwarzgraues Roheisen,
Fe6 C + n C. In gleicher Weise bildet v. Mayrhofer eine Reihe
für den Stahl, dessen Zusammensetzung angeblich zwischen den End-
gliedern Fe7 C und Fe18 C liegt.

Diese Formeln mögen ein gewisses theoretisches Interesse dar-
bieten, nachweisen lassen sich die durch sie ausgedrückten Ver-
bindungen nicht; eine praktische Bedeutung ist ihnen nicht bei-
zumessen. Die verschiedenen Eisensorten enthalten stets neben dem
Kohlenstoff noch andere Substanzen, welche zum Teil den Kohlen-
stoff substituieren und dadurch die Konstitution des Eisens verändern.
Die Gesetze der Substitution des Kohlenstoffs im Eisen waren
aber noch ganz unbekannt. Gurlt nahm allerdings bereits folgende
allgemeine Formel der Zusammensetzung des Roheisens an: (Fe, Mn)4 C,
Fe8 C, (Fe, Mn)4 Si, (Fe, Mn)4 P, (Fe, Mn)8 S etc. Hierbei unterstellte
er also, dass Silicium, Phosphor und Schwefel den Kohlenstoff un-
mittelbar substituieren. Dass dem aber so ist, lässt sich weder er-
weisen, noch ist es wahrscheinlich. Beobachtungen wiesen vielmehr
darauf hin, dass die Metalloide wenigstens zum Teil unter sich Ver-
bindungen bilden, welche in die Konstitution des Roheisens eintreten.

Die Annahme der Substitution der Metalloide und ihrer kon-
stitutionellen Bedeutung im Eisen führte aber zu einer grösseren
Beachtung derselben. Man betrachtete sie nicht mehr schlechthin als
Verunreinigungen des Eisens, sondern suchte ihren Einfluss auf die

1) K. v. Mayrhofer, Studien des Hochöfners in Tunners Jahrbuch 1861,
Bd. X, S. 277.
Chemie 1851 bis 1860.

Lohage und v. Mayrhofer dagegen nahmen nicht nur die Exi-
stenz des Achtelkarburets des Eisens, sondern noch die einer ganzen
Reihe von Eisenkarbureten an. Lohage bezeichnete das Achtel-
karburet als einen mit Kohlenstoff gesättigten Stahl, den gewöhn-
lichen Stahl aber als ein Gemisch von verschiedenen Kohlungsstufen
von ungleichen Eigenschaften.

Karl v. Mayrhofer will in jeder Eisensorte ein besonderes
Karburet erkennen. Für die verschiedenen Arten des Roheisens stellte
er folgende Reihe auf 1):

1. Luckiger Floſs, Fe12 C oder Fe6 C (Zwölftelkarburet); 2. fein-
körniges, blumiges Roheisen, Fe5 C; 3. körnig-krystallinisches Roheisen,
Fe4 C; 4. strahliges Roheisen, Fe3 C; 5. Spiegeleisen, Fe2 C. Nun
folgen die graphithaltigen Roheisensorten: 6. Halbiertes, körniges
Roheisen, Fe3 C + n C; 7. halbiertes strahliges Roheisen, Fe4 C + n C;
8. körniges graues Roheisen, Fe5 C + n C; 9. schwarzgraues Roheisen,
Fe6 C + n C. In gleicher Weise bildet v. Mayrhofer eine Reihe
für den Stahl, dessen Zusammensetzung angeblich zwischen den End-
gliedern Fe7 C und Fe18 C liegt.

Diese Formeln mögen ein gewisses theoretisches Interesse dar-
bieten, nachweisen lassen sich die durch sie ausgedrückten Ver-
bindungen nicht; eine praktische Bedeutung ist ihnen nicht bei-
zumessen. Die verschiedenen Eisensorten enthalten stets neben dem
Kohlenstoff noch andere Substanzen, welche zum Teil den Kohlen-
stoff substituieren und dadurch die Konstitution des Eisens verändern.
Die Gesetze der Substitution des Kohlenstoffs im Eisen waren
aber noch ganz unbekannt. Gurlt nahm allerdings bereits folgende
allgemeine Formel der Zusammensetzung des Roheisens an: (Fe, Mn)4 C,
Fe8 C, (Fe, Mn)4 Si, (Fe, Mn)4 P, (Fe, Mn)8 S etc. Hierbei unterstellte
er also, daſs Silicium, Phosphor und Schwefel den Kohlenstoff un-
mittelbar substituieren. Daſs dem aber so ist, läſst sich weder er-
weisen, noch ist es wahrscheinlich. Beobachtungen wiesen vielmehr
darauf hin, daſs die Metalloide wenigstens zum Teil unter sich Ver-
bindungen bilden, welche in die Konstitution des Roheisens eintreten.

Die Annahme der Substitution der Metalloide und ihrer kon-
stitutionellen Bedeutung im Eisen führte aber zu einer gröſseren
Beachtung derselben. Man betrachtete sie nicht mehr schlechthin als
Verunreinigungen des Eisens, sondern suchte ihren Einfluſs auf die

1) K. v. Mayrhofer, Studien des Hochöfners in Tunners Jahrbuch 1861,
Bd. X, S. 277.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0811" n="795"/>
            <fw place="top" type="header">Chemie 1851 bis 1860.</fw><lb/>
            <p><hi rendition="#g">Lohage</hi> und v. <hi rendition="#g">Mayrhofer</hi> dagegen nahmen nicht nur die Exi-<lb/>
stenz des Achtelkarburets des Eisens, sondern noch die einer ganzen<lb/>
Reihe von Eisenkarbureten an. <hi rendition="#g">Lohage</hi> bezeichnete das Achtel-<lb/>
karburet als einen mit Kohlenstoff gesättigten Stahl, den gewöhn-<lb/>
lichen Stahl aber als ein Gemisch von verschiedenen Kohlungsstufen<lb/>
von ungleichen Eigenschaften.</p><lb/>
            <p><hi rendition="#g">Karl v. Mayrhofer</hi> will in jeder Eisensorte ein besonderes<lb/>
Karburet erkennen. Für die verschiedenen Arten des Roheisens stellte<lb/>
er folgende Reihe auf <note place="foot" n="1)">K. v. <hi rendition="#g">Mayrhofer</hi>, Studien des Hochöfners in Tunners Jahrbuch 1861,<lb/>
Bd. X, S. 277.</note>:</p><lb/>
            <p>1. Luckiger Flo&#x017F;s, Fe<hi rendition="#sup">12</hi> C oder Fe<hi rendition="#sup">6</hi> C (Zwölftelkarburet); 2. fein-<lb/>
körniges, blumiges Roheisen, Fe<hi rendition="#sup">5</hi> C; 3. körnig-krystallinisches Roheisen,<lb/>
Fe<hi rendition="#sup">4</hi> C; 4. strahliges Roheisen, Fe<hi rendition="#sup">3</hi> C; 5. Spiegeleisen, Fe<hi rendition="#sup">2</hi> C. Nun<lb/>
folgen die graphithaltigen Roheisensorten: 6. Halbiertes, körniges<lb/>
Roheisen, Fe<hi rendition="#sup">3</hi> C + n C; 7. halbiertes strahliges Roheisen, Fe<hi rendition="#sup">4</hi> C + n C;<lb/>
8. körniges graues Roheisen, Fe<hi rendition="#sup">5</hi> C + n C; 9. schwarzgraues Roheisen,<lb/>
Fe<hi rendition="#sup">6</hi> C + n C. In gleicher Weise bildet v. <hi rendition="#g">Mayrhofer</hi> eine Reihe<lb/>
für den Stahl, dessen Zusammensetzung angeblich zwischen den End-<lb/>
gliedern Fe<hi rendition="#sup">7</hi> C und Fe<hi rendition="#sup">18</hi> C liegt.</p><lb/>
            <p>Diese Formeln mögen ein gewisses theoretisches Interesse dar-<lb/>
bieten, nachweisen lassen sich die durch sie ausgedrückten Ver-<lb/>
bindungen nicht; eine praktische Bedeutung ist ihnen nicht bei-<lb/>
zumessen. Die verschiedenen Eisensorten enthalten stets neben dem<lb/>
Kohlenstoff noch andere Substanzen, welche zum Teil den Kohlen-<lb/>
stoff substituieren und dadurch die Konstitution des Eisens verändern.<lb/>
Die Gesetze der <hi rendition="#g">Substitution</hi> des Kohlenstoffs im Eisen waren<lb/>
aber noch ganz unbekannt. <hi rendition="#g">Gurlt</hi> nahm allerdings bereits folgende<lb/>
allgemeine Formel der Zusammensetzung des Roheisens an: (Fe, Mn)<hi rendition="#sup">4</hi> C,<lb/>
Fe<hi rendition="#sup">8</hi> C, (Fe, Mn)<hi rendition="#sup">4</hi> Si, (Fe, Mn)<hi rendition="#sup">4</hi> P, (Fe, Mn)<hi rendition="#sup">8</hi> S etc. Hierbei unterstellte<lb/>
er also, da&#x017F;s Silicium, Phosphor und Schwefel den Kohlenstoff un-<lb/>
mittelbar substituieren. Da&#x017F;s dem aber so ist, lä&#x017F;st sich weder er-<lb/>
weisen, noch ist es wahrscheinlich. Beobachtungen wiesen vielmehr<lb/>
darauf hin, da&#x017F;s die Metalloide wenigstens zum Teil unter sich Ver-<lb/>
bindungen bilden, welche in die Konstitution des Roheisens eintreten.</p><lb/>
            <p>Die Annahme der Substitution der Metalloide und ihrer kon-<lb/>
stitutionellen Bedeutung im Eisen führte aber zu einer grö&#x017F;seren<lb/>
Beachtung derselben. Man betrachtete sie nicht mehr schlechthin als<lb/>
Verunreinigungen des Eisens, sondern suchte ihren Einflu&#x017F;s auf die<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[795/0811] Chemie 1851 bis 1860. Lohage und v. Mayrhofer dagegen nahmen nicht nur die Exi- stenz des Achtelkarburets des Eisens, sondern noch die einer ganzen Reihe von Eisenkarbureten an. Lohage bezeichnete das Achtel- karburet als einen mit Kohlenstoff gesättigten Stahl, den gewöhn- lichen Stahl aber als ein Gemisch von verschiedenen Kohlungsstufen von ungleichen Eigenschaften. Karl v. Mayrhofer will in jeder Eisensorte ein besonderes Karburet erkennen. Für die verschiedenen Arten des Roheisens stellte er folgende Reihe auf 1): 1. Luckiger Floſs, Fe12 C oder Fe6 C (Zwölftelkarburet); 2. fein- körniges, blumiges Roheisen, Fe5 C; 3. körnig-krystallinisches Roheisen, Fe4 C; 4. strahliges Roheisen, Fe3 C; 5. Spiegeleisen, Fe2 C. Nun folgen die graphithaltigen Roheisensorten: 6. Halbiertes, körniges Roheisen, Fe3 C + n C; 7. halbiertes strahliges Roheisen, Fe4 C + n C; 8. körniges graues Roheisen, Fe5 C + n C; 9. schwarzgraues Roheisen, Fe6 C + n C. In gleicher Weise bildet v. Mayrhofer eine Reihe für den Stahl, dessen Zusammensetzung angeblich zwischen den End- gliedern Fe7 C und Fe18 C liegt. Diese Formeln mögen ein gewisses theoretisches Interesse dar- bieten, nachweisen lassen sich die durch sie ausgedrückten Ver- bindungen nicht; eine praktische Bedeutung ist ihnen nicht bei- zumessen. Die verschiedenen Eisensorten enthalten stets neben dem Kohlenstoff noch andere Substanzen, welche zum Teil den Kohlen- stoff substituieren und dadurch die Konstitution des Eisens verändern. Die Gesetze der Substitution des Kohlenstoffs im Eisen waren aber noch ganz unbekannt. Gurlt nahm allerdings bereits folgende allgemeine Formel der Zusammensetzung des Roheisens an: (Fe, Mn)4 C, Fe8 C, (Fe, Mn)4 Si, (Fe, Mn)4 P, (Fe, Mn)8 S etc. Hierbei unterstellte er also, daſs Silicium, Phosphor und Schwefel den Kohlenstoff un- mittelbar substituieren. Daſs dem aber so ist, läſst sich weder er- weisen, noch ist es wahrscheinlich. Beobachtungen wiesen vielmehr darauf hin, daſs die Metalloide wenigstens zum Teil unter sich Ver- bindungen bilden, welche in die Konstitution des Roheisens eintreten. Die Annahme der Substitution der Metalloide und ihrer kon- stitutionellen Bedeutung im Eisen führte aber zu einer gröſseren Beachtung derselben. Man betrachtete sie nicht mehr schlechthin als Verunreinigungen des Eisens, sondern suchte ihren Einfluſs auf die 1) K. v. Mayrhofer, Studien des Hochöfners in Tunners Jahrbuch 1861, Bd. X, S. 277.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/811
Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 795. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/811>, abgerufen am 26.06.2024.