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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899.

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Henry Bessemer und seine Erfindung.
dem sich noch eine Probe in der Sammlung des Iron and Steel Institute
befindet. Es war im Juni 1855 im Arsenal zu Woolwich ausgewalzt
worden. Bei diesem Verfahren wurde das Gefäss noch von aussen
geheizt. Bei den späteren Apparaten fiel dies weg. Der zweite, den
er entwarf, hatte bereits die Gestalt einer aufgehängten Retorte. Der-
selbe wurde patentiert, gelangte aber damals nicht zur Ausführung.

William D. Allen war H. Bessemers Gehülfe bei seinen ersten
Versuchen und wurde später erster Direktor (chairman) der Firma
Henry Bessemer & Komp. in Sheffield und Bessemers Schwager.
Am 7. Mai 1890 konnte dieser ihm in der Versammlung des Iron
and Steel Institute die Bessemermedaille überreichen. In seiner
Dankrede teilte Allen mit, dass der erste Bessemerconverter ein
einfacher Thontiegel gewesen sei, der sich von einem gewöhnlichen
Stahlschmelztiegel nur dadurch unterschied, dass er einen gewölbten
Deckel hatte, dessen Rand mit Löchern zum Gasabzug versehen war.
Die Düse bestand aus einem Stück Gasrohr, das an einem Ende mit
einem Rüssel, am anderen Ende mit einem elastischen Rohr ver-
bunden war. In besagten Tiegel wurden 30 bis 40 Pfund Roheisen
eingefüllt, der Rüssel wurde in die geschmolzene Masse eingeführt
und durch die eingeblasene Luft das Roheisen in Stahl verwandelt.
Die ersten Versuche misslangen indes häufiger, als sie gelangen. In
dem unvollkommenen Schmelzofen war es kaum möglich, das Roheisen
in Fluss zu bringen. Das Eisen war nur zum Teil geschmolzen, als sie
die Düse einführten und ihr Erstaunen war gross, als nach kaum einer
halben Minute Blasens die ganze Masse in einem schönen, flüssigen
Zustande sich befand; sie bliesen dann noch sieben bis acht Minuten
weiter und fanden darauf das ganze Bad weissglühend vor. Mit diesem
Versuche hatten sie festgestellt, dass mit dem Einblasen der Luft die
Temperatur des Bades erhöht worden, wodurch der Erfolg der Er-
findung gesichert war. Hierauf konstruierte Bessemer einen grösseren,
feststehenden Apparat, worin er 7 Centner Roheisen im Verlauf einer
halben Stunde in Stabeisen oder Stahl umwandeln konnte. Bei solchen
Quantitäten verschwanden die Schwierigkeiten, die sich bei den kleinen
Mengen im Laboratorium gezeigt hatten.

Die Wärmeentwickelung erklärte Bessemer aus der Verbrennung
des Kohlenstoffs, wobei er irriger Weise annahm, dass durch-
schnittlich 5 Proz. Kohlenstoff mit dem Sauerstoff der Luft verbrannt
würden. Je grösser die Oberfläche sei, die dem Sauerstoff dargeboten
würde, je rascher verlaufe der Prozess. Sein neuer Ofen (Fig. 314),
den er auf seinem Versuchswerk in St. Pancraz im August 1856 auf-

Henry Bessemer und seine Erfindung.
dem sich noch eine Probe in der Sammlung des Iron and Steel Institute
befindet. Es war im Juni 1855 im Arsenal zu Woolwich ausgewalzt
worden. Bei diesem Verfahren wurde das Gefäſs noch von auſsen
geheizt. Bei den späteren Apparaten fiel dies weg. Der zweite, den
er entwarf, hatte bereits die Gestalt einer aufgehängten Retorte. Der-
selbe wurde patentiert, gelangte aber damals nicht zur Ausführung.

William D. Allen war H. Bessemers Gehülfe bei seinen ersten
Versuchen und wurde später erster Direktor (chairman) der Firma
Henry Bessemer & Komp. in Sheffield und Bessemers Schwager.
Am 7. Mai 1890 konnte dieser ihm in der Versammlung des Iron
and Steel Institute die Bessemermedaille überreichen. In seiner
Dankrede teilte Allen mit, daſs der erste Bessemerconverter ein
einfacher Thontiegel gewesen sei, der sich von einem gewöhnlichen
Stahlschmelztiegel nur dadurch unterschied, daſs er einen gewölbten
Deckel hatte, dessen Rand mit Löchern zum Gasabzug versehen war.
Die Düse bestand aus einem Stück Gasrohr, das an einem Ende mit
einem Rüssel, am anderen Ende mit einem elastischen Rohr ver-
bunden war. In besagten Tiegel wurden 30 bis 40 Pfund Roheisen
eingefüllt, der Rüssel wurde in die geschmolzene Masse eingeführt
und durch die eingeblasene Luft das Roheisen in Stahl verwandelt.
Die ersten Versuche miſslangen indes häufiger, als sie gelangen. In
dem unvollkommenen Schmelzofen war es kaum möglich, das Roheisen
in Fluſs zu bringen. Das Eisen war nur zum Teil geschmolzen, als sie
die Düse einführten und ihr Erstaunen war groſs, als nach kaum einer
halben Minute Blasens die ganze Masse in einem schönen, flüssigen
Zustande sich befand; sie bliesen dann noch sieben bis acht Minuten
weiter und fanden darauf das ganze Bad weiſsglühend vor. Mit diesem
Versuche hatten sie festgestellt, daſs mit dem Einblasen der Luft die
Temperatur des Bades erhöht worden, wodurch der Erfolg der Er-
findung gesichert war. Hierauf konstruierte Bessemer einen gröſseren,
feststehenden Apparat, worin er 7 Centner Roheisen im Verlauf einer
halben Stunde in Stabeisen oder Stahl umwandeln konnte. Bei solchen
Quantitäten verschwanden die Schwierigkeiten, die sich bei den kleinen
Mengen im Laboratorium gezeigt hatten.

Die Wärmeentwickelung erklärte Bessemer aus der Verbrennung
des Kohlenstoffs, wobei er irriger Weise annahm, daſs durch-
schnittlich 5 Proz. Kohlenstoff mit dem Sauerstoff der Luft verbrannt
würden. Je gröſser die Oberfläche sei, die dem Sauerstoff dargeboten
würde, je rascher verlaufe der Prozeſs. Sein neuer Ofen (Fig. 314),
den er auf seinem Versuchswerk in St. Pancraz im August 1856 auf-

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[906/0922] Henry Bessemer und seine Erfindung. dem sich noch eine Probe in der Sammlung des Iron and Steel Institute befindet. Es war im Juni 1855 im Arsenal zu Woolwich ausgewalzt worden. Bei diesem Verfahren wurde das Gefäſs noch von auſsen geheizt. Bei den späteren Apparaten fiel dies weg. Der zweite, den er entwarf, hatte bereits die Gestalt einer aufgehängten Retorte. Der- selbe wurde patentiert, gelangte aber damals nicht zur Ausführung. William D. Allen war H. Bessemers Gehülfe bei seinen ersten Versuchen und wurde später erster Direktor (chairman) der Firma Henry Bessemer & Komp. in Sheffield und Bessemers Schwager. Am 7. Mai 1890 konnte dieser ihm in der Versammlung des Iron and Steel Institute die Bessemermedaille überreichen. In seiner Dankrede teilte Allen mit, daſs der erste Bessemerconverter ein einfacher Thontiegel gewesen sei, der sich von einem gewöhnlichen Stahlschmelztiegel nur dadurch unterschied, daſs er einen gewölbten Deckel hatte, dessen Rand mit Löchern zum Gasabzug versehen war. Die Düse bestand aus einem Stück Gasrohr, das an einem Ende mit einem Rüssel, am anderen Ende mit einem elastischen Rohr ver- bunden war. In besagten Tiegel wurden 30 bis 40 Pfund Roheisen eingefüllt, der Rüssel wurde in die geschmolzene Masse eingeführt und durch die eingeblasene Luft das Roheisen in Stahl verwandelt. Die ersten Versuche miſslangen indes häufiger, als sie gelangen. In dem unvollkommenen Schmelzofen war es kaum möglich, das Roheisen in Fluſs zu bringen. Das Eisen war nur zum Teil geschmolzen, als sie die Düse einführten und ihr Erstaunen war groſs, als nach kaum einer halben Minute Blasens die ganze Masse in einem schönen, flüssigen Zustande sich befand; sie bliesen dann noch sieben bis acht Minuten weiter und fanden darauf das ganze Bad weiſsglühend vor. Mit diesem Versuche hatten sie festgestellt, daſs mit dem Einblasen der Luft die Temperatur des Bades erhöht worden, wodurch der Erfolg der Er- findung gesichert war. Hierauf konstruierte Bessemer einen gröſseren, feststehenden Apparat, worin er 7 Centner Roheisen im Verlauf einer halben Stunde in Stabeisen oder Stahl umwandeln konnte. Bei solchen Quantitäten verschwanden die Schwierigkeiten, die sich bei den kleinen Mengen im Laboratorium gezeigt hatten. Die Wärmeentwickelung erklärte Bessemer aus der Verbrennung des Kohlenstoffs, wobei er irriger Weise annahm, daſs durch- schnittlich 5 Proz. Kohlenstoff mit dem Sauerstoff der Luft verbrannt würden. Je gröſser die Oberfläche sei, die dem Sauerstoff dargeboten würde, je rascher verlaufe der Prozeſs. Sein neuer Ofen (Fig. 314), den er auf seinem Versuchswerk in St. Pancraz im August 1856 auf-

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 906. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/922>, abgerufen am 25.06.2024.