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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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Die Eisengiesserei von 1861 bis 1870.
mikroskopisch, durch Schlämmen und auf ihre Bindekraft und ver-
öffentlichte die Resultate seiner Untersuchung 1862 in den Mit-
teilungen des Hannoverschen Gewerbevereins.

Schott in Ilsenburg machte Mitteilung über die Herstellung
künstlicher Formsande 1). Es gelang ihm, die berühmten Pariser
Formsande genau nachzumachen, doch waren sie nicht so gut wie die
natürlichen. Eduard Schott in Ilsenburg und Karl Nicolaus 2) zu
Lauchhammer erwarben sich grosse Verdienste um den Kunstguss in Eisen.

Die wichtigsten Fortschritte der Eisengiesserei in diesem Zeitraum
waren die Verbesserungen der Formmaschinen und die immer aus-
gedehntere Anwendung derselben. Hüttendirektor Stenz hat über
die Formmaschinen, die er 1863 auf einer Reise in England kennen
lernte, eine ausführliche Abhandlung veröffentlicht 3). Er teilt die
Formmaschinen für gewöhnlichen Kastenguss in zwei Klassen, in solche
zum Ausziehen des Modells ohne Umkehrung und in solche zum Um-
kehren des Kastens. Typisch für die erste Klasse war die Form-
maschine von J. Howard in Bradford. Sie beruhte auf dem einfachen
Ausziehen des Modells aus dem Sande durch ein Modellbrett, welches
sich an die Seitenflächen des Modells genau anschloss. Das senk-
rechte Niederziehen des Modells erfolgte bei flachen Gegenständen
durch einen Hebel mit Geradeführung, bei höheren Modellen durch
Schrauben mit Muttern. Zahnstangenbewegung fand nur beim Ein-
formen der Munition in Woolwich statt 4). Für kompliziertere Guss-
körper musste man zusammengesetzte Bewegung anwenden.

Für die zweite Klasse der Formmaschinen zum Umkehren der
Kasten kann die schon früher erwähnte Maschine von Jobson als
Muster gelten. Sie hat verschiedene Abänderungen erfahren, bei
allen besteht aber das Princip darin, den eingeformten Kasten
mit dem Modell und der eigentlichen Formvorrichtung umzudrehen,
so dass der Formkasten in seiner zum Abgusse geeigneten Stellung
nach unten hängt, um ihn dann durch langsame Senkung vom
Modell zu lösen und auf die Eisenbahn zu stellen, auf welcher

1) E. Schott, Die Kunstgiesserei in Eisen. 1872.
2) Karl Nicolaus, 1807 zu Kamenz in Sachsen geboren, wurde Gürtler,
kam 1834 nach Lauchhammer, wo Graf Detlev v. Einsiedel seine künstlerische
Beanlagung erkannte und ihn bei Rietschel, Rauch und in Paris ausbilden liess.
Als Vorsteher der Kunst- und Modellierwerkstätten zu Lauchhammer brachte er
den Kunstguss dieses berühmten Werkes auf eine hohe Stufe. Er starb daselbst
am 4. Oktober 1897. (Näheres siehe Eisenzeitung 1897, Nr. 48, 49, 50.)
3) Siehe Zeitschrift für d. Berg-, Hütten- u. Sal.-Wesen im preuss. Staate.
Bd. XII, S. 324.
4) Siehe Dinglers Polyt. Journ. 1863, I, S. 1.

Die Eisengieſserei von 1861 bis 1870.
mikroskopisch, durch Schlämmen und auf ihre Bindekraft und ver-
öffentlichte die Resultate seiner Untersuchung 1862 in den Mit-
teilungen des Hannoverschen Gewerbevereins.

Schott in Ilsenburg machte Mitteilung über die Herstellung
künstlicher Formsande 1). Es gelang ihm, die berühmten Pariser
Formsande genau nachzumachen, doch waren sie nicht so gut wie die
natürlichen. Eduard Schott in Ilsenburg und Karl Nicolaus 2) zu
Lauchhammer erwarben sich groſse Verdienste um den Kunstguſs in Eisen.

Die wichtigsten Fortschritte der Eisengieſserei in diesem Zeitraum
waren die Verbesserungen der Formmaschinen und die immer aus-
gedehntere Anwendung derselben. Hüttendirektor Stenz hat über
die Formmaschinen, die er 1863 auf einer Reise in England kennen
lernte, eine ausführliche Abhandlung veröffentlicht 3). Er teilt die
Formmaschinen für gewöhnlichen Kastenguſs in zwei Klassen, in solche
zum Ausziehen des Modells ohne Umkehrung und in solche zum Um-
kehren des Kastens. Typisch für die erste Klasse war die Form-
maschine von J. Howard in Bradford. Sie beruhte auf dem einfachen
Ausziehen des Modells aus dem Sande durch ein Modellbrett, welches
sich an die Seitenflächen des Modells genau anschloſs. Das senk-
rechte Niederziehen des Modells erfolgte bei flachen Gegenständen
durch einen Hebel mit Geradeführung, bei höheren Modellen durch
Schrauben mit Muttern. Zahnstangenbewegung fand nur beim Ein-
formen der Munition in Woolwich statt 4). Für kompliziertere Guſs-
körper muſste man zusammengesetzte Bewegung anwenden.

Für die zweite Klasse der Formmaschinen zum Umkehren der
Kasten kann die schon früher erwähnte Maschine von Jobson als
Muster gelten. Sie hat verschiedene Abänderungen erfahren, bei
allen besteht aber das Princip darin, den eingeformten Kasten
mit dem Modell und der eigentlichen Formvorrichtung umzudrehen,
so daſs der Formkasten in seiner zum Abgusse geeigneten Stellung
nach unten hängt, um ihn dann durch langsame Senkung vom
Modell zu lösen und auf die Eisenbahn zu stellen, auf welcher

1) E. Schott, Die Kunstgieſserei in Eisen. 1872.
2) Karl Nicolaus, 1807 zu Kamenz in Sachsen geboren, wurde Gürtler,
kam 1834 nach Lauchhammer, wo Graf Detlev v. Einsiedel seine künstlerische
Beanlagung erkannte und ihn bei Rietschel, Rauch und in Paris ausbilden lieſs.
Als Vorsteher der Kunst- und Modellierwerkstätten zu Lauchhammer brachte er
den Kunstguſs dieses berühmten Werkes auf eine hohe Stufe. Er starb daselbst
am 4. Oktober 1897. (Näheres siehe Eisenzeitung 1897, Nr. 48, 49, 50.)
3) Siehe Zeitschrift für d. Berg-, Hütten- u. Sal.-Wesen im preuſs. Staate.
Bd. XII, S. 324.
4) Siehe Dinglers Polyt. Journ. 1863, I, S. 1.
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[86/0102] Die Eisengieſserei von 1861 bis 1870. mikroskopisch, durch Schlämmen und auf ihre Bindekraft und ver- öffentlichte die Resultate seiner Untersuchung 1862 in den Mit- teilungen des Hannoverschen Gewerbevereins. Schott in Ilsenburg machte Mitteilung über die Herstellung künstlicher Formsande 1). Es gelang ihm, die berühmten Pariser Formsande genau nachzumachen, doch waren sie nicht so gut wie die natürlichen. Eduard Schott in Ilsenburg und Karl Nicolaus 2) zu Lauchhammer erwarben sich groſse Verdienste um den Kunstguſs in Eisen. Die wichtigsten Fortschritte der Eisengieſserei in diesem Zeitraum waren die Verbesserungen der Formmaschinen und die immer aus- gedehntere Anwendung derselben. Hüttendirektor Stenz hat über die Formmaschinen, die er 1863 auf einer Reise in England kennen lernte, eine ausführliche Abhandlung veröffentlicht 3). Er teilt die Formmaschinen für gewöhnlichen Kastenguſs in zwei Klassen, in solche zum Ausziehen des Modells ohne Umkehrung und in solche zum Um- kehren des Kastens. Typisch für die erste Klasse war die Form- maschine von J. Howard in Bradford. Sie beruhte auf dem einfachen Ausziehen des Modells aus dem Sande durch ein Modellbrett, welches sich an die Seitenflächen des Modells genau anschloſs. Das senk- rechte Niederziehen des Modells erfolgte bei flachen Gegenständen durch einen Hebel mit Geradeführung, bei höheren Modellen durch Schrauben mit Muttern. Zahnstangenbewegung fand nur beim Ein- formen der Munition in Woolwich statt 4). Für kompliziertere Guſs- körper muſste man zusammengesetzte Bewegung anwenden. Für die zweite Klasse der Formmaschinen zum Umkehren der Kasten kann die schon früher erwähnte Maschine von Jobson als Muster gelten. Sie hat verschiedene Abänderungen erfahren, bei allen besteht aber das Princip darin, den eingeformten Kasten mit dem Modell und der eigentlichen Formvorrichtung umzudrehen, so daſs der Formkasten in seiner zum Abgusse geeigneten Stellung nach unten hängt, um ihn dann durch langsame Senkung vom Modell zu lösen und auf die Eisenbahn zu stellen, auf welcher 1) E. Schott, Die Kunstgieſserei in Eisen. 1872. 2) Karl Nicolaus, 1807 zu Kamenz in Sachsen geboren, wurde Gürtler, kam 1834 nach Lauchhammer, wo Graf Detlev v. Einsiedel seine künstlerische Beanlagung erkannte und ihn bei Rietschel, Rauch und in Paris ausbilden lieſs. Als Vorsteher der Kunst- und Modellierwerkstätten zu Lauchhammer brachte er den Kunstguſs dieses berühmten Werkes auf eine hohe Stufe. Er starb daselbst am 4. Oktober 1897. (Näheres siehe Eisenzeitung 1897, Nr. 48, 49, 50.) 3) Siehe Zeitschrift für d. Berg-, Hütten- u. Sal.-Wesen im preuſs. Staate. Bd. XII, S. 324. 4) Siehe Dinglers Polyt. Journ. 1863, I, S. 1.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/102>, abgerufen am 19.05.2024.