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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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Österreich-Ungarn.
(26,78 Roheisen, 73,80 Alteisen und 3,79 Spiegeleisen) verbraucht. Die
Jahreserzeugung betrug 6000 Tonnen Blöcke, die zu Eisenbahn-
schienen verarbeitet wurden. Die Qualität wurde durch die Eggertz-
sche Kohlenstoffprobe und ein rasches Verfahren der Phosphor- und
Manganbestimmung kontrolliert. Infolge der guten Erfahrungen wurde
in Graz der Bessemerprozess ganz durch das Martinverfahren ver-
drängt. Die in dem Puddelwerk des Grazer Walzwerks eingeführten
Crampton-Rotatoren arbeiteten (1877) gut. Pernot-Drehöfen waren
zu Annina im Banat für Flussstahl eingeführt worden. Zu Zeltweg
schmolz man 1878 im Hochofen mit einem Gemisch von Koks und
Braunkohle, und zwar setzte man auf 986 kg Koks 715 kg Braun-
kohlen. 1877/78 baute Direktor Goedecke von Düsseldorf verbesserte
Whitwell-Winderhitzer nach seinem System zu Trzynietz und Wit-
kowitz.

1879 machte sich wieder ein Aufschwung in der österreichischen
Eisenindustrie fühlbar, wozu der Zollschutz durch die Einführung des
autonomen Zolltarifs wesentlich beitrug. In diesem Jahre wurde das
Thomas-Gilchrist-Verfahren zur Entphosphorung und Flusseisen-
bereitung bekannt. Josef Gängl von Ehrenwerth wies auf die
wirtschaftliche Bedeutung derselben hin 1) und stellte zuerst eine
richtige Theorie des Prozesses auf, indem er nachwies, dass wie bei
dem sauren Verfahren das Silicium bei dem basischen Verfahren der
Phosphor als Brennstoff wirke und die hohe Temperatur des Eisen-
bades erzeuge. Bereits im Sommer 1879 führte man in Kladno und
dann in Teplitz und Witkowitz das neue Verfahren ein, allerdings
an letzterem Orte mit der Abänderung, dass man erst in einer Birne
mit saurem Futter das Silicium abschied und dann in einer Birne
mit basischer Auskleidung die Entphosphorung bewerkstelligte. Das
Thomasverfahren wurde bald darauf auch in Ternitz eingeführt.

1879 baute Max Glenzer zu Brzova in Ungarn Holzgaspuddel-
öfen mit liegenden Regeneratoren.

Das Roheisen, welches 1880 zu Witkowitz "thomasiert" wurde,
enthielt ausser dem normalen Gehalt an Kohlenstoff 0,9 Prozent
Phosphor, 0,75 Silicium, 0,2 Schwefel und 0,07 Kupfer, das daraus
erblasene Flusseisen 0,05 bis 0,15 Prozent Kohlenstoff, 0,02 bis 0,05
Phosphor, 0,02 Schwefel, 0,07 Kupfer und Spuren von Silicium. Die
Zerreissfestigkeit betrug 40 bis 42 kg, die Kontraktion 60 Prozent.

In den achtziger Jahren nahm die Eisenindustrie Österreichs und

1) Siehe Österr. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1879, Nr. 18.

Österreich-Ungarn.
(26,78 Roheisen, 73,80 Alteisen und 3,79 Spiegeleisen) verbraucht. Die
Jahreserzeugung betrug 6000 Tonnen Blöcke, die zu Eisenbahn-
schienen verarbeitet wurden. Die Qualität wurde durch die Eggertz-
sche Kohlenstoffprobe und ein rasches Verfahren der Phosphor- und
Manganbestimmung kontrolliert. Infolge der guten Erfahrungen wurde
in Graz der Bessemerprozeſs ganz durch das Martinverfahren ver-
drängt. Die in dem Puddelwerk des Grazer Walzwerks eingeführten
Crampton-Rotatoren arbeiteten (1877) gut. Pernot-Drehöfen waren
zu Annina im Banat für Fluſsstahl eingeführt worden. Zu Zeltweg
schmolz man 1878 im Hochofen mit einem Gemisch von Koks und
Braunkohle, und zwar setzte man auf 986 kg Koks 715 kg Braun-
kohlen. 1877/78 baute Direktor Goedecke von Düsseldorf verbesserte
Whitwell-Winderhitzer nach seinem System zu Trzynietz und Wit-
kowitz.

1879 machte sich wieder ein Aufschwung in der österreichischen
Eisenindustrie fühlbar, wozu der Zollschutz durch die Einführung des
autonomen Zolltarifs wesentlich beitrug. In diesem Jahre wurde das
Thomas-Gilchrist-Verfahren zur Entphosphorung und Fluſseisen-
bereitung bekannt. Josef Gängl von Ehrenwerth wies auf die
wirtschaftliche Bedeutung derselben hin 1) und stellte zuerst eine
richtige Theorie des Prozesses auf, indem er nachwies, daſs wie bei
dem sauren Verfahren das Silicium bei dem basischen Verfahren der
Phosphor als Brennstoff wirke und die hohe Temperatur des Eisen-
bades erzeuge. Bereits im Sommer 1879 führte man in Kladno und
dann in Teplitz und Witkowitz das neue Verfahren ein, allerdings
an letzterem Orte mit der Abänderung, daſs man erst in einer Birne
mit saurem Futter das Silicium abschied und dann in einer Birne
mit basischer Auskleidung die Entphosphorung bewerkstelligte. Das
Thomasverfahren wurde bald darauf auch in Ternitz eingeführt.

1879 baute Max Glenzer zu Bržova in Ungarn Holzgaspuddel-
öfen mit liegenden Regeneratoren.

Das Roheisen, welches 1880 zu Witkowitz „thomasiert“ wurde,
enthielt auſser dem normalen Gehalt an Kohlenstoff 0,9 Prozent
Phosphor, 0,75 Silicium, 0,2 Schwefel und 0,07 Kupfer, das daraus
erblasene Fluſseisen 0,05 bis 0,15 Prozent Kohlenstoff, 0,02 bis 0,05
Phosphor, 0,02 Schwefel, 0,07 Kupfer und Spuren von Silicium. Die
Zerreiſsfestigkeit betrug 40 bis 42 kg, die Kontraktion 60 Prozent.

In den achtziger Jahren nahm die Eisenindustrie Österreichs und

1) Siehe Österr. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1879, Nr. 18.
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[1149/1165] Österreich-Ungarn. (26,78 Roheisen, 73,80 Alteisen und 3,79 Spiegeleisen) verbraucht. Die Jahreserzeugung betrug 6000 Tonnen Blöcke, die zu Eisenbahn- schienen verarbeitet wurden. Die Qualität wurde durch die Eggertz- sche Kohlenstoffprobe und ein rasches Verfahren der Phosphor- und Manganbestimmung kontrolliert. Infolge der guten Erfahrungen wurde in Graz der Bessemerprozeſs ganz durch das Martinverfahren ver- drängt. Die in dem Puddelwerk des Grazer Walzwerks eingeführten Crampton-Rotatoren arbeiteten (1877) gut. Pernot-Drehöfen waren zu Annina im Banat für Fluſsstahl eingeführt worden. Zu Zeltweg schmolz man 1878 im Hochofen mit einem Gemisch von Koks und Braunkohle, und zwar setzte man auf 986 kg Koks 715 kg Braun- kohlen. 1877/78 baute Direktor Goedecke von Düsseldorf verbesserte Whitwell-Winderhitzer nach seinem System zu Trzynietz und Wit- kowitz. 1879 machte sich wieder ein Aufschwung in der österreichischen Eisenindustrie fühlbar, wozu der Zollschutz durch die Einführung des autonomen Zolltarifs wesentlich beitrug. In diesem Jahre wurde das Thomas-Gilchrist-Verfahren zur Entphosphorung und Fluſseisen- bereitung bekannt. Josef Gängl von Ehrenwerth wies auf die wirtschaftliche Bedeutung derselben hin 1) und stellte zuerst eine richtige Theorie des Prozesses auf, indem er nachwies, daſs wie bei dem sauren Verfahren das Silicium bei dem basischen Verfahren der Phosphor als Brennstoff wirke und die hohe Temperatur des Eisen- bades erzeuge. Bereits im Sommer 1879 führte man in Kladno und dann in Teplitz und Witkowitz das neue Verfahren ein, allerdings an letzterem Orte mit der Abänderung, daſs man erst in einer Birne mit saurem Futter das Silicium abschied und dann in einer Birne mit basischer Auskleidung die Entphosphorung bewerkstelligte. Das Thomasverfahren wurde bald darauf auch in Ternitz eingeführt. 1879 baute Max Glenzer zu Bržova in Ungarn Holzgaspuddel- öfen mit liegenden Regeneratoren. Das Roheisen, welches 1880 zu Witkowitz „thomasiert“ wurde, enthielt auſser dem normalen Gehalt an Kohlenstoff 0,9 Prozent Phosphor, 0,75 Silicium, 0,2 Schwefel und 0,07 Kupfer, das daraus erblasene Fluſseisen 0,05 bis 0,15 Prozent Kohlenstoff, 0,02 bis 0,05 Phosphor, 0,02 Schwefel, 0,07 Kupfer und Spuren von Silicium. Die Zerreiſsfestigkeit betrug 40 bis 42 kg, die Kontraktion 60 Prozent. In den achtziger Jahren nahm die Eisenindustrie Österreichs und 1) Siehe Österr. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1879, Nr. 18.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 1149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/1165>, abgerufen am 16.07.2024.