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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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Österreich-Ungarn.
kohle und einer zu Theisholz mit Holzkohle und Koks, alle übrigen
hütteten nur mit Holzkohlen. Ungarn besass grosse Waldungen, die
aber meist von den Erzgebieten entfernt lagen. Das Stahlwerk zu
Reschitza hatte vier Konverter und zwei Martinöfen. Ein zweites
Flussstahlwerk war zu Diosgyör entstanden mit zwei Konvertern und
zwei Martinöfen. Das Bessemerroheisen lieferten die oberungarischen
Schmelzwerke. Zu Salgo-Tarjan wurden Holzgasöfen betrieben. Tiegel-
schmelzöfen mit Regenerativfeuerung waren in Kudsir. Hier und zu
Brezova wurde auch Frisch- und Puddelstahl gemacht. Der Verbrauch
von Schmiedeeisen in Ungarn betrug 1882 92880 Tonnen, von Guss-
waren 40947 Tonnen, hierzu kam noch der Eisenverbrauch für Eisen-
bahnen von etwa 77000 Tonnen.

1883 schlug J. v. Ehrenwerth die Regenerirung der Gichtgase
vor. Moser führte seine Gasröstöfen in Steiermark ein, Sailler in
Witkowitz Gasgeneratoren mit kontinuierlichem Betrieb. Springer
baute seinen Doppel-Puddelofen mit Regenerativfeuerung auf der
Hermannshütte in Böhmen; K. Wittgenstein und A. Kurzwernhart
betrieben in Teplitz die Fabrikation von Flussstahlschienen mit Braun-
kohlen.

1885 führte Hupfeld in Prävali die Kleinbessemerei in Clapp-
Griffith-Öfen mit Erfolg ein. 1886 wurde diese auch zu Bikas und
Altsohl in Ungarn für die Herstellung von Flussstahlblechen auf-
genommen. 1885 stellte man zu Eibiswalde Chromstahl, zu Witkowitz
Nickelstahl im Martinofen dar; Mangan- und Wolframgussstahl lieferte
Kapfenberg.

Der Aufschwung der Eisenindustrie Ungarns war um diese Zeit
sehr bedeutend und viele wichtige Neuerungen kamen zur Einführung.
Annina hatte 1884 zwei Hochöfen im Feuer, wovon der eine nur mit Koks,
der andere zu zwei Dritteln mit Holzkohle und zu einem Drittel mit roher
Steinkohle (Liaskohle) betrieben wurde. Die Winderhitzung geschah
in drei Whitwell-Apparaten, die Winderzeugung durch ein vertikales
Cylindergebläse von der Gesellschaft John Cockerill in Seraing. Das
Werk hatte eine bedeutende Giesserei, hauptsächlich für Ofen- und
Röhrenguss mit 440 Arbeitern. Das Puddel- und Walzwerk hatte
14 Puddel- und 11 Schweissöfen, die etwa 10000 Tonnen Schweiss-
eisen lieferten. Das Walzwerk zu Brezova hatte vierthürige Puddel-
öfen nach dem System Kerpely und 10 Gasschweissöfen, die durch
vier Koksgeneratoren gespeist wurden. Eine Spezialität des Werkes
war die Fabrikation gezogener und gewalzter Röhren für Siede- und
Gasröhren. Das Ticzolczer Eisenwerk im Gömörer Komitat hatte zwei

Österreich-Ungarn.
kohle und einer zu Theisholz mit Holzkohle und Koks, alle übrigen
hütteten nur mit Holzkohlen. Ungarn besaſs groſse Waldungen, die
aber meist von den Erzgebieten entfernt lagen. Das Stahlwerk zu
Reschitza hatte vier Konverter und zwei Martinöfen. Ein zweites
Fluſsstahlwerk war zu Diosgyör entstanden mit zwei Konvertern und
zwei Martinöfen. Das Bessemerroheisen lieferten die oberungarischen
Schmelzwerke. Zu Salgó-Tarjan wurden Holzgasöfen betrieben. Tiegel-
schmelzöfen mit Regenerativfeuerung waren in Kudsir. Hier und zu
Brezova wurde auch Frisch- und Puddelstahl gemacht. Der Verbrauch
von Schmiedeeisen in Ungarn betrug 1882 92880 Tonnen, von Guſs-
waren 40947 Tonnen, hierzu kam noch der Eisenverbrauch für Eisen-
bahnen von etwa 77000 Tonnen.

1883 schlug J. v. Ehrenwerth die Regenerirung der Gichtgase
vor. Moser führte seine Gasröstöfen in Steiermark ein, Sailler in
Witkowitz Gasgeneratoren mit kontinuierlichem Betrieb. Springer
baute seinen Doppel-Puddelofen mit Regenerativfeuerung auf der
Hermannshütte in Böhmen; K. Wittgenstein und A. Kurzwernhart
betrieben in Teplitz die Fabrikation von Fluſsstahlschienen mit Braun-
kohlen.

1885 führte Hupfeld in Prävali die Kleinbessemerei in Clapp-
Griffith-Öfen mit Erfolg ein. 1886 wurde diese auch zu Bikas und
Altsohl in Ungarn für die Herstellung von Fluſsstahlblechen auf-
genommen. 1885 stellte man zu Eibiswalde Chromstahl, zu Witkowitz
Nickelstahl im Martinofen dar; Mangan- und Wolframguſsstahl lieferte
Kapfenberg.

Der Aufschwung der Eisenindustrie Ungarns war um diese Zeit
sehr bedeutend und viele wichtige Neuerungen kamen zur Einführung.
Annina hatte 1884 zwei Hochöfen im Feuer, wovon der eine nur mit Koks,
der andere zu zwei Dritteln mit Holzkohle und zu einem Drittel mit roher
Steinkohle (Liaskohle) betrieben wurde. Die Winderhitzung geschah
in drei Whitwell-Apparaten, die Winderzeugung durch ein vertikales
Cylindergebläse von der Gesellschaft John Cockerill in Seraing. Das
Werk hatte eine bedeutende Gieſserei, hauptsächlich für Ofen- und
Röhrenguſs mit 440 Arbeitern. Das Puddel- und Walzwerk hatte
14 Puddel- und 11 Schweiſsöfen, die etwa 10000 Tonnen Schweiſs-
eisen lieferten. Das Walzwerk zu Brezova hatte vierthürige Puddel-
öfen nach dem System Kerpely und 10 Gasschweiſsöfen, die durch
vier Koksgeneratoren gespeist wurden. Eine Spezialität des Werkes
war die Fabrikation gezogener und gewalzter Röhren für Siede- und
Gasröhren. Das Ticzolczer Eisenwerk im Gömörer Komitat hatte zwei

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[1154/1170] Österreich-Ungarn. kohle und einer zu Theisholz mit Holzkohle und Koks, alle übrigen hütteten nur mit Holzkohlen. Ungarn besaſs groſse Waldungen, die aber meist von den Erzgebieten entfernt lagen. Das Stahlwerk zu Reschitza hatte vier Konverter und zwei Martinöfen. Ein zweites Fluſsstahlwerk war zu Diosgyör entstanden mit zwei Konvertern und zwei Martinöfen. Das Bessemerroheisen lieferten die oberungarischen Schmelzwerke. Zu Salgó-Tarjan wurden Holzgasöfen betrieben. Tiegel- schmelzöfen mit Regenerativfeuerung waren in Kudsir. Hier und zu Brezova wurde auch Frisch- und Puddelstahl gemacht. Der Verbrauch von Schmiedeeisen in Ungarn betrug 1882 92880 Tonnen, von Guſs- waren 40947 Tonnen, hierzu kam noch der Eisenverbrauch für Eisen- bahnen von etwa 77000 Tonnen. 1883 schlug J. v. Ehrenwerth die Regenerirung der Gichtgase vor. Moser führte seine Gasröstöfen in Steiermark ein, Sailler in Witkowitz Gasgeneratoren mit kontinuierlichem Betrieb. Springer baute seinen Doppel-Puddelofen mit Regenerativfeuerung auf der Hermannshütte in Böhmen; K. Wittgenstein und A. Kurzwernhart betrieben in Teplitz die Fabrikation von Fluſsstahlschienen mit Braun- kohlen. 1885 führte Hupfeld in Prävali die Kleinbessemerei in Clapp- Griffith-Öfen mit Erfolg ein. 1886 wurde diese auch zu Bikas und Altsohl in Ungarn für die Herstellung von Fluſsstahlblechen auf- genommen. 1885 stellte man zu Eibiswalde Chromstahl, zu Witkowitz Nickelstahl im Martinofen dar; Mangan- und Wolframguſsstahl lieferte Kapfenberg. Der Aufschwung der Eisenindustrie Ungarns war um diese Zeit sehr bedeutend und viele wichtige Neuerungen kamen zur Einführung. Annina hatte 1884 zwei Hochöfen im Feuer, wovon der eine nur mit Koks, der andere zu zwei Dritteln mit Holzkohle und zu einem Drittel mit roher Steinkohle (Liaskohle) betrieben wurde. Die Winderhitzung geschah in drei Whitwell-Apparaten, die Winderzeugung durch ein vertikales Cylindergebläse von der Gesellschaft John Cockerill in Seraing. Das Werk hatte eine bedeutende Gieſserei, hauptsächlich für Ofen- und Röhrenguſs mit 440 Arbeitern. Das Puddel- und Walzwerk hatte 14 Puddel- und 11 Schweiſsöfen, die etwa 10000 Tonnen Schweiſs- eisen lieferten. Das Walzwerk zu Brezova hatte vierthürige Puddel- öfen nach dem System Kerpely und 10 Gasschweiſsöfen, die durch vier Koksgeneratoren gespeist wurden. Eine Spezialität des Werkes war die Fabrikation gezogener und gewalzter Röhren für Siede- und Gasröhren. Das Ticzolczer Eisenwerk im Gömörer Komitat hatte zwei

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 1154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/1170>, abgerufen am 16.07.2024.