Die übrigen Länder Europas haben für die Geschichte der Eisen- industrie nur untergeordnete Bedeutung.
Norwegen, dessen Eisenerzeugung im 18. Jahrhundert noch be- deutend war, musste dieselbe infolge der Konkurrenz des billigeren englischen Steinkohlenroheisens immer mehr einschränken. 1872 sollen noch in 18 kleineren Eisenhüttenwerken mit etwa 1300 Arbeitern 6250 Tonnen Roheisen, in neun Eisengiessereien 1750 Tonnen Guss- waren und in verschiedenen Frischhütten 4000 Tonnen Stabeisen mit Holz und Holzkohlen erzeugt worden sein. Dies entsprach un- gefähr dem halben Bedarf. Es mussten 6200 Tonnen Eisen und Stahl eingeführt werden. Seit 1895 wurden in Norwegen nur noch etwa 400 Tonnen Roheisen jährlich erzeugt. Die Einfuhr von Eisen und Eisenwaren betrug dagegen 1891 13414 Tonnen, 1897: 19757 Tonnen. Der Eisenbedarf des Landes ist nicht bedeutend, weil die Entwicke- lung der Eisenbahnen infolge der Terrainschwierigkeiten und der zer- streuten Lage der Ansiedelungen im Innern des Landes nur eine ge- ringe ist. 1899 betrug die gesamte Länge der norwegischen Bahnen 1952 km, wovon 1802 km Staatsbahnen waren. Es kamen nur 60 km Eisenbahn auf 10000 qkm, es war dies das niedrigste Verhältnis in Europa. Arendal ist der Mittelpunkt der norwegischen Eisengewinnung. Die wenigen Hochöfen, die noch betrieben werden, verschmelzen Magnetit von Arendal. Zu Nas befindet sich ein Tiegelstahlschmelz- werk. Einen hoffnungsvollen Ausblick in die Zukunft gewährt die im Frühjahr 1898 beschlossene Fortsetzung der Lulea-Gellivara-Eisenbahn bis zur norwegischen Küste bei Ofoten 1). Dadurch sollen die reichen Eisensteinlager von Kirunavaara und Luossavaara erschlossen und einem eisfreien Hafen an der Nordsee zugeführt werden. Die ein- gleisige Lulea-Gellivarabahn reicht hierfür nicht aus und ausser- dem leidet der Hafen von Lulea an dem grossen Missstand, dass er wegen der Eisverhältnisse nur die Hälfte des Jahres zu benutzen ist. Ist die Bahn Lulea-Ofoten erst eröffnet und sind die reichen Magnet- eisensteinlager im Innern Nordschwedens genügend erschlossen, so kann sich an der norwegischen Küste bei Ofoten eine Eisenindustrie ähnlich wie bei Bilbao entwickeln, indem die englischen Erzschiffe gern Steinkohlen als Rückfracht zu billigen Sätzen verladen werden. Ausserdem befinden sich im nördlichen Norwegen in Dunderland aus-
1) Stahl und Eisen 1899.
Norwegen.
Die übrigen Länder Europas.
Die übrigen Länder Europas haben für die Geschichte der Eisen- industrie nur untergeordnete Bedeutung.
Norwegen, dessen Eisenerzeugung im 18. Jahrhundert noch be- deutend war, muſste dieselbe infolge der Konkurrenz des billigeren englischen Steinkohlenroheisens immer mehr einschränken. 1872 sollen noch in 18 kleineren Eisenhüttenwerken mit etwa 1300 Arbeitern 6250 Tonnen Roheisen, in neun Eisengieſsereien 1750 Tonnen Guſs- waren und in verschiedenen Frischhütten 4000 Tonnen Stabeisen mit Holz und Holzkohlen erzeugt worden sein. Dies entsprach un- gefähr dem halben Bedarf. Es muſsten 6200 Tonnen Eisen und Stahl eingeführt werden. Seit 1895 wurden in Norwegen nur noch etwa 400 Tonnen Roheisen jährlich erzeugt. Die Einfuhr von Eisen und Eisenwaren betrug dagegen 1891 13414 Tonnen, 1897: 19757 Tonnen. Der Eisenbedarf des Landes ist nicht bedeutend, weil die Entwicke- lung der Eisenbahnen infolge der Terrainschwierigkeiten und der zer- streuten Lage der Ansiedelungen im Innern des Landes nur eine ge- ringe ist. 1899 betrug die gesamte Länge der norwegischen Bahnen 1952 km, wovon 1802 km Staatsbahnen waren. Es kamen nur 60 km Eisenbahn auf 10000 qkm, es war dies das niedrigste Verhältnis in Europa. Arendal ist der Mittelpunkt der norwegischen Eisengewinnung. Die wenigen Hochöfen, die noch betrieben werden, verschmelzen Magnetit von Arendal. Zu Nås befindet sich ein Tiegelstahlschmelz- werk. Einen hoffnungsvollen Ausblick in die Zukunft gewährt die im Frühjahr 1898 beschlossene Fortsetzung der Luleå-Gellivara-Eisenbahn bis zur norwegischen Küste bei Ofoten 1). Dadurch sollen die reichen Eisensteinlager von Kirunavaara und Luossavaara erschlossen und einem eisfreien Hafen an der Nordsee zugeführt werden. Die ein- gleisige Luleå-Gellivarabahn reicht hierfür nicht aus und auſser- dem leidet der Hafen von Luleå an dem groſsen Miſsstand, daſs er wegen der Eisverhältnisse nur die Hälfte des Jahres zu benutzen ist. Ist die Bahn Luleå-Ofoten erst eröffnet und sind die reichen Magnet- eisensteinlager im Innern Nordschwedens genügend erschlossen, so kann sich an der norwegischen Küste bei Ofoten eine Eisenindustrie ähnlich wie bei Bilbao entwickeln, indem die englischen Erzschiffe gern Steinkohlen als Rückfracht zu billigen Sätzen verladen werden. Auſserdem befinden sich im nördlichen Norwegen in Dunderland aus-
1) Stahl und Eisen 1899.
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f1279"n="1263"/><fwplace="top"type="header">Norwegen.</fw><lb/><divn="2"><head><hirendition="#b">Die übrigen Länder Europas.</hi></head><lb/><p>Die übrigen Länder Europas haben für die Geschichte der Eisen-<lb/>
industrie nur untergeordnete Bedeutung.</p><lb/><p><hirendition="#g">Norwegen</hi>, dessen Eisenerzeugung im 18. Jahrhundert noch be-<lb/>
deutend war, muſste dieselbe infolge der Konkurrenz des billigeren<lb/>
englischen Steinkohlenroheisens immer mehr einschränken. 1872 sollen<lb/>
noch in 18 kleineren Eisenhüttenwerken mit etwa 1300 Arbeitern<lb/>
6250 Tonnen Roheisen, in neun Eisengieſsereien 1750 Tonnen Guſs-<lb/>
waren und in verschiedenen Frischhütten 4000 Tonnen Stabeisen<lb/>
mit Holz und Holzkohlen erzeugt worden sein. Dies entsprach un-<lb/>
gefähr dem halben Bedarf. Es muſsten 6200 Tonnen Eisen und Stahl<lb/>
eingeführt werden. Seit 1895 wurden in Norwegen nur noch etwa<lb/>
400 Tonnen Roheisen jährlich erzeugt. Die Einfuhr von Eisen und<lb/>
Eisenwaren betrug dagegen 1891 13414 Tonnen, 1897: 19757 Tonnen.<lb/>
Der Eisenbedarf des Landes ist nicht bedeutend, weil die Entwicke-<lb/>
lung der Eisenbahnen infolge der Terrainschwierigkeiten und der zer-<lb/>
streuten Lage der Ansiedelungen im Innern des Landes nur eine ge-<lb/>
ringe ist. 1899 betrug die gesamte Länge der norwegischen Bahnen<lb/>
1952 km, wovon 1802 km Staatsbahnen waren. Es kamen nur 60 km<lb/>
Eisenbahn auf 10000 qkm, es war dies das niedrigste Verhältnis in<lb/>
Europa. Arendal ist der Mittelpunkt der norwegischen Eisengewinnung.<lb/>
Die wenigen Hochöfen, die noch betrieben werden, verschmelzen<lb/>
Magnetit von Arendal. Zu Nås befindet sich ein Tiegelstahlschmelz-<lb/>
werk. Einen hoffnungsvollen Ausblick in die Zukunft gewährt die im<lb/>
Frühjahr 1898 beschlossene Fortsetzung der Luleå-Gellivara-Eisenbahn<lb/>
bis zur norwegischen Küste bei Ofoten <noteplace="foot"n="1)">Stahl und Eisen 1899.</note>. Dadurch sollen die reichen<lb/>
Eisensteinlager von Kirunavaara und Luossavaara erschlossen und<lb/>
einem eisfreien Hafen an der Nordsee zugeführt werden. Die ein-<lb/>
gleisige Luleå-Gellivarabahn reicht hierfür nicht aus und auſser-<lb/>
dem leidet der Hafen von Luleå an dem groſsen Miſsstand, daſs er<lb/>
wegen der Eisverhältnisse nur die Hälfte des Jahres zu benutzen ist. Ist<lb/>
die Bahn Luleå-Ofoten erst eröffnet und sind die reichen Magnet-<lb/>
eisensteinlager im Innern Nordschwedens genügend erschlossen, so<lb/>
kann sich an der norwegischen Küste bei Ofoten eine Eisenindustrie<lb/>
ähnlich wie bei Bilbao entwickeln, indem die englischen Erzschiffe<lb/>
gern Steinkohlen als Rückfracht zu billigen Sätzen verladen werden.<lb/>
Auſserdem befinden sich im nördlichen Norwegen in Dunderland aus-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[1263/1279]
Norwegen.
Die übrigen Länder Europas.
Die übrigen Länder Europas haben für die Geschichte der Eisen-
industrie nur untergeordnete Bedeutung.
Norwegen, dessen Eisenerzeugung im 18. Jahrhundert noch be-
deutend war, muſste dieselbe infolge der Konkurrenz des billigeren
englischen Steinkohlenroheisens immer mehr einschränken. 1872 sollen
noch in 18 kleineren Eisenhüttenwerken mit etwa 1300 Arbeitern
6250 Tonnen Roheisen, in neun Eisengieſsereien 1750 Tonnen Guſs-
waren und in verschiedenen Frischhütten 4000 Tonnen Stabeisen
mit Holz und Holzkohlen erzeugt worden sein. Dies entsprach un-
gefähr dem halben Bedarf. Es muſsten 6200 Tonnen Eisen und Stahl
eingeführt werden. Seit 1895 wurden in Norwegen nur noch etwa
400 Tonnen Roheisen jährlich erzeugt. Die Einfuhr von Eisen und
Eisenwaren betrug dagegen 1891 13414 Tonnen, 1897: 19757 Tonnen.
Der Eisenbedarf des Landes ist nicht bedeutend, weil die Entwicke-
lung der Eisenbahnen infolge der Terrainschwierigkeiten und der zer-
streuten Lage der Ansiedelungen im Innern des Landes nur eine ge-
ringe ist. 1899 betrug die gesamte Länge der norwegischen Bahnen
1952 km, wovon 1802 km Staatsbahnen waren. Es kamen nur 60 km
Eisenbahn auf 10000 qkm, es war dies das niedrigste Verhältnis in
Europa. Arendal ist der Mittelpunkt der norwegischen Eisengewinnung.
Die wenigen Hochöfen, die noch betrieben werden, verschmelzen
Magnetit von Arendal. Zu Nås befindet sich ein Tiegelstahlschmelz-
werk. Einen hoffnungsvollen Ausblick in die Zukunft gewährt die im
Frühjahr 1898 beschlossene Fortsetzung der Luleå-Gellivara-Eisenbahn
bis zur norwegischen Küste bei Ofoten 1). Dadurch sollen die reichen
Eisensteinlager von Kirunavaara und Luossavaara erschlossen und
einem eisfreien Hafen an der Nordsee zugeführt werden. Die ein-
gleisige Luleå-Gellivarabahn reicht hierfür nicht aus und auſser-
dem leidet der Hafen von Luleå an dem groſsen Miſsstand, daſs er
wegen der Eisverhältnisse nur die Hälfte des Jahres zu benutzen ist. Ist
die Bahn Luleå-Ofoten erst eröffnet und sind die reichen Magnet-
eisensteinlager im Innern Nordschwedens genügend erschlossen, so
kann sich an der norwegischen Küste bei Ofoten eine Eisenindustrie
ähnlich wie bei Bilbao entwickeln, indem die englischen Erzschiffe
gern Steinkohlen als Rückfracht zu billigen Sätzen verladen werden.
Auſserdem befinden sich im nördlichen Norwegen in Dunderland aus-
1) Stahl und Eisen 1899.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 1263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/1279>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.