Asien, der grösste Weltteil, reich gesegnet mit Eisenerzen und Steinkohlen, spielt doch nur eine sehr untergeordnete Rolle in der neueren Geschichte des Eisens. Durch die Initiative der russischen Regierung hat die moderne Eisenindustrie in Sibirien Wurzel ge- schlagen. Hierüber ist in dem Abschnitt "Russland" schon berichtet worden. In dem ganzen weiten Gebiet des mohammedanischen Asiens sind die Verhältnisse nicht über die sozusagen prähistorischen Zu- stände, wie wir sie bei der Türkei geschildert haben, hinausgekommen, obgleich dieses Gebiet die ältesten Heimstätten der Eisenindustrie in sich schliesst. Nirgends hat die asiatische Kultur aus sich selbst heraus Fortschritte der Eisenindustrie geschaffen; wo solche zu ver- zeichnen sind, wurden sie von Europäern eingeführt.
China, das Riesenreich, dessen Reichtum an Steinkohlen und Eisen- erzen unermesslich ist, hat nur sehr geringe Fortschritte aufzuweisen, die nicht weiter als bis zum Jahre 1867 zurückreichen. Damals 1) wurde das Arsenal zu Fu-Tschau in der Provinz Fukien teilweise nach europäischem Muster eingerichtet. Es erhielt eine Giesserei, Schmiede, Walzwerk und Kesselschmiede und beschäftigte an 800 Eisen- arbeiter, doch hatte es keine eigene Eisenerzeugung, bezog vielmehr Roh- und Gusseisen, Bleche u. s. w. aus England, kaufte in den Häfen altes Eisen und von den chinesischen Hütten schmiedbares Eisen auf. Letzteres wurde aus Magneteisensand, der durch Waschen bis auf 50 Prozent angereichert wurde, in kleinen 5 bis 6 Fuss hohen Öfen, welche den Wind aus hölzernen, von Menschen betriebenen Gebläsen erhielten, mit gleichen Gewichtsteilen Holzkohlen auf eine Art Roh- eisen verschmolzen, wobei etwa 30 Prozent Eisen aus den Erzen aus- gebracht wurde. Dieses Eisen wurde in denselben Öfen raffiniert und man erhielt aus 100 Roheisen mit 50 Holzkohlen etwa 83 Gewichts- teile schmiedbares Eisen, das unter Handhämmern zu kleinen Schienen abgeschmiedet in den Handel kam. Das Arsenal zu Fu-Tschau be- zahlte für 100 Kilo dieses Materials 271/2 Frcs.
Diese Anstalt blieb längere Zeit die einzige ihrer Art in China, indes nahm die Eiseneinfuhr mit jedem Jahr zu, und darin zeigte
1) Officieller Weltausstellungsbericht von 1873. -- Franz Kuppelwieser, Das Hüttenwesen, S. 88.
Asien.
Asien.
Asien, der gröſste Weltteil, reich gesegnet mit Eisenerzen und Steinkohlen, spielt doch nur eine sehr untergeordnete Rolle in der neueren Geschichte des Eisens. Durch die Initiative der russischen Regierung hat die moderne Eisenindustrie in Sibirien Wurzel ge- schlagen. Hierüber ist in dem Abschnitt „Ruſsland“ schon berichtet worden. In dem ganzen weiten Gebiet des mohammedanischen Asiens sind die Verhältnisse nicht über die sozusagen prähistorischen Zu- stände, wie wir sie bei der Türkei geschildert haben, hinausgekommen, obgleich dieses Gebiet die ältesten Heimstätten der Eisenindustrie in sich schlieſst. Nirgends hat die asiatische Kultur aus sich selbst heraus Fortschritte der Eisenindustrie geschaffen; wo solche zu ver- zeichnen sind, wurden sie von Europäern eingeführt.
China, das Riesenreich, dessen Reichtum an Steinkohlen und Eisen- erzen unermeſslich ist, hat nur sehr geringe Fortschritte aufzuweisen, die nicht weiter als bis zum Jahre 1867 zurückreichen. Damals 1) wurde das Arsenal zu Fu-Tschau in der Provinz Fukien teilweise nach europäischem Muster eingerichtet. Es erhielt eine Gieſserei, Schmiede, Walzwerk und Kesselschmiede und beschäftigte an 800 Eisen- arbeiter, doch hatte es keine eigene Eisenerzeugung, bezog vielmehr Roh- und Guſseisen, Bleche u. s. w. aus England, kaufte in den Häfen altes Eisen und von den chinesischen Hütten schmiedbares Eisen auf. Letzteres wurde aus Magneteisensand, der durch Waschen bis auf 50 Prozent angereichert wurde, in kleinen 5 bis 6 Fuſs hohen Öfen, welche den Wind aus hölzernen, von Menschen betriebenen Gebläsen erhielten, mit gleichen Gewichtsteilen Holzkohlen auf eine Art Roh- eisen verschmolzen, wobei etwa 30 Prozent Eisen aus den Erzen aus- gebracht wurde. Dieses Eisen wurde in denselben Öfen raffiniert und man erhielt aus 100 Roheisen mit 50 Holzkohlen etwa 83 Gewichts- teile schmiedbares Eisen, das unter Handhämmern zu kleinen Schienen abgeschmiedet in den Handel kam. Das Arsenal zu Fu-Tschau be- zahlte für 100 Kilo dieses Materials 27½ Frcs.
Diese Anstalt blieb längere Zeit die einzige ihrer Art in China, indes nahm die Eiseneinfuhr mit jedem Jahr zu, und darin zeigte
1) Officieller Weltausstellungsbericht von 1873. — Franz Kuppelwieser, Das Hüttenwesen, S. 88.
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Asien.
Asien.
Asien, der gröſste Weltteil, reich gesegnet mit Eisenerzen und
Steinkohlen, spielt doch nur eine sehr untergeordnete Rolle in der
neueren Geschichte des Eisens. Durch die Initiative der russischen
Regierung hat die moderne Eisenindustrie in Sibirien Wurzel ge-
schlagen. Hierüber ist in dem Abschnitt „Ruſsland“ schon berichtet
worden. In dem ganzen weiten Gebiet des mohammedanischen Asiens
sind die Verhältnisse nicht über die sozusagen prähistorischen Zu-
stände, wie wir sie bei der Türkei geschildert haben, hinausgekommen,
obgleich dieses Gebiet die ältesten Heimstätten der Eisenindustrie in
sich schlieſst. Nirgends hat die asiatische Kultur aus sich selbst
heraus Fortschritte der Eisenindustrie geschaffen; wo solche zu ver-
zeichnen sind, wurden sie von Europäern eingeführt.
China, das Riesenreich, dessen Reichtum an Steinkohlen und Eisen-
erzen unermeſslich ist, hat nur sehr geringe Fortschritte aufzuweisen,
die nicht weiter als bis zum Jahre 1867 zurückreichen. Damals 1)
wurde das Arsenal zu Fu-Tschau in der Provinz Fukien teilweise
nach europäischem Muster eingerichtet. Es erhielt eine Gieſserei,
Schmiede, Walzwerk und Kesselschmiede und beschäftigte an 800 Eisen-
arbeiter, doch hatte es keine eigene Eisenerzeugung, bezog vielmehr
Roh- und Guſseisen, Bleche u. s. w. aus England, kaufte in den Häfen
altes Eisen und von den chinesischen Hütten schmiedbares Eisen auf.
Letzteres wurde aus Magneteisensand, der durch Waschen bis auf
50 Prozent angereichert wurde, in kleinen 5 bis 6 Fuſs hohen Öfen,
welche den Wind aus hölzernen, von Menschen betriebenen Gebläsen
erhielten, mit gleichen Gewichtsteilen Holzkohlen auf eine Art Roh-
eisen verschmolzen, wobei etwa 30 Prozent Eisen aus den Erzen aus-
gebracht wurde. Dieses Eisen wurde in denselben Öfen raffiniert und
man erhielt aus 100 Roheisen mit 50 Holzkohlen etwa 83 Gewichts-
teile schmiedbares Eisen, das unter Handhämmern zu kleinen Schienen
abgeschmiedet in den Handel kam. Das Arsenal zu Fu-Tschau be-
zahlte für 100 Kilo dieses Materials 27½ Frcs.
Diese Anstalt blieb längere Zeit die einzige ihrer Art in China,
indes nahm die Eiseneinfuhr mit jedem Jahr zu, und darin zeigte
1) Officieller Weltausstellungsbericht von 1873. — Franz Kuppelwieser,
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 1352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/1368>, abgerufen am 23.11.2024.
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