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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.
Arbeit unter Druck zu erzeugen, auch auf Schacht- und Flammöfen
übertragen, wovon später noch die Rede sein wird. Er hat ausserdem
ein besonderes Manometer für seine Hochdrucköfen erfunden.

Emil Müller nahm durch J. H. Johnson am 25. März 1869
ein englisches Patent auf ein Futter für Bessemerbirnen oder Martin-
öfen aus feuerfesten Magnesiaprodukten, aus Magnesia im Zustande
möglichster Reinheit
bestehend, an Stelle der gewöhnlichen feuer-
festen Materialien, die alle mehr oder weniger freie Kieselsäure ent-
halten. Durch Anwendung dieses Futters sollten verschiedene Ab-
weichungen der Reaktionen, welche den Übergang von Roheisen in
Stabeisen und Stahl begleiten, eintreten; das erzeugte Produkt wird
von Schwefel und Phosphor befreit und das Futter ist haltbarer. Das
Magnesiafutter würde eigentlich nur mechanisch angegriffen und
gestattete besser die Anwendung gewisser Oxydationsmittel, wie
namentlich die des Natron- und Kalisalpeters.

Um höher karbonisiertes Eisen zu erzeugen, schlug John Bust
vor, Petroleum oder andere Kohlenwasserstoffe einzublasen. Dieser
Vorschlag war nicht neu. Ramsbottom hatte bereits 1864 ein ähn-
liches Patent genommen und M. Mühlig hatte vorgeschlagen, Leucht-
gas in den Bessemerofen einzublasen. Erwähnung verdient dagegen
die erfolgreiche Anwendung von Graphit durch H. Brunner in
Leoben. Durch das Einblasen von Graphit während der schlacken-
bildenden Periode gelang es ihm auch, weisses und halbiertes Roheisen
mit Erfolg zu bessemern 1).

Die Versuche des Kapitäns Le Guen 2), Wolframbessemerstahl zu
erzeugen, wurden auf der Hütte zu Terre-Noire fortgesetzt. Man
schmolz weisses Roheisen im Kupolofen mit Wolframbriketts und
erhielt dadurch eine Legierung mit 9,21 Prozent Wolfram. Von dieser
wurde ein Zehntel statt Spiegeleisen der Bessemercharge zugesetzt.
Der erblasene Stahl enthielt 0,558 Prozent Wolfram. Das Material
zeichnete sich angeblich durch Weichheit und Zähigkeit aus und stand
gut im Feuer, war aber zu teuer.

Über eine verbesserte Anordnung der Bessemerbirnen und der
dazugehörigen Schmelz- und Giessgefässe hat H. Bessemer einen
Aufsatz veröffentlicht, auf den wir verweisen 3).


1) Siehe Österreich. Zeitschr. für das Berg- u. Hüttenwesen 1869, Nr. 2.
2) Compt. rend. LXVIII, 592.
3) Siehe Engineering 1869, p. 302; Berggeist 1869, Nr. 102; Dinglers Journal,
Bd. 195, S. 246.

Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870.
Arbeit unter Druck zu erzeugen, auch auf Schacht- und Flammöfen
übertragen, wovon später noch die Rede sein wird. Er hat auſserdem
ein besonderes Manometer für seine Hochdrucköfen erfunden.

Emil Müller nahm durch J. H. Johnson am 25. März 1869
ein englisches Patent auf ein Futter für Bessemerbirnen oder Martin-
öfen aus feuerfesten Magnesiaprodukten, aus Magnesia im Zustande
möglichster Reinheit
bestehend, an Stelle der gewöhnlichen feuer-
festen Materialien, die alle mehr oder weniger freie Kieselsäure ent-
halten. Durch Anwendung dieses Futters sollten verschiedene Ab-
weichungen der Reaktionen, welche den Übergang von Roheisen in
Stabeisen und Stahl begleiten, eintreten; das erzeugte Produkt wird
von Schwefel und Phosphor befreit und das Futter ist haltbarer. Das
Magnesiafutter würde eigentlich nur mechanisch angegriffen und
gestattete besser die Anwendung gewisser Oxydationsmittel, wie
namentlich die des Natron- und Kalisalpeters.

Um höher karbonisiertes Eisen zu erzeugen, schlug John Bust
vor, Petroleum oder andere Kohlenwasserstoffe einzublasen. Dieser
Vorschlag war nicht neu. Ramsbottom hatte bereits 1864 ein ähn-
liches Patent genommen und M. Mühlig hatte vorgeschlagen, Leucht-
gas in den Bessemerofen einzublasen. Erwähnung verdient dagegen
die erfolgreiche Anwendung von Graphit durch H. Brunner in
Leoben. Durch das Einblasen von Graphit während der schlacken-
bildenden Periode gelang es ihm auch, weiſses und halbiertes Roheisen
mit Erfolg zu bessemern 1).

Die Versuche des Kapitäns Le Guen 2), Wolframbessemerstahl zu
erzeugen, wurden auf der Hütte zu Terre-Noire fortgesetzt. Man
schmolz weiſses Roheisen im Kupolofen mit Wolframbriketts und
erhielt dadurch eine Legierung mit 9,21 Prozent Wolfram. Von dieser
wurde ein Zehntel statt Spiegeleisen der Bessemercharge zugesetzt.
Der erblasene Stahl enthielt 0,558 Prozent Wolfram. Das Material
zeichnete sich angeblich durch Weichheit und Zähigkeit aus und stand
gut im Feuer, war aber zu teuer.

Über eine verbesserte Anordnung der Bessemerbirnen und der
dazugehörigen Schmelz- und Gieſsgefäſse hat H. Bessemer einen
Aufsatz veröffentlicht, auf den wir verweisen 3).


1) Siehe Österreich. Zeitschr. für das Berg- u. Hüttenwesen 1869, Nr. 2.
2) Compt. rend. LXVIII, 592.
3) Siehe Engineering 1869, p. 302; Berggeist 1869, Nr. 102; Dinglers Journal,
Bd. 195, S. 246.
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[168/0184] Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870. Arbeit unter Druck zu erzeugen, auch auf Schacht- und Flammöfen übertragen, wovon später noch die Rede sein wird. Er hat auſserdem ein besonderes Manometer für seine Hochdrucköfen erfunden. Emil Müller nahm durch J. H. Johnson am 25. März 1869 ein englisches Patent auf ein Futter für Bessemerbirnen oder Martin- öfen aus feuerfesten Magnesiaprodukten, aus Magnesia im Zustande möglichster Reinheit bestehend, an Stelle der gewöhnlichen feuer- festen Materialien, die alle mehr oder weniger freie Kieselsäure ent- halten. Durch Anwendung dieses Futters sollten verschiedene Ab- weichungen der Reaktionen, welche den Übergang von Roheisen in Stabeisen und Stahl begleiten, eintreten; das erzeugte Produkt wird von Schwefel und Phosphor befreit und das Futter ist haltbarer. Das Magnesiafutter würde eigentlich nur mechanisch angegriffen und gestattete besser die Anwendung gewisser Oxydationsmittel, wie namentlich die des Natron- und Kalisalpeters. Um höher karbonisiertes Eisen zu erzeugen, schlug John Bust vor, Petroleum oder andere Kohlenwasserstoffe einzublasen. Dieser Vorschlag war nicht neu. Ramsbottom hatte bereits 1864 ein ähn- liches Patent genommen und M. Mühlig hatte vorgeschlagen, Leucht- gas in den Bessemerofen einzublasen. Erwähnung verdient dagegen die erfolgreiche Anwendung von Graphit durch H. Brunner in Leoben. Durch das Einblasen von Graphit während der schlacken- bildenden Periode gelang es ihm auch, weiſses und halbiertes Roheisen mit Erfolg zu bessemern 1). Die Versuche des Kapitäns Le Guen 2), Wolframbessemerstahl zu erzeugen, wurden auf der Hütte zu Terre-Noire fortgesetzt. Man schmolz weiſses Roheisen im Kupolofen mit Wolframbriketts und erhielt dadurch eine Legierung mit 9,21 Prozent Wolfram. Von dieser wurde ein Zehntel statt Spiegeleisen der Bessemercharge zugesetzt. Der erblasene Stahl enthielt 0,558 Prozent Wolfram. Das Material zeichnete sich angeblich durch Weichheit und Zähigkeit aus und stand gut im Feuer, war aber zu teuer. Über eine verbesserte Anordnung der Bessemerbirnen und der dazugehörigen Schmelz- und Gieſsgefäſse hat H. Bessemer einen Aufsatz veröffentlicht, auf den wir verweisen 3). 1) Siehe Österreich. Zeitschr. für das Berg- u. Hüttenwesen 1869, Nr. 2. 2) Compt. rend. LXVIII, 592. 3) Siehe Engineering 1869, p. 302; Berggeist 1869, Nr. 102; Dinglers Journal, Bd. 195, S. 246.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/184>, abgerufen am 26.11.2024.