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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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Chemie.
gehenden Kohlenoxydgasentwickelung. Doch enthält auch das aus
überblasenem Bessemer- und Thomasflusseisen austretende Gas 8,8 bis
35 Prozent Kohlenoxydgas, während nach dem Zusatz von Ferro-
mangan 34 bis 77,3 Prozent Kohlenoxydgas darin nachweisbar sind.
Das Kohlenoxydgas tritt aber vor dem Erstarren aus, wodurch
Spritzen- und Blasenbildung entsteht. Silicium, Mangan und Alu-
minium wirken durch Reduktion des Kohlenoxydgases dem entgegen.

Dass Kohlenoxyd mit dem Eisen unter besonderen Bedingungen
eine chemische Verbindung, Eisenkarbonyl, Fe (CO)5, bildet, wurde
1891 von Mond und Quincke nachgewiesen, hat aber für das
Hüttenwesen vorläufig keine Bedeutung.

Von grosser Wichtigkeit für den Hochofenprozess ist dagegen die
Thatsache, dass Kohlenoxyd bei Berührung mit Eisenoxyd in einer
Temperatur von 300° bis 400° C. in Kohlensäure und Kohlenstoff
zerfällt (2 CO = CO2 + C), wobei Kohle abgeschieden wird. Schon
1851 hatte Stammer eine Abscheidung von Kohle beim Überleiten
von Kohlenoxydgas über glühendes Eisen beobachtet. Auch wurden
schon früher öfter Kohlenausscheidungen im Hochofen, besonders in
Fugen der inneren Ofenwände, beobachtet. Aber erst 1871 wurde
diese zuerst von Lowthian Bell beobachtete Erscheinung 1) von
Gruner 2) genauer in Bezug auf den Hochofenprozess untersucht und
nachgewiesen, dass Eisen diese Ausscheidung nur dann bewirkt, wenn
gleichzeitig Oxyd anwesend ist. Weitere Untersuchungen dieses sonder-
baren Vorganges rühren von Ledebur 3) und Akerman 4) her 5).



Die chemische Analyse des Eisens, der Eisenerze, Zuschläge,
Schlacken, Gase u. s. w. hat eine so grosse Bedeutung für die Eisen-
industrie gewonnen, dass ihre Fortschritte als ein Teil der Geschichte
des Eisens behandelt werden müssen, wobei wir uns allerdings nur
auf das Wichtigste beschränken können.

Die chemische Analyse des Eisens hat sich nach zwei Richtungen
entwickelt, nach der rein wissenschaftlichen, welche höchste Genauig-
keit erstrebt, und nach der praktischen, welche möglichste Genauigkeit

1) Siehe Journ. of the Iron and Steel Inst. 1872, I, 43.
2) Siehe Annales de chimie et de physique, ser 4, XXVI, 5, und Annales des
Mines, ser. 7, XV, 108.
3) Siehe Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1877, S. 277.
4) Siehe Stahl und Eisen 1883, S. 157.
5) Weitere litterarische Nachweise zu diesem Kapitel findet man in A. Ledebur,
Handbuch der Eisenhüttenkunde 1899, S. 351.

Chemie.
gehenden Kohlenoxydgasentwickelung. Doch enthält auch das aus
überblasenem Bessemer- und Thomasfluſseisen austretende Gas 8,8 bis
35 Prozent Kohlenoxydgas, während nach dem Zusatz von Ferro-
mangan 34 bis 77,3 Prozent Kohlenoxydgas darin nachweisbar sind.
Das Kohlenoxydgas tritt aber vor dem Erstarren aus, wodurch
Spritzen- und Blasenbildung entsteht. Silicium, Mangan und Alu-
minium wirken durch Reduktion des Kohlenoxydgases dem entgegen.

Daſs Kohlenoxyd mit dem Eisen unter besonderen Bedingungen
eine chemische Verbindung, Eisenkarbonyl, Fe (CO)5, bildet, wurde
1891 von Mond und Quincke nachgewiesen, hat aber für das
Hüttenwesen vorläufig keine Bedeutung.

Von groſser Wichtigkeit für den Hochofenprozeſs ist dagegen die
Thatsache, daſs Kohlenoxyd bei Berührung mit Eisenoxyd in einer
Temperatur von 300° bis 400° C. in Kohlensäure und Kohlenstoff
zerfällt (2 CO = CO2 + C), wobei Kohle abgeschieden wird. Schon
1851 hatte Stammer eine Abscheidung von Kohle beim Überleiten
von Kohlenoxydgas über glühendes Eisen beobachtet. Auch wurden
schon früher öfter Kohlenausscheidungen im Hochofen, besonders in
Fugen der inneren Ofenwände, beobachtet. Aber erst 1871 wurde
diese zuerst von Lowthian Bell beobachtete Erscheinung 1) von
Gruner 2) genauer in Bezug auf den Hochofenprozeſs untersucht und
nachgewiesen, daſs Eisen diese Ausscheidung nur dann bewirkt, wenn
gleichzeitig Oxyd anwesend ist. Weitere Untersuchungen dieses sonder-
baren Vorganges rühren von Ledebur 3) und Åkerman 4) her 5).



Die chemische Analyse des Eisens, der Eisenerze, Zuschläge,
Schlacken, Gase u. s. w. hat eine so groſse Bedeutung für die Eisen-
industrie gewonnen, daſs ihre Fortschritte als ein Teil der Geschichte
des Eisens behandelt werden müssen, wobei wir uns allerdings nur
auf das Wichtigste beschränken können.

Die chemische Analyse des Eisens hat sich nach zwei Richtungen
entwickelt, nach der rein wissenschaftlichen, welche höchste Genauig-
keit erstrebt, und nach der praktischen, welche möglichste Genauigkeit

1) Siehe Journ. of the Iron and Steel Inst. 1872, I, 43.
2) Siehe Annales de chimie et de physique, sér 4, XXVI, 5, und Annales des
Mines, sér. 7, XV, 108.
3) Siehe Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1877, S. 277.
4) Siehe Stahl und Eisen 1883, S. 157.
5) Weitere litterarische Nachweise zu diesem Kapitel findet man in A. Ledebur,
Handbuch der Eisenhüttenkunde 1899, S. 351.
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[354/0370] Chemie. gehenden Kohlenoxydgasentwickelung. Doch enthält auch das aus überblasenem Bessemer- und Thomasfluſseisen austretende Gas 8,8 bis 35 Prozent Kohlenoxydgas, während nach dem Zusatz von Ferro- mangan 34 bis 77,3 Prozent Kohlenoxydgas darin nachweisbar sind. Das Kohlenoxydgas tritt aber vor dem Erstarren aus, wodurch Spritzen- und Blasenbildung entsteht. Silicium, Mangan und Alu- minium wirken durch Reduktion des Kohlenoxydgases dem entgegen. Daſs Kohlenoxyd mit dem Eisen unter besonderen Bedingungen eine chemische Verbindung, Eisenkarbonyl, Fe (CO)5, bildet, wurde 1891 von Mond und Quincke nachgewiesen, hat aber für das Hüttenwesen vorläufig keine Bedeutung. Von groſser Wichtigkeit für den Hochofenprozeſs ist dagegen die Thatsache, daſs Kohlenoxyd bei Berührung mit Eisenoxyd in einer Temperatur von 300° bis 400° C. in Kohlensäure und Kohlenstoff zerfällt (2 CO = CO2 + C), wobei Kohle abgeschieden wird. Schon 1851 hatte Stammer eine Abscheidung von Kohle beim Überleiten von Kohlenoxydgas über glühendes Eisen beobachtet. Auch wurden schon früher öfter Kohlenausscheidungen im Hochofen, besonders in Fugen der inneren Ofenwände, beobachtet. Aber erst 1871 wurde diese zuerst von Lowthian Bell beobachtete Erscheinung 1) von Gruner 2) genauer in Bezug auf den Hochofenprozeſs untersucht und nachgewiesen, daſs Eisen diese Ausscheidung nur dann bewirkt, wenn gleichzeitig Oxyd anwesend ist. Weitere Untersuchungen dieses sonder- baren Vorganges rühren von Ledebur 3) und Åkerman 4) her 5). Die chemische Analyse des Eisens, der Eisenerze, Zuschläge, Schlacken, Gase u. s. w. hat eine so groſse Bedeutung für die Eisen- industrie gewonnen, daſs ihre Fortschritte als ein Teil der Geschichte des Eisens behandelt werden müssen, wobei wir uns allerdings nur auf das Wichtigste beschränken können. Die chemische Analyse des Eisens hat sich nach zwei Richtungen entwickelt, nach der rein wissenschaftlichen, welche höchste Genauig- keit erstrebt, und nach der praktischen, welche möglichste Genauigkeit 1) Siehe Journ. of the Iron and Steel Inst. 1872, I, 43. 2) Siehe Annales de chimie et de physique, sér 4, XXVI, 5, und Annales des Mines, sér. 7, XV, 108. 3) Siehe Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1877, S. 277. 4) Siehe Stahl und Eisen 1883, S. 157. 5) Weitere litterarische Nachweise zu diesem Kapitel findet man in A. Ledebur, Handbuch der Eisenhüttenkunde 1899, S. 351.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/370>, abgerufen am 24.11.2024.