Fig. 137 ist der in Nadeln anschiessende Martensit.
Fig. 138 ist der in runden verschwommeneren Linien erscheinende Perlit (Troostit), und
Fig. 139 zeigt Cementit (Karbid) im Relief gegen Perlit.
Die Entstehung des Kleingefüges des Eisens und dessen Wieder- gabe mit Hülfe des Mikroskops trug dazu bei, den Schleier von dem geheimnisvollen Wesen des Eisens und seinen vielfältigen Eigen- schaften etwas zu lüften. Doch nur unter Mithülfe von Chemie und Physik konnte diese Aufgabe gelöst werden. Es entstand eine ganz neue Wissenschaft, die allzu beschränkt als "Metallographie" bezeichnet wird 1), deren Aufgabe darin besteht, das Kleingefüge, dessen Ent- stehung, Veränderung und Ursachen und weiterhin das innerste Wesen der Metalle zu erforschen. Die Thermochemie ist hierfür das wichtigste Hülfsmittel.
Man erkannte es immer deutlicher, dass die Eisensorten des Handels als Lösungen und Legierungen aufzufassen seien, deren Verständnis deshalb von grösster Wichtigkeit sei. Zur Förderung desselben setzte das Iron and Steel Institute in England eine be- sondere Abordnung -- das Alloys Research Committee -- ein, welches bereits eine Reihe wichtiger Berichte veröffentlicht hat. Aber nicht nur in England, sondern in Frankreich, Deutschland, Österreich, den Vereinigten Staaten und in Russland beteiligten sich hervorragende Gelehrte an diesen Arbeiten. Es ist nicht möglich, diese Unter- suchungen im einzelnen zu besprechen. Sie haben bereits viele Auf- schlüsse gegeben, zugleich aber auch gezeigt, wie schwierig und ver- wickelt die Erscheinungen sind. Deshalb sind die Ergebnisse für die Praxis bis jetzt erst gering. Unzweifelhaft hat aber diese Wissenschaft eine wichtige Bedeutung für die Zukunft und wird, wenn sie erst noch weiter ausgebaut sein wird, auch für die Technik von Nutzen werden.
Um die Ergebnisse der Untersuchungen der letzten Jahre, etwa seit 1895, zu verstehen und in gedrängter Kürze vorzuführen, fasst man am besten mit H. von Jüptner die Eisensorten als Lösungen von Kohlenstoff in Eisen auf 2). Die Löslichkeit des Kohlenstoffs in Eisen wächst mit der Temperatur. Sie beträgt:
bei 3500° C. 40,00 Prozent (nach Moissan)
" ca. 1200° C. 4,63 " (nach Percy)
" 1050° C. 1,50 " (nach Royston)
" 700° C. 0,90 " (nach Arnold)
1) In England erscheint hierfür eine besondere Zeitschrift "The Metallographist".
2) Siehe Stahl und Eisen 1898, S. 506 etc.
Beck, Geschichte des Eisens. 25
Physik des Eisens seit 1871.
Fig. 137 ist der in Nadeln anschieſsende Martensit.
Fig. 138 ist der in runden verschwommeneren Linien erscheinende Perlit (Troostit), und
Fig. 139 zeigt Cementit (Karbid) im Relief gegen Perlit.
Die Entstehung des Kleingefüges des Eisens und dessen Wieder- gabe mit Hülfe des Mikroskops trug dazu bei, den Schleier von dem geheimnisvollen Wesen des Eisens und seinen vielfältigen Eigen- schaften etwas zu lüften. Doch nur unter Mithülfe von Chemie und Physik konnte diese Aufgabe gelöst werden. Es entstand eine ganz neue Wissenschaft, die allzu beschränkt als „Metallographie“ bezeichnet wird 1), deren Aufgabe darin besteht, das Kleingefüge, dessen Ent- stehung, Veränderung und Ursachen und weiterhin das innerste Wesen der Metalle zu erforschen. Die Thermochemie ist hierfür das wichtigste Hülfsmittel.
Man erkannte es immer deutlicher, daſs die Eisensorten des Handels als Lösungen und Legierungen aufzufassen seien, deren Verständnis deshalb von gröſster Wichtigkeit sei. Zur Förderung desselben setzte das Iron and Steel Institute in England eine be- sondere Abordnung — das Alloys Research Committee — ein, welches bereits eine Reihe wichtiger Berichte veröffentlicht hat. Aber nicht nur in England, sondern in Frankreich, Deutschland, Österreich, den Vereinigten Staaten und in Ruſsland beteiligten sich hervorragende Gelehrte an diesen Arbeiten. Es ist nicht möglich, diese Unter- suchungen im einzelnen zu besprechen. Sie haben bereits viele Auf- schlüsse gegeben, zugleich aber auch gezeigt, wie schwierig und ver- wickelt die Erscheinungen sind. Deshalb sind die Ergebnisse für die Praxis bis jetzt erst gering. Unzweifelhaft hat aber diese Wissenschaft eine wichtige Bedeutung für die Zukunft und wird, wenn sie erst noch weiter ausgebaut sein wird, auch für die Technik von Nutzen werden.
Um die Ergebnisse der Untersuchungen der letzten Jahre, etwa seit 1895, zu verstehen und in gedrängter Kürze vorzuführen, faſst man am besten mit H. von Jüptner die Eisensorten als Lösungen von Kohlenstoff in Eisen auf 2). Die Löslichkeit des Kohlenstoffs in Eisen wächst mit der Temperatur. Sie beträgt:
bei 3500° C. 40,00 Prozent (nach Moissan)
„ ca. 1200° C. 4,63 „ (nach Percy)
„ 1050° C. 1,50 „ (nach Royston)
„ 700° C. 0,90 „ (nach Arnold)
1) In England erscheint hierfür eine besondere Zeitschrift „The Metallographist“.
2) Siehe Stahl und Eisen 1898, S. 506 etc.
Beck, Geschichte des Eisens. 25
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[385/0401]
Physik des Eisens seit 1871.
Fig. 137 ist der in Nadeln anschieſsende Martensit.
Fig. 138 ist der in runden verschwommeneren Linien erscheinende
Perlit (Troostit), und
Fig. 139 zeigt Cementit (Karbid) im Relief gegen Perlit.
Die Entstehung des Kleingefüges des Eisens und dessen Wieder-
gabe mit Hülfe des Mikroskops trug dazu bei, den Schleier von dem
geheimnisvollen Wesen des Eisens und seinen vielfältigen Eigen-
schaften etwas zu lüften. Doch nur unter Mithülfe von Chemie und
Physik konnte diese Aufgabe gelöst werden. Es entstand eine ganz
neue Wissenschaft, die allzu beschränkt als „Metallographie“ bezeichnet
wird 1), deren Aufgabe darin besteht, das Kleingefüge, dessen Ent-
stehung, Veränderung und Ursachen und weiterhin das innerste Wesen
der Metalle zu erforschen. Die Thermochemie ist hierfür das wichtigste
Hülfsmittel.
Man erkannte es immer deutlicher, daſs die Eisensorten des
Handels als Lösungen und Legierungen aufzufassen seien, deren
Verständnis deshalb von gröſster Wichtigkeit sei. Zur Förderung
desselben setzte das Iron and Steel Institute in England eine be-
sondere Abordnung — das Alloys Research Committee — ein, welches
bereits eine Reihe wichtiger Berichte veröffentlicht hat. Aber nicht
nur in England, sondern in Frankreich, Deutschland, Österreich, den
Vereinigten Staaten und in Ruſsland beteiligten sich hervorragende
Gelehrte an diesen Arbeiten. Es ist nicht möglich, diese Unter-
suchungen im einzelnen zu besprechen. Sie haben bereits viele Auf-
schlüsse gegeben, zugleich aber auch gezeigt, wie schwierig und ver-
wickelt die Erscheinungen sind. Deshalb sind die Ergebnisse für die
Praxis bis jetzt erst gering. Unzweifelhaft hat aber diese Wissenschaft
eine wichtige Bedeutung für die Zukunft und wird, wenn sie erst noch
weiter ausgebaut sein wird, auch für die Technik von Nutzen werden.
Um die Ergebnisse der Untersuchungen der letzten Jahre, etwa
seit 1895, zu verstehen und in gedrängter Kürze vorzuführen, faſst
man am besten mit H. von Jüptner die Eisensorten als Lösungen
von Kohlenstoff in Eisen auf 2). Die Löslichkeit des Kohlenstoffs in
Eisen wächst mit der Temperatur. Sie beträgt:
bei 3500° C. 40,00 Prozent (nach Moissan)
„ ca. 1200° C. 4,63 „ (nach Percy)
„ 1050° C. 1,50 „ (nach Royston)
„ 700° C. 0,90 „ (nach Arnold)
1) In England erscheint hierfür eine besondere Zeitschrift „The Metallographist“.
2) Siehe Stahl und Eisen 1898, S. 506 etc.
Beck, Geschichte des Eisens. 25
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 385. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/401>, abgerufen am 22.11.2024.
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