Puddeleisen siegreich, wo es sich um Weichheit und Schweissbarkeit handelte und in letzterer Eigenschaft erwies es sich dem Flusseisen so überlegen, dass man ihm mit dem Herdfrischeisen zusammen den Gruppennamen "Schweisseisen" im Gegensatz zu dem in flüssigem Zu- stande erhaltenen Flusseisen beilegte. Auch zeigte der Puddelprozess noch darin einen Vorteil, dass man mit ihm phosphorhaltiges Roh- eisen besser zu einem brauchbaren Produkt verarbeiten konnte, indem der Phosphor bei Gegenwart von reichlicher, garer Schlacke aufgelöst und abgeschieden wurde. Infolge dieser Vorzüge nahm die gesamte Puddeleisenproduktion in den Jahren 1871 bis 1880 an Umfang zu. In England betrug die Zahl der betriebsfähigen Puddelöfen: 1861: 4147, 1875: 7574, 1885: 4902, 1886: 4246. Ihr absolutes Maximum erreichte die Schweisseisenproduktion im Jahre 1882 mit 9135 kt, doch wurden in diesem Jahre bereits 6199 kt Flusseisen erzeugt. Während das relative Verhältnis von Schweisseisen zu Flusseisen 1870 noch 90 : 10 war, hatte 1888 die Flusseisenfabrikation die Schweisseisenproduktion bereits überflügelt.
Von 1882 an sank die Schweisseisenerzeugung in England und den Vereinigten Staaten, während sie in Deutschland noch steigend blieb bis 1889, seitdem ist auch hier ein merklicher Rückgang ein- getreten. Die relative Abnahme in Deutschland von 1877 bis 1894 ergiebt sich aus folgender Zusammenstellung:
[Tabelle]
Der Rückgang der Schweisseisenerzeugung in der zweiten Hälfte unseres Zeitabschnitts, seit 1882, war eine Folge der Erfindung des basischen Verfahrens durch Thomas und Gilchrist, welches sowohl im Konverter wie im Siemens-Martinofen mit basischem Futter ein phosphorarmes, weiches Material lieferte, das, ausser an Schweissbarkeit, das Puddeleisen in jeder Hinsicht übertraf. Ehe der Thomasprozess erfunden war, konnte man sich noch der Hoffnung hingeben, dass sich das Puddeleisen, wenn auch auf beschänkterem Gebiete wie früher,
Der Puddelprozeſs oder das Flammofenfrischen.
Puddeleisen siegreich, wo es sich um Weichheit und Schweiſsbarkeit handelte und in letzterer Eigenschaft erwies es sich dem Fluſseisen so überlegen, daſs man ihm mit dem Herdfrischeisen zusammen den Gruppennamen „Schweiſseisen“ im Gegensatz zu dem in flüssigem Zu- stande erhaltenen Fluſseisen beilegte. Auch zeigte der Puddelprozeſs noch darin einen Vorteil, daſs man mit ihm phosphorhaltiges Roh- eisen besser zu einem brauchbaren Produkt verarbeiten konnte, indem der Phosphor bei Gegenwart von reichlicher, garer Schlacke aufgelöst und abgeschieden wurde. Infolge dieser Vorzüge nahm die gesamte Puddeleisenproduktion in den Jahren 1871 bis 1880 an Umfang zu. In England betrug die Zahl der betriebsfähigen Puddelöfen: 1861: 4147, 1875: 7574, 1885: 4902, 1886: 4246. Ihr absolutes Maximum erreichte die Schweiſseisenproduktion im Jahre 1882 mit 9135 kt, doch wurden in diesem Jahre bereits 6199 kt Fluſseisen erzeugt. Während das relative Verhältnis von Schweiſseisen zu Fluſseisen 1870 noch 90 : 10 war, hatte 1888 die Fluſseisenfabrikation die Schweiſseisenproduktion bereits überflügelt.
Von 1882 an sank die Schweiſseisenerzeugung in England und den Vereinigten Staaten, während sie in Deutschland noch steigend blieb bis 1889, seitdem ist auch hier ein merklicher Rückgang ein- getreten. Die relative Abnahme in Deutschland von 1877 bis 1894 ergiebt sich aus folgender Zusammenstellung:
[Tabelle]
Der Rückgang der Schweiſseisenerzeugung in der zweiten Hälfte unseres Zeitabschnitts, seit 1882, war eine Folge der Erfindung des basischen Verfahrens durch Thomas und Gilchrist, welches sowohl im Konverter wie im Siemens-Martinofen mit basischem Futter ein phosphorarmes, weiches Material lieferte, das, auſser an Schweiſsbarkeit, das Puddeleisen in jeder Hinsicht übertraf. Ehe der Thomasprozeſs erfunden war, konnte man sich noch der Hoffnung hingeben, daſs sich das Puddeleisen, wenn auch auf beschänkterem Gebiete wie früher,
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Der Puddelprozeſs oder das Flammofenfrischen.
Puddeleisen siegreich, wo es sich um Weichheit und Schweiſsbarkeit
handelte und in letzterer Eigenschaft erwies es sich dem Fluſseisen
so überlegen, daſs man ihm mit dem Herdfrischeisen zusammen den
Gruppennamen „Schweiſseisen“ im Gegensatz zu dem in flüssigem Zu-
stande erhaltenen Fluſseisen beilegte. Auch zeigte der Puddelprozeſs
noch darin einen Vorteil, daſs man mit ihm phosphorhaltiges Roh-
eisen besser zu einem brauchbaren Produkt verarbeiten konnte, indem
der Phosphor bei Gegenwart von reichlicher, garer Schlacke aufgelöst
und abgeschieden wurde. Infolge dieser Vorzüge nahm die gesamte
Puddeleisenproduktion in den Jahren 1871 bis 1880 an Umfang zu.
In England betrug die Zahl der betriebsfähigen Puddelöfen: 1861:
4147, 1875: 7574, 1885: 4902, 1886: 4246. Ihr absolutes Maximum
erreichte die Schweiſseisenproduktion im Jahre 1882 mit 9135 kt,
doch wurden in diesem Jahre bereits 6199 kt Fluſseisen erzeugt.
Während das relative Verhältnis von Schweiſseisen zu Fluſseisen
1870 noch 90 : 10 war, hatte 1888 die Fluſseisenfabrikation die
Schweiſseisenproduktion bereits überflügelt.
Von 1882 an sank die Schweiſseisenerzeugung in England und
den Vereinigten Staaten, während sie in Deutschland noch steigend
blieb bis 1889, seitdem ist auch hier ein merklicher Rückgang ein-
getreten. Die relative Abnahme in Deutschland von 1877 bis 1894
ergiebt sich aus folgender Zusammenstellung:
Der Rückgang der Schweiſseisenerzeugung in der zweiten Hälfte
unseres Zeitabschnitts, seit 1882, war eine Folge der Erfindung des
basischen Verfahrens durch Thomas und Gilchrist, welches sowohl
im Konverter wie im Siemens-Martinofen mit basischem Futter ein
phosphorarmes, weiches Material lieferte, das, auſser an Schweiſsbarkeit,
das Puddeleisen in jeder Hinsicht übertraf. Ehe der Thomasprozeſs
erfunden war, konnte man sich noch der Hoffnung hingeben, daſs sich
das Puddeleisen, wenn auch auf beschänkterem Gebiete wie früher,
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 589. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/605>, abgerufen am 22.11.2024.
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