stach 40 bis 50 Centner grelles, hitziges Eisen aus dem Hochofen in den vorgewärmten, eine Partie Stahlabfälle enthaltenden Konverter ab, richtete ihn auf und blies 8 bis 9 Minuten. Dann wurde gekippt, kalte Roheisenstücke in den Konverter geworfen und hierauf aus einem zweiten Ofen geschmolzenes Roheisen zufliessen lassen, aufgerichtet und geblasen. Dies wurde mehreremal wiederholt. Durch das Zusatz- eisen konnte man die Qualität regeln. Ferromangan wurde nur bei manganarmem Roheisen und zwar in festem Zustande zugegeben.
Um Roheisensorten, die für sich zu kalt gingen, heiss zu ver- blasen, hatte die Firma Friedrich Krupp einen vereinigten Flamm- und Bessemerofen erfunden (D. R. P. Nr. 2351 vom 18. Dezember 1877). Der Konverter wurde in liegender Stellung als Flammofen mit einer Crampton-Kohlenstaubfeuerung und Siemens' Regeneratoren geheizt, alsdann, wenn das Eisen genügend überhitzt war, aufgerichtet und geblasen.
Im Jahre 1877 waren nach H. Bessemers Angabe bereits 1873 Kilotonnen Bessemerstahl erzeugt worden.
Wedding bezeichnete 1878 als Fortschritte bei dem Bessemer- verfahren die direkte Anwendung des flüssigen Roheisens der Hoch- öfen, die Verwendung der Birnengase zur Erhitzung des Gebläse- windes der Kupolöfen, wodurch auf englischen Hütten der Koksverbrauch beim Einschmelzen von 10 auf 6 bis 7 Prozent vermindert worden war, und die Einführung der Differential-Akkumulatoren. Zu dem oft weiten Transport des flüssigen Roheisens von den Hochöfen zu den Konvertern wendete man in England mit Lokomotiven fahrbare Guss- pfannen an.
Über den Bessemerprozess verbreiteten die von Friedr. C. G. Müller in Osnabrück 1878 angestellten Untersuchungen1) neues Licht. Er unterschied 1. den deutschen Prozess mit hoher Anfangs- temperatur und hohem Siliciumgehalt, 2. den schwedischen mit hoher Anfangstemperatur und niedrigem Siliciumgehalt und 3. den englischen mit niedriger Anfangstemperatur und hohem Silicium- gehalt. In Deutschland suchte man das Roheisen im Kupolofen bereits so heiss einzuschmelzen, dass die Entzündungstemperatur des Kohlen- stoffs, welche nach Müller bei 1400° C. liegt, erreicht wurde. Ver- blies man nun dieses heisse Roheisen im Konverter, so trat die Verbrennung von Kohlenstoff neben der von Silicium sehr bald und sehr energisch mit donnerndem Geräusch ein. Man nannte
1) Siehe Zeitschr. des Ver. deutsch. Ingen. 1878, S. 305.
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Der saure oder Bessemerprozeſs bis 1880.
stach 40 bis 50 Centner grelles, hitziges Eisen aus dem Hochofen in den vorgewärmten, eine Partie Stahlabfälle enthaltenden Konverter ab, richtete ihn auf und blies 8 bis 9 Minuten. Dann wurde gekippt, kalte Roheisenstücke in den Konverter geworfen und hierauf aus einem zweiten Ofen geschmolzenes Roheisen zuflieſsen lassen, aufgerichtet und geblasen. Dies wurde mehreremal wiederholt. Durch das Zusatz- eisen konnte man die Qualität regeln. Ferromangan wurde nur bei manganarmem Roheisen und zwar in festem Zustande zugegeben.
Um Roheisensorten, die für sich zu kalt gingen, heiſs zu ver- blasen, hatte die Firma Friedrich Krupp einen vereinigten Flamm- und Bessemerofen erfunden (D. R. P. Nr. 2351 vom 18. Dezember 1877). Der Konverter wurde in liegender Stellung als Flammofen mit einer Crampton-Kohlenstaubfeuerung und Siemens’ Regeneratoren geheizt, alsdann, wenn das Eisen genügend überhitzt war, aufgerichtet und geblasen.
Im Jahre 1877 waren nach H. Bessemers Angabe bereits 1873 Kilotonnen Bessemerstahl erzeugt worden.
Wedding bezeichnete 1878 als Fortschritte bei dem Bessemer- verfahren die direkte Anwendung des flüssigen Roheisens der Hoch- öfen, die Verwendung der Birnengase zur Erhitzung des Gebläse- windes der Kupolöfen, wodurch auf englischen Hütten der Koksverbrauch beim Einschmelzen von 10 auf 6 bis 7 Prozent vermindert worden war, und die Einführung der Differential-Akkumulatoren. Zu dem oft weiten Transport des flüssigen Roheisens von den Hochöfen zu den Konvertern wendete man in England mit Lokomotiven fahrbare Guſs- pfannen an.
Über den Bessemerprozess verbreiteten die von Friedr. C. G. Müller in Osnabrück 1878 angestellten Untersuchungen1) neues Licht. Er unterschied 1. den deutschen Prozeſs mit hoher Anfangs- temperatur und hohem Siliciumgehalt, 2. den schwedischen mit hoher Anfangstemperatur und niedrigem Siliciumgehalt und 3. den englischen mit niedriger Anfangstemperatur und hohem Silicium- gehalt. In Deutschland suchte man das Roheisen im Kupolofen bereits so heiſs einzuschmelzen, daſs die Entzündungstemperatur des Kohlen- stoffs, welche nach Müller bei 1400° C. liegt, erreicht wurde. Ver- blies man nun dieses heiſse Roheisen im Konverter, so trat die Verbrennung von Kohlenstoff neben der von Silicium sehr bald und sehr energisch mit donnerndem Geräusch ein. Man nannte
1) Siehe Zeitschr. des Ver. deutsch. Ingen. 1878, S. 305.
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Der saure oder Bessemerprozeſs bis 1880.
stach 40 bis 50 Centner grelles, hitziges Eisen aus dem Hochofen in
den vorgewärmten, eine Partie Stahlabfälle enthaltenden Konverter
ab, richtete ihn auf und blies 8 bis 9 Minuten. Dann wurde gekippt,
kalte Roheisenstücke in den Konverter geworfen und hierauf aus einem
zweiten Ofen geschmolzenes Roheisen zuflieſsen lassen, aufgerichtet
und geblasen. Dies wurde mehreremal wiederholt. Durch das Zusatz-
eisen konnte man die Qualität regeln. Ferromangan wurde nur bei
manganarmem Roheisen und zwar in festem Zustande zugegeben.
Um Roheisensorten, die für sich zu kalt gingen, heiſs zu ver-
blasen, hatte die Firma Friedrich Krupp einen vereinigten Flamm-
und Bessemerofen erfunden (D. R. P. Nr. 2351 vom 18. Dezember 1877).
Der Konverter wurde in liegender Stellung als Flammofen mit einer
Crampton-Kohlenstaubfeuerung und Siemens’ Regeneratoren geheizt,
alsdann, wenn das Eisen genügend überhitzt war, aufgerichtet und
geblasen.
Im Jahre 1877 waren nach H. Bessemers Angabe bereits
1873 Kilotonnen Bessemerstahl erzeugt worden.
Wedding bezeichnete 1878 als Fortschritte bei dem Bessemer-
verfahren die direkte Anwendung des flüssigen Roheisens der Hoch-
öfen, die Verwendung der Birnengase zur Erhitzung des Gebläse-
windes der Kupolöfen, wodurch auf englischen Hütten der Koksverbrauch
beim Einschmelzen von 10 auf 6 bis 7 Prozent vermindert worden war,
und die Einführung der Differential-Akkumulatoren. Zu dem oft
weiten Transport des flüssigen Roheisens von den Hochöfen zu den
Konvertern wendete man in England mit Lokomotiven fahrbare Guſs-
pfannen an.
Über den Bessemerprozess verbreiteten die von Friedr. C. G.
Müller in Osnabrück 1878 angestellten Untersuchungen 1) neues
Licht. Er unterschied 1. den deutschen Prozeſs mit hoher Anfangs-
temperatur und hohem Siliciumgehalt, 2. den schwedischen mit
hoher Anfangstemperatur und niedrigem Siliciumgehalt und 3. den
englischen mit niedriger Anfangstemperatur und hohem Silicium-
gehalt. In Deutschland suchte man das Roheisen im Kupolofen bereits
so heiſs einzuschmelzen, daſs die Entzündungstemperatur des Kohlen-
stoffs, welche nach Müller bei 1400° C. liegt, erreicht wurde. Ver-
blies man nun dieses heiſse Roheisen im Konverter, so trat die
Verbrennung von Kohlenstoff neben der von Silicium sehr bald
und sehr energisch mit donnerndem Geräusch ein. Man nannte
1) Siehe Zeitschr. des Ver. deutsch. Ingen. 1878, S. 305.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 627. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/643>, abgerufen am 22.11.2024.
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