Entphosphorung im Konverter hielt, lauschten die Mitglieder, die ihn neun Monate zuvor nicht hatten anhören wollen, mit gespanntester Aufmerksamkeit, und als er ihnen seinen Prozess in Anwendung auf dem Eston-Eisenwerk zeigen konnte, da war nur eine Stimme des Lobes und der Anerkennung und die Kunde von dem neuen Ent- phosphorungsverfahren -- dem Thomas-Gilchristprozess, wie er genannt wurde, weil Thomas die praktischen Versuche mit seinem Vetter Percy C. Gilchrist gemeinschaftlich gemacht hatte -- verbreitete sich rasch durch alle Länder.
Der Altmeister im Eisenhüttenwesen, Peter von Tunner1), war einer der ersten, welcher die grosse Bedeutung des Thomasierens, wie er es nannte, namentlich für Herstellung von Qualitäts-Flusseisen, erkannte. Dem Professor der Eisenhüttenkunde Josef Gängl von Ehrenwerth2), damals Adjunkt an der Bergakademie zu Leoben, gebührt aber der Ruhm, der erste gewesen zu sein, der (am 25. Mai 1879) in lichtvoller Weise die Theorie des basischen Prozesses entwickelte, der feststellte, dass der Phosphor beim Thomasieren in Bezug auf die Wärmeerzeugung die ähnliche Rolle spielt wie das Silicium beim Bessemern, und rechnungsmässig nachwies, dass die durch die Verbrennung des Phosphors erzeugte Wärme hinreiche, das Eisenbad flüssig zu erhalten 3).
Im übrigen verlief der Prozess analog dem Bessemern. Mangan, Silicium und Kohlenstoff wurden durch die Gebläseluft oxydiert und unter Bildung von Kohlenoxyd und Mangan-Eisenoxydul Silikat ab- geschieden, dieses dann durch Kalk zerlegt unter Abscheidung von Eisenoxydul und Bildung eines Mangan-Kalksilikates. Phosphor wird von Beginn des Blasens an teilweise verschlackt, seine gänzliche Abscheidung findet also erst nach der Entfernung von Silicium und Kohle statt. Das gebildete Eisenphosphat wird durch Kalk zerlegt und das freigewordene Eisenoxydul teils durch Kohlenstoff des Metalls und der Gase reduziert, teils durch die oxydierende Wirkung der Gebläseluft in Eisenoxyduloxyd (Fe3O4) übergeführt und von der Schlacke aufgelöst.
Man hatte auch in Österreich und zwar zu Witkowitz bereits im August 1879 Versuche mit dem neuen Verfahren von Thomas-
1) Siehe Zeitschr. für den berg- und hüttenmänn. Verein für Steiermark und Kärnten, Nr. 12.
2) Studien über den Thomas-Gilchristprozess in Österreich. Berg- u. Hüttenm. Ztg. 1879, S. 599, 619 bis 629.
3) Siehe Österreich. Zeitschr. 1879, S. 341 etc.
Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses.
Entphosphorung im Konverter hielt, lauschten die Mitglieder, die ihn neun Monate zuvor nicht hatten anhören wollen, mit gespanntester Aufmerksamkeit, und als er ihnen seinen Prozeſs in Anwendung auf dem Eston-Eisenwerk zeigen konnte, da war nur eine Stimme des Lobes und der Anerkennung und die Kunde von dem neuen Ent- phosphorungsverfahren — dem Thomas-Gilchristprozeſs, wie er genannt wurde, weil Thomas die praktischen Versuche mit seinem Vetter Percy C. Gilchrist gemeinschaftlich gemacht hatte — verbreitete sich rasch durch alle Länder.
Der Altmeister im Eisenhüttenwesen, Peter von Tunner1), war einer der ersten, welcher die groſse Bedeutung des Thomasierens, wie er es nannte, namentlich für Herstellung von Qualitäts-Fluſseisen, erkannte. Dem Professor der Eisenhüttenkunde Josef Gängl von Ehrenwerth2), damals Adjunkt an der Bergakademie zu Leoben, gebührt aber der Ruhm, der erste gewesen zu sein, der (am 25. Mai 1879) in lichtvoller Weise die Theorie des basischen Prozesses entwickelte, der feststellte, daſs der Phosphor beim Thomasieren in Bezug auf die Wärmeerzeugung die ähnliche Rolle spielt wie das Silicium beim Bessemern, und rechnungsmäſsig nachwies, daſs die durch die Verbrennung des Phosphors erzeugte Wärme hinreiche, das Eisenbad flüssig zu erhalten 3).
Im übrigen verlief der Prozeſs analog dem Bessemern. Mangan, Silicium und Kohlenstoff wurden durch die Gebläseluft oxydiert und unter Bildung von Kohlenoxyd und Mangan-Eisenoxydul Silikat ab- geschieden, dieses dann durch Kalk zerlegt unter Abscheidung von Eisenoxydul und Bildung eines Mangan-Kalksilikates. Phosphor wird von Beginn des Blasens an teilweise verschlackt, seine gänzliche Abscheidung findet also erst nach der Entfernung von Silicium und Kohle statt. Das gebildete Eisenphosphat wird durch Kalk zerlegt und das freigewordene Eisenoxydul teils durch Kohlenstoff des Metalls und der Gase reduziert, teils durch die oxydierende Wirkung der Gebläseluft in Eisenoxyduloxyd (Fe3O4) übergeführt und von der Schlacke aufgelöst.
Man hatte auch in Österreich und zwar zu Witkowitz bereits im August 1879 Versuche mit dem neuen Verfahren von Thomas-
1) Siehe Zeitschr. für den berg- und hüttenmänn. Verein für Steiermark und Kärnten, Nr. 12.
2) Studien über den Thomas-Gilchristprozeſs in Österreich. Berg- u. Hüttenm. Ztg. 1879, S. 599, 619 bis 629.
3) Siehe Österreich. Zeitschr. 1879, S. 341 etc.
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Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses.
Entphosphorung im Konverter hielt, lauschten die Mitglieder, die ihn
neun Monate zuvor nicht hatten anhören wollen, mit gespanntester
Aufmerksamkeit, und als er ihnen seinen Prozeſs in Anwendung auf
dem Eston-Eisenwerk zeigen konnte, da war nur eine Stimme des
Lobes und der Anerkennung und die Kunde von dem neuen Ent-
phosphorungsverfahren — dem Thomas-Gilchristprozeſs, wie er genannt
wurde, weil Thomas die praktischen Versuche mit seinem Vetter
Percy C. Gilchrist gemeinschaftlich gemacht hatte — verbreitete
sich rasch durch alle Länder.
Der Altmeister im Eisenhüttenwesen, Peter von Tunner 1), war
einer der ersten, welcher die groſse Bedeutung des Thomasierens, wie
er es nannte, namentlich für Herstellung von Qualitäts-Fluſseisen,
erkannte. Dem Professor der Eisenhüttenkunde Josef Gängl
von Ehrenwerth 2), damals Adjunkt an der Bergakademie zu
Leoben, gebührt aber der Ruhm, der erste gewesen zu sein, der (am
25. Mai 1879) in lichtvoller Weise die Theorie des basischen Prozesses
entwickelte, der feststellte, daſs der Phosphor beim Thomasieren in
Bezug auf die Wärmeerzeugung die ähnliche Rolle spielt wie das
Silicium beim Bessemern, und rechnungsmäſsig nachwies, daſs die
durch die Verbrennung des Phosphors erzeugte Wärme hinreiche,
das Eisenbad flüssig zu erhalten 3).
Im übrigen verlief der Prozeſs analog dem Bessemern. Mangan,
Silicium und Kohlenstoff wurden durch die Gebläseluft oxydiert und
unter Bildung von Kohlenoxyd und Mangan-Eisenoxydul Silikat ab-
geschieden, dieses dann durch Kalk zerlegt unter Abscheidung von
Eisenoxydul und Bildung eines Mangan-Kalksilikates. Phosphor wird
von Beginn des Blasens an teilweise verschlackt, seine gänzliche
Abscheidung findet also erst nach der Entfernung von Silicium und
Kohle statt. Das gebildete Eisenphosphat wird durch Kalk zerlegt
und das freigewordene Eisenoxydul teils durch Kohlenstoff des Metalls
und der Gase reduziert, teils durch die oxydierende Wirkung der
Gebläseluft in Eisenoxyduloxyd (Fe3O4) übergeführt und von der
Schlacke aufgelöst.
Man hatte auch in Österreich und zwar zu Witkowitz bereits im
August 1879 Versuche mit dem neuen Verfahren von Thomas-
1) Siehe Zeitschr. für den berg- und hüttenmänn. Verein für Steiermark und
Kärnten, Nr. 12.
2) Studien über den Thomas-Gilchristprozeſs in Österreich. Berg- u. Hüttenm.
Ztg. 1879, S. 599, 619 bis 629.
3) Siehe Österreich. Zeitschr. 1879, S. 341 etc.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 640. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/656>, abgerufen am 22.11.2024.
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