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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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Grossbritannien.
wickelung im gleichen Verhältnis wie früher unmöglich machte, um
so weniger, als durch das Erblühen der Eisenindustrie in anderen
Ländern, deren natürliche Hülfsmittel bisher noch nicht in gleichem
Masse in Anspruch genommen waren, wichtige Absatzgebiete für die
Ausfuhr englischen Eisens verloren gingen oder eingeschränkt wurden.
Auch richteten diese Staaten zum Schutz ihrer Industrie durch Ein-
führung oder durch Erhöhung von Schutzzöllen künstliche Hindernisse
gegen die Überflutung mit englischem Eisen auf, wodurch die Ausfuhr
Grossbritanniens gleichfalls erschwert und beschränkt wurde.

Der Kampf, welchen die englische Eisenindustrie gegen diese und
zahlreiche andere Schwierigkeiten führen musste, machte das Gesamt-
bild der Geschichte der englischen Eisenindustrie in diesem Zeitraum
nicht weniger interessant als irgend ein früheres.

Neben den Schwierigkeiten nach aussen fehlte es nicht an
Schwierigkeiten im Inneren. Die Überlegenheit Grossbritanniens be-
ruht auf den günstigen natürlichen Bedingungen für die Eisenerzeugung
und für den Absatz. Mächtige, vortreffliche Ablagerungen von Stein-
kohlen liegen in unmittelbarer Nähe von fast unerschöpflichen Erz-
lagern. Der Transport ist erleichtert durch Kanäle und günstige Eisen-
bahnfrachten, der Absatz durch die insulare Lage Englands und seine Be-
herrschung des Seehandels. Durch diese natürlichen Vorteile war England
im stande, das Eisen billiger darzustellen und zu versenden als jedes
andere Land. Schwierigkeiten im Inneren erwuchsen aber dennoch
durch die zunehmende Verteuerung der Steinkohlenförderung, durch
die Steigerung der Löhne und durch die Störungen, welche häufig
wiederkehrende Lohnkämpfe und Arbeitseinstellungen hervorriefen.

Die englische Eisenindustrie konzentrierte sich in den Gebieten
der Steinkohlengewinnung. Infolge der günstigen Erzgewinnungs- und
Transportverhältnisse gelang es dem Clevelandbezirk in Nord-Yorkshire,
dem 1871 Süd-Wales noch die Führerschaft streitig machte, diese von
1872 an zu behaupten und die übrigen Centren der Eisenerzeugung
rasch und in steigendem Masse zu überflügeln. Nächst Cleveland sind
die wichtigsten Eisengebiete in England Süd-Wales, Staffordshire,
Lancashire und Cumberland, in Schottland das Kohlenbecken des
Clyde.

Oft haben im Laufe der Geschichte die eisenerzeugenden Gebiete
Englands die Führerrolle gewechselt. Als man nur Holzkohlenbetrieb
kannte, nahm zur Zeit der Römerherrschaft der Forest of Dean in
Glocestershire die erste Stelle ein; im Mittelalter, zur Zeit Hein-
richs
VIII. und der Königin Elisabeth, war Sussex, wo jetzt kaum

Groſsbritannien.
wickelung im gleichen Verhältnis wie früher unmöglich machte, um
so weniger, als durch das Erblühen der Eisenindustrie in anderen
Ländern, deren natürliche Hülfsmittel bisher noch nicht in gleichem
Maſse in Anspruch genommen waren, wichtige Absatzgebiete für die
Ausfuhr englischen Eisens verloren gingen oder eingeschränkt wurden.
Auch richteten diese Staaten zum Schutz ihrer Industrie durch Ein-
führung oder durch Erhöhung von Schutzzöllen künstliche Hindernisse
gegen die Überflutung mit englischem Eisen auf, wodurch die Ausfuhr
Groſsbritanniens gleichfalls erschwert und beschränkt wurde.

Der Kampf, welchen die englische Eisenindustrie gegen diese und
zahlreiche andere Schwierigkeiten führen muſste, machte das Gesamt-
bild der Geschichte der englischen Eisenindustrie in diesem Zeitraum
nicht weniger interessant als irgend ein früheres.

Neben den Schwierigkeiten nach auſsen fehlte es nicht an
Schwierigkeiten im Inneren. Die Überlegenheit Groſsbritanniens be-
ruht auf den günstigen natürlichen Bedingungen für die Eisenerzeugung
und für den Absatz. Mächtige, vortreffliche Ablagerungen von Stein-
kohlen liegen in unmittelbarer Nähe von fast unerschöpflichen Erz-
lagern. Der Transport ist erleichtert durch Kanäle und günstige Eisen-
bahnfrachten, der Absatz durch die insulare Lage Englands und seine Be-
herrschung des Seehandels. Durch diese natürlichen Vorteile war England
im stande, das Eisen billiger darzustellen und zu versenden als jedes
andere Land. Schwierigkeiten im Inneren erwuchsen aber dennoch
durch die zunehmende Verteuerung der Steinkohlenförderung, durch
die Steigerung der Löhne und durch die Störungen, welche häufig
wiederkehrende Lohnkämpfe und Arbeitseinstellungen hervorriefen.

Die englische Eisenindustrie konzentrierte sich in den Gebieten
der Steinkohlengewinnung. Infolge der günstigen Erzgewinnungs- und
Transportverhältnisse gelang es dem Clevelandbezirk in Nord-Yorkshire,
dem 1871 Süd-Wales noch die Führerschaft streitig machte, diese von
1872 an zu behaupten und die übrigen Centren der Eisenerzeugung
rasch und in steigendem Maſse zu überflügeln. Nächst Cleveland sind
die wichtigsten Eisengebiete in England Süd-Wales, Staffordshire,
Lancashire und Cumberland, in Schottland das Kohlenbecken des
Clyde.

Oft haben im Laufe der Geschichte die eisenerzeugenden Gebiete
Englands die Führerrolle gewechselt. Als man nur Holzkohlenbetrieb
kannte, nahm zur Zeit der Römerherrschaft der Forest of Dean in
Glocestershire die erste Stelle ein; im Mittelalter, zur Zeit Hein-
richs
VIII. und der Königin Elisabeth, war Sussex, wo jetzt kaum

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[900/0916] Groſsbritannien. wickelung im gleichen Verhältnis wie früher unmöglich machte, um so weniger, als durch das Erblühen der Eisenindustrie in anderen Ländern, deren natürliche Hülfsmittel bisher noch nicht in gleichem Maſse in Anspruch genommen waren, wichtige Absatzgebiete für die Ausfuhr englischen Eisens verloren gingen oder eingeschränkt wurden. Auch richteten diese Staaten zum Schutz ihrer Industrie durch Ein- führung oder durch Erhöhung von Schutzzöllen künstliche Hindernisse gegen die Überflutung mit englischem Eisen auf, wodurch die Ausfuhr Groſsbritanniens gleichfalls erschwert und beschränkt wurde. Der Kampf, welchen die englische Eisenindustrie gegen diese und zahlreiche andere Schwierigkeiten führen muſste, machte das Gesamt- bild der Geschichte der englischen Eisenindustrie in diesem Zeitraum nicht weniger interessant als irgend ein früheres. Neben den Schwierigkeiten nach auſsen fehlte es nicht an Schwierigkeiten im Inneren. Die Überlegenheit Groſsbritanniens be- ruht auf den günstigen natürlichen Bedingungen für die Eisenerzeugung und für den Absatz. Mächtige, vortreffliche Ablagerungen von Stein- kohlen liegen in unmittelbarer Nähe von fast unerschöpflichen Erz- lagern. Der Transport ist erleichtert durch Kanäle und günstige Eisen- bahnfrachten, der Absatz durch die insulare Lage Englands und seine Be- herrschung des Seehandels. Durch diese natürlichen Vorteile war England im stande, das Eisen billiger darzustellen und zu versenden als jedes andere Land. Schwierigkeiten im Inneren erwuchsen aber dennoch durch die zunehmende Verteuerung der Steinkohlenförderung, durch die Steigerung der Löhne und durch die Störungen, welche häufig wiederkehrende Lohnkämpfe und Arbeitseinstellungen hervorriefen. Die englische Eisenindustrie konzentrierte sich in den Gebieten der Steinkohlengewinnung. Infolge der günstigen Erzgewinnungs- und Transportverhältnisse gelang es dem Clevelandbezirk in Nord-Yorkshire, dem 1871 Süd-Wales noch die Führerschaft streitig machte, diese von 1872 an zu behaupten und die übrigen Centren der Eisenerzeugung rasch und in steigendem Maſse zu überflügeln. Nächst Cleveland sind die wichtigsten Eisengebiete in England Süd-Wales, Staffordshire, Lancashire und Cumberland, in Schottland das Kohlenbecken des Clyde. Oft haben im Laufe der Geschichte die eisenerzeugenden Gebiete Englands die Führerrolle gewechselt. Als man nur Holzkohlenbetrieb kannte, nahm zur Zeit der Römerherrschaft der Forest of Dean in Glocestershire die erste Stelle ein; im Mittelalter, zur Zeit Hein- richs VIII. und der Königin Elisabeth, war Sussex, wo jetzt kaum

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 900. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/916>, abgerufen am 22.11.2024.