Die wichtigste Verwendung fand der Bessemerstahl für die Her- stellung von Stahlschienen, deren Überlegenheit über die Schweiss- eisenschienen allgemein anerkannt war.
Als Beispiel einer zeitgemässen Einrichtung aus dieser Zeit (1873) führen wir das Bessemerschienen-Walzwerk in Dowlais an. Die aus der Pfanne gegossenen Stahlblöcke, von denen die schwereren 70 bis 75 Tonnen, die leichteren 32 bis 37 Tonnen wogen, wurden in Block- walzen vorgewalzt, nachdem sie zuvor in einem Flammofen auf die richtige Temperatur vorgewärmt waren. Ein solcher Flammofen wurde mit fünf grossen oder sieben kleinen Blöcken beschickt; eine Charge dauerte 21/2 Stunden. In 12 Stunden wurden vier Chargen gemacht. Der Kohlenverbrauch betrug an 400 kg pro Tonne. Ein Ofen erforderte nur einen Mann zur Bedienung, indem die Arbeiter der Nachbaröfen bei schweren Arbeiten sich untereinander aushalfen. Das Ausziehen der Blöcke geschah mechanisch mit einem Haspel wie bei den Schweissöfen. Die Blöcke gelangten in das Reversier-Blockwalzwerk, das von einer liegenden 800 P. S.-Dampfmaschine mit Stephenson- scher Coulisse betrieben wurde. Es waren zwei Walzengestelle vor- handen, eins für die grossen, das andere für die kleinen Blöcke 1). Die Walzstücke passierten jedes der sechs Kaliber zweimal unter Drehung um 90° und die grossen Blöcke wurden von 363 mm Seiten- länge in 12 Durchgängen auf Stücke von 200 mm Quadrat und 2000 mm Länge vorgestreckt, die dann durch Rollengang unter die Zirkularsäge geführt und in zwei Hälften zur Weiterverarbeitung zerschnitten wurden. Die Zirkularsäge hatte ein Blatt von 2 m Durchmesser und eigene Antriebsmaschine. Die geschnittenen Knüppel erhielten eine zweite Hitze in einem Flammofen von den gleichen Dimensionen. Bei jeder Charge wurden sieben halbe Blöcke oder fünf ganze Blöcke ein- gesetzt. In der zwölfstündigen Schicht wurden vier Chargen gemacht.
Das Stahlschienenwalzwerk bestand aus einem Vierwalzensystem,
1) Über die Kalibrierungsverhältnisse u. s. w. siehe A. Petzholdt, Die Er- zeugung von Eisen- und Stahlschienen, 1874.
Groſsbritannien.
[Tabelle]
Die wichtigste Verwendung fand der Bessemerstahl für die Her- stellung von Stahlschienen, deren Überlegenheit über die Schweiſs- eisenschienen allgemein anerkannt war.
Als Beispiel einer zeitgemäſsen Einrichtung aus dieser Zeit (1873) führen wir das Bessemerschienen-Walzwerk in Dowlais an. Die aus der Pfanne gegossenen Stahlblöcke, von denen die schwereren 70 bis 75 Tonnen, die leichteren 32 bis 37 Tonnen wogen, wurden in Block- walzen vorgewalzt, nachdem sie zuvor in einem Flammofen auf die richtige Temperatur vorgewärmt waren. Ein solcher Flammofen wurde mit fünf groſsen oder sieben kleinen Blöcken beschickt; eine Charge dauerte 2½ Stunden. In 12 Stunden wurden vier Chargen gemacht. Der Kohlenverbrauch betrug an 400 kg pro Tonne. Ein Ofen erforderte nur einen Mann zur Bedienung, indem die Arbeiter der Nachbaröfen bei schweren Arbeiten sich untereinander aushalfen. Das Ausziehen der Blöcke geschah mechanisch mit einem Haspel wie bei den Schweiſsöfen. Die Blöcke gelangten in das Reversier-Blockwalzwerk, das von einer liegenden 800 P. S.-Dampfmaschine mit Stephenson- scher Coulisse betrieben wurde. Es waren zwei Walzengestelle vor- handen, eins für die groſsen, das andere für die kleinen Blöcke 1). Die Walzstücke passierten jedes der sechs Kaliber zweimal unter Drehung um 90° und die groſsen Blöcke wurden von 363 mm Seiten- länge in 12 Durchgängen auf Stücke von 200 mm Quadrat und 2000 mm Länge vorgestreckt, die dann durch Rollengang unter die Zirkularsäge geführt und in zwei Hälften zur Weiterverarbeitung zerschnitten wurden. Die Zirkularsäge hatte ein Blatt von 2 m Durchmesser und eigene Antriebsmaschine. Die geschnittenen Knüppel erhielten eine zweite Hitze in einem Flammofen von den gleichen Dimensionen. Bei jeder Charge wurden sieben halbe Blöcke oder fünf ganze Blöcke ein- gesetzt. In der zwölfstündigen Schicht wurden vier Chargen gemacht.
Das Stahlschienenwalzwerk bestand aus einem Vierwalzensystem,
1) Über die Kalibrierungsverhältnisse u. s. w. siehe A. Petzholdt, Die Er- zeugung von Eisen- und Stahlschienen, 1874.
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Groſsbritannien.
Die wichtigste Verwendung fand der Bessemerstahl für die Her-
stellung von Stahlschienen, deren Überlegenheit über die Schweiſs-
eisenschienen allgemein anerkannt war.
Als Beispiel einer zeitgemäſsen Einrichtung aus dieser Zeit (1873)
führen wir das Bessemerschienen-Walzwerk in Dowlais an. Die aus
der Pfanne gegossenen Stahlblöcke, von denen die schwereren 70 bis
75 Tonnen, die leichteren 32 bis 37 Tonnen wogen, wurden in Block-
walzen vorgewalzt, nachdem sie zuvor in einem Flammofen auf die
richtige Temperatur vorgewärmt waren. Ein solcher Flammofen
wurde mit fünf groſsen oder sieben kleinen Blöcken beschickt; eine
Charge dauerte 2½ Stunden. In 12 Stunden wurden vier Chargen
gemacht. Der Kohlenverbrauch betrug an 400 kg pro Tonne. Ein
Ofen erforderte nur einen Mann zur Bedienung, indem die Arbeiter
der Nachbaröfen bei schweren Arbeiten sich untereinander aushalfen.
Das Ausziehen der Blöcke geschah mechanisch mit einem Haspel wie bei
den Schweiſsöfen. Die Blöcke gelangten in das Reversier-Blockwalzwerk,
das von einer liegenden 800 P. S.-Dampfmaschine mit Stephenson-
scher Coulisse betrieben wurde. Es waren zwei Walzengestelle vor-
handen, eins für die groſsen, das andere für die kleinen Blöcke 1).
Die Walzstücke passierten jedes der sechs Kaliber zweimal unter
Drehung um 90° und die groſsen Blöcke wurden von 363 mm Seiten-
länge in 12 Durchgängen auf Stücke von 200 mm Quadrat und 2000 mm
Länge vorgestreckt, die dann durch Rollengang unter die Zirkularsäge
geführt und in zwei Hälften zur Weiterverarbeitung zerschnitten
wurden. Die Zirkularsäge hatte ein Blatt von 2 m Durchmesser und
eigene Antriebsmaschine. Die geschnittenen Knüppel erhielten eine
zweite Hitze in einem Flammofen von den gleichen Dimensionen. Bei
jeder Charge wurden sieben halbe Blöcke oder fünf ganze Blöcke ein-
gesetzt. In der zwölfstündigen Schicht wurden vier Chargen gemacht.
Das Stahlschienenwalzwerk bestand aus einem Vierwalzensystem,
1) Über die Kalibrierungsverhältnisse u. s. w. siehe A. Petzholdt, Die Er-
zeugung von Eisen- und Stahlschienen, 1874.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 923. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/939>, abgerufen am 22.11.2024.
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