Becker, Bernhard: Wie Arbeiterwohnungen gut und gesund einzurichten und zu erhalten seien. Basel, 1860.Wohnung? er macht aus einem Hüttchen ein Ding von Pal- Wohnung? er macht aus einem Hüttchen ein Ding von Pal- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0015" n="15"/> Wohnung? er macht aus einem Hüttchen ein Ding von Pal-<lb/> läſtchen oder aus einem Pallaſt einen Schweinſtall? Wie man<lb/> denn überall in der Welt, auch im Großen, ſieht, daß nach den<lb/> Leuten, je nach ihrer Bildung, ſogar nach ihrer Religion und<lb/> ſtaatlichen Verfaſſung ihre Wohnungen ſind. Das iſt folgender-<lb/> maßen zu erklären: ein ſäuiſcher Menſch übt einen ſäuiſchen<lb/> Einfluß auf ſeine Wohnung aus; er macht ſie unrein. Nun<lb/> aber gilt hier Zahn um Zahn; die Wohnung giebt dir's zurück,<lb/> und macht dich noch ſäuiſcher als du ſchon wareſt. Wenn dein<lb/> unreinliches Thun an der Wohnung nicht anſchlüge; wenn ſie<lb/> ſauber bliebe, obſchon du ſie mit Koth bewürfeſt; wenn die<lb/> Stühle durch Hexenwerk gleich wieder an ihren Ort flögen, wo<lb/> du ſie genommen, obſchon du keine Hand rührteſt, ſie wieder<lb/> an ihren Ort zu ſtellen; wenn ſie durch die gleichen Künſte das<lb/> Bein wieder bekämen, das du ihnen abgebrochen, ſo bliebeſt du<lb/> allenfalls, der du biſt, würdeſt nicht unreinlicher und unordent-<lb/> licher, als du am erſten Tag wareſt. Aber das geht nicht ſo.<lb/> Die Unordnung, der Schmutz, den du angeſtellt, bleiben und<lb/> wirken nun auf <hi rendition="#g">dich</hi> zurück. Dieſer Anblick ſtumpft dich ab;<lb/> dieſer Geſtank, dieſe ſchlechte Luft verderbt, ſchwächt dich; du<lb/> biſt am zweiten Tag ſchon unordentlicher und unreinlicher; ſchon<lb/> ſchwächer, dich zum Rechten zu ermannen. Es iſt da die Pro-<lb/> greſſivſteuer eingeführt. Ermahnt man dich, ein Lehrer, ein<lb/> Vorgeſetzter, ein Buch, unterdeſſen zur Ordnung und Reinlich-<lb/> keit, ſo baut das etwas auf; es nützt etwas. Aber die Unord-<lb/> nung, die Unſauberkeit in der Wohnung ſtellt auch das Jhre<lb/> dagegen, und ſo gleicht es ſich im beſten Falle aus, d. h. die<lb/> Ermahnung nützt nichts. Jſt keine ſolche Ermahnung vorhan-<lb/> den, ſo treibt die Wohnung ganz ungeſtört ihr Geſchäft mit<lb/> dir fort, und ſie wird deiner bald Meiſter; denn die Progreſſiv-<lb/> ſteuer wächst ſchnell. Ferner: Es leben oft Leute in der un-<lb/> reinlichen Wohnung, die noch nichts an der Wohnung machen<lb/> können, nichts an ihr verändern, weder verbeſſern noch ver-<lb/> ſchlechtern, z. B. Kinder, oder ſogenannte Hausleute, Miethleute,<lb/> die ſich nicht muckſen dürfen neben des Eigenthümers Familie,<lb/> wenn auch alles drüber und drunter ginge. Sie müſſen eben<lb/> oft gar entſetzlich froh ſein, daß man ſie nur duldet. Die Woh-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [15/0015]
Wohnung? er macht aus einem Hüttchen ein Ding von Pal-
läſtchen oder aus einem Pallaſt einen Schweinſtall? Wie man
denn überall in der Welt, auch im Großen, ſieht, daß nach den
Leuten, je nach ihrer Bildung, ſogar nach ihrer Religion und
ſtaatlichen Verfaſſung ihre Wohnungen ſind. Das iſt folgender-
maßen zu erklären: ein ſäuiſcher Menſch übt einen ſäuiſchen
Einfluß auf ſeine Wohnung aus; er macht ſie unrein. Nun
aber gilt hier Zahn um Zahn; die Wohnung giebt dir's zurück,
und macht dich noch ſäuiſcher als du ſchon wareſt. Wenn dein
unreinliches Thun an der Wohnung nicht anſchlüge; wenn ſie
ſauber bliebe, obſchon du ſie mit Koth bewürfeſt; wenn die
Stühle durch Hexenwerk gleich wieder an ihren Ort flögen, wo
du ſie genommen, obſchon du keine Hand rührteſt, ſie wieder
an ihren Ort zu ſtellen; wenn ſie durch die gleichen Künſte das
Bein wieder bekämen, das du ihnen abgebrochen, ſo bliebeſt du
allenfalls, der du biſt, würdeſt nicht unreinlicher und unordent-
licher, als du am erſten Tag wareſt. Aber das geht nicht ſo.
Die Unordnung, der Schmutz, den du angeſtellt, bleiben und
wirken nun auf dich zurück. Dieſer Anblick ſtumpft dich ab;
dieſer Geſtank, dieſe ſchlechte Luft verderbt, ſchwächt dich; du
biſt am zweiten Tag ſchon unordentlicher und unreinlicher; ſchon
ſchwächer, dich zum Rechten zu ermannen. Es iſt da die Pro-
greſſivſteuer eingeführt. Ermahnt man dich, ein Lehrer, ein
Vorgeſetzter, ein Buch, unterdeſſen zur Ordnung und Reinlich-
keit, ſo baut das etwas auf; es nützt etwas. Aber die Unord-
nung, die Unſauberkeit in der Wohnung ſtellt auch das Jhre
dagegen, und ſo gleicht es ſich im beſten Falle aus, d. h. die
Ermahnung nützt nichts. Jſt keine ſolche Ermahnung vorhan-
den, ſo treibt die Wohnung ganz ungeſtört ihr Geſchäft mit
dir fort, und ſie wird deiner bald Meiſter; denn die Progreſſiv-
ſteuer wächst ſchnell. Ferner: Es leben oft Leute in der un-
reinlichen Wohnung, die noch nichts an der Wohnung machen
können, nichts an ihr verändern, weder verbeſſern noch ver-
ſchlechtern, z. B. Kinder, oder ſogenannte Hausleute, Miethleute,
die ſich nicht muckſen dürfen neben des Eigenthümers Familie,
wenn auch alles drüber und drunter ginge. Sie müſſen eben
oft gar entſetzlich froh ſein, daß man ſie nur duldet. Die Woh-
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