Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Beer, Johann]: Jucundi Jucundissimi Wunderliche Lebens-Beschreibung. [s. l.], 1680.

Bild:
<< vorherige Seite

Kurzweiliger
der Pfarr-Herr stunde an meinem Fen-
ster gegen seinen Obst-Garten über/
dort hatte der Wind eine faule Pirn
von einem Baum auf die Straße her-
aus geworfen/ da schrye er immer wi-
der einem Jungen/ welcher die Pirn
aufgehoben: Gieb mir die Pirn! Gieb
mir die Pirn! Es gehört mir zu! Es
gehöret mir zu! Sie ist mein/ du Gal-
gen-Vogel! Laß mir die Pirn da!
Also muste der Junge die Pirn in den
Pfarr-Hof tragen/ und der Priester
stellete sie ober der Thür/ als einen son-
derlichen Zierrath.

Er hatte ein Häublein von abge-
schabenem Leder auf dem Kopf/ mit
welchem er auch die Fliegen zu erschla-
gen pflegte/ daraus konte ich spüren/
an welchen Schuster-haftigen Orth
mich der Schuster geführet hätte. Er
hieße unß willkommen und niedersitzen/
und als er mich wegen meines Stu-
dierens examiniret/ kame ein Weibs-
Bild in die Stube/ die hatte den Rock
bis über die Knye hinauf geschürzet;
Sie gienge parfuß/ und dahero sahe
man gar leichtlich/ daß sie müßte Mist

aufge-

Kurzweiliger
der Pfarr-Herꝛ ſtunde an meinem Fen-
ſter gegen ſeinen Obſt-Garten uͤber/
dort hatte der Wind eine faule Pirn
von einem Baum auf die Straße her-
aus geworfen/ da ſchrye er immer wi-
der einem Jungen/ welcher die Pirn
aufgehoben: Gieb mir die Pirn! Gieb
mir die Pirn! Es gehoͤrt mir zu! Es
gehoͤret mir zu! Sie iſt mein/ du Gal-
gen-Vogel! Laß mir die Pirn da!
Alſo muſte der Junge die Pirn in den
Pfarꝛ-Hof tragen/ und der Prieſter
ſtellete ſie ober der Thuͤr/ als einen ſon-
derlichen Zierrath.

Er hatte ein Haͤublein von abge-
ſchabenem Leder auf dem Kopf/ mit
welchem er auch die Fliegen zu erſchla-
gen pflegte/ daraus konte ich ſpuͤren/
an welchen Schuſter-haftigen Orth
mich der Schuſter gefuͤhret haͤtte. Er
hieße unß willkommen und niederſitzen/
und als er mich wegen meines Stu-
dierens examiniret/ kame ein Weibs-
Bild in die Stube/ die hatte den Rock
bis uͤber die Knye hinauf geſchuͤrzet;
Sie gienge parfuß/ und dahero ſahe
man gar leichtlich/ daß ſie muͤßte Miſt

aufge-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0134" n="126"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Kurzweiliger</hi></fw><lb/>
der Pfarr-Her&#xA75B; &#x017F;tunde an meinem Fen-<lb/>
&#x017F;ter gegen &#x017F;einen Ob&#x017F;t-Garten u&#x0364;ber/<lb/>
dort hatte der Wind eine faule Pirn<lb/>
von einem Baum auf die Straße her-<lb/>
aus geworfen/ da &#x017F;chrye er immer wi-<lb/>
der einem Jungen/ welcher die Pirn<lb/>
aufgehoben: Gieb mir die Pirn! Gieb<lb/>
mir die Pirn! Es geho&#x0364;rt mir zu! Es<lb/>
geho&#x0364;ret mir zu! Sie i&#x017F;t mein/ du Gal-<lb/>
gen-Vogel! Laß mir die Pirn da!<lb/>
Al&#x017F;o mu&#x017F;te der Junge die Pirn in den<lb/>
Pfar&#xA75B;-Hof tragen/ und der Prie&#x017F;ter<lb/>
&#x017F;tellete &#x017F;ie ober der Thu&#x0364;r/ als einen &#x017F;on-<lb/>
derlichen Zierrath.</p><lb/>
        <p>Er hatte ein Ha&#x0364;ublein von abge-<lb/>
&#x017F;chabenem Leder auf dem Kopf/ mit<lb/>
welchem er auch die Fliegen zu er&#x017F;chla-<lb/>
gen pflegte/ daraus konte ich &#x017F;pu&#x0364;ren/<lb/>
an welchen Schu&#x017F;ter-haftigen Orth<lb/>
mich der Schu&#x017F;ter gefu&#x0364;hret ha&#x0364;tte. Er<lb/>
hieße unß willkommen und nieder&#x017F;itzen/<lb/>
und als er mich wegen meines Stu-<lb/>
dierens <hi rendition="#aq">examin</hi>iret/ kame ein Weibs-<lb/>
Bild in die Stube/ die hatte den Rock<lb/>
bis u&#x0364;ber die Knye hinauf ge&#x017F;chu&#x0364;rzet;<lb/>
Sie gienge parfuß/ und dahero &#x017F;ahe<lb/>
man gar leichtlich/ daß &#x017F;ie mu&#x0364;ßte Mi&#x017F;t<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">aufge-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[126/0134] Kurzweiliger der Pfarr-Herꝛ ſtunde an meinem Fen- ſter gegen ſeinen Obſt-Garten uͤber/ dort hatte der Wind eine faule Pirn von einem Baum auf die Straße her- aus geworfen/ da ſchrye er immer wi- der einem Jungen/ welcher die Pirn aufgehoben: Gieb mir die Pirn! Gieb mir die Pirn! Es gehoͤrt mir zu! Es gehoͤret mir zu! Sie iſt mein/ du Gal- gen-Vogel! Laß mir die Pirn da! Alſo muſte der Junge die Pirn in den Pfarꝛ-Hof tragen/ und der Prieſter ſtellete ſie ober der Thuͤr/ als einen ſon- derlichen Zierrath. Er hatte ein Haͤublein von abge- ſchabenem Leder auf dem Kopf/ mit welchem er auch die Fliegen zu erſchla- gen pflegte/ daraus konte ich ſpuͤren/ an welchen Schuſter-haftigen Orth mich der Schuſter gefuͤhret haͤtte. Er hieße unß willkommen und niederſitzen/ und als er mich wegen meines Stu- dierens examiniret/ kame ein Weibs- Bild in die Stube/ die hatte den Rock bis uͤber die Knye hinauf geſchuͤrzet; Sie gienge parfuß/ und dahero ſahe man gar leichtlich/ daß ſie muͤßte Miſt aufge-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beer_lebensbeschreibung_1680
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beer_lebensbeschreibung_1680/134
Zitationshilfe: [Beer, Johann]: Jucundi Jucundissimi Wunderliche Lebens-Beschreibung. [s. l.], 1680, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beer_lebensbeschreibung_1680/134>, abgerufen am 03.05.2024.