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Behrens, Georg Henning: Hercynia Curiosa, oder Curiöser Hartz-Wald. Nordhausen, 1703.

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Das I Capitel
V.
Von zweyen Questenbergischen Hölen/ das
grosse und kleine kalte Loch oder
Eis-Loch genannt.

JN dem benachbarten Hoch-Gräflichen Stolbergischen gegen
dem Vor- oder Vorder-Hartze gelegenen Ambte Questen-
berg lieget in einem Thale zwischen zweyen Bergen ein Dorff/ so
ebenfalls wie das Ambt Questenberg heisset; Unter vor besagten
Bergen nun befindet sich einer/ so ein Kalck-Berg/ und an der Sei-
te/ da er nach dem Dorffe zugehet/ sehr hoch und stickel ist/ welchen
die Einwohner gemeldeten Dorffes den Wasser-Berg nennen/ und
derjenige ist/ so von denen Curiosis gesuchet wird/ massen man da-
selbst auf der Sommer-Halbe/ oder der mittägigen Seite/ da der
Weg nach Wickerode zu gehet/ gleich unter dem Dorffe einen Riß
oder Loch antrifft/ so etliche Klaffter tieff ist/ in welchem zu Som-
mers-Zeit/ auch in denen allerheissesten Tagen/ eine solche hefftige
Kälte verspüret wird/ daß die Tropfen des in dieselbe fliessenden
Wassers/ als wie im Winter an denen Dächern geschiehet/ zu Eis-
Zapfen gefrieren/ und bald vorne im Eingange herab hangen/ daß es
also scheinet/ als wenn die Natur alhier gleichsam einen immer-wäh-
renden Winter im Sommer machen wolle/ wie denn auch die Kälte
daselbst so empfindlich/ daß/ wenn einer so vorwitzig ist/ und die Nase
hinein stecket/ solcher dieselbe bald wieder/ der grausamen Kälte we-
gen/ zurück ziehet. Dieser sehr kalte Ort wird das kleine kalte Loch
oder das Eis-Loch genennet/ zum Unterschied des berühmten grossen
kalten Loches/ als welches weiter in den Berg hinein lieget/ und an
sich selbst nichts anders/ als eine aus einem Kalck-Stein-Felsen be-
stehende geraume und nicht sehr tieffe Liecht-helle Höle ist/ darinnen
im Sommer eine Wunder-würdige Kälte angetroffen wird. Wenn
ein curieuser Herr nicht weit von dieser kalten Höle ein Schloß oder
andere Lust-Wohnung aufbauen liesse/ so könten die Gemächer

der-
Das I Capitel
V.
Von zweyen Queſtenbergiſchen Hoͤlen/ das
groſſe und kleine kalte Loch oder
Eis-Loch genannt.

JN dem benachbarten Hoch-Graͤflichen Stolbergiſchen gegen
dem Vor- oder Vorder-Hartze gelegenen Ambte Queſten-
berg lieget in einem Thale zwiſchen zweyen Bergen ein Dorff/ ſo
ebenfalls wie das Ambt Queſtenberg heiſſet; Unter vor beſagten
Bergen nun befindet ſich einer/ ſo ein Kalck-Berg/ und an der Sei-
te/ da er nach dem Dorffe zugehet/ ſehr hoch und ſtickel iſt/ welchen
die Einwohner gemeldeten Dorffes den Waſſer-Berg nennen/ und
derjenige iſt/ ſo von denen Curioſis geſuchet wird/ maſſen man da-
ſelbſt auf der Sommer-Halbe/ oder der mittaͤgigen Seite/ da der
Weg nach Wickerode zu gehet/ gleich unter dem Dorffe einen Riß
oder Loch antrifft/ ſo etliche Klaffter tieff iſt/ in welchem zu Som-
mers-Zeit/ auch in denen allerheiſſeſten Tagen/ eine ſolche hefftige
Kaͤlte verſpuͤret wird/ daß die Tropfen des in dieſelbe flieſſenden
Waſſers/ als wie im Winter an denen Daͤchern geſchiehet/ zu Eis-
Zapfen gefrieren/ und bald vorne im Eingange herab hangen/ daß es
alſo ſcheinet/ als wenn die Natur alhier gleichſam einen immer-waͤh-
renden Winter im Sommer machen wolle/ wie denn auch die Kaͤlte
daſelbſt ſo empfindlich/ daß/ wenn einer ſo vorwitzig iſt/ und die Naſe
hinein ſtecket/ ſolcher dieſelbe bald wieder/ der grauſamen Kaͤlte we-
gen/ zuruͤck ziehet. Dieſer ſehr kalte Ort wird das kleine kalte Loch
oder das Eis-Loch genennet/ zum Unterſchied des beruͤhmten groſſen
kalten Loches/ als welches weiter in den Berg hinein lieget/ und an
ſich ſelbſt nichts anders/ als eine aus einem Kalck-Stein-Felſen be-
ſtehende geraume und nicht ſehr tieffe Liecht-helle Hoͤle iſt/ darinnen
im Sommer eine Wunder-wuͤrdige Kaͤlte angetroffen wird. Wenn
ein curieuſer Herr nicht weit von dieſer kalten Hoͤle ein Schloß oder
andere Luſt-Wohnung aufbauen lieſſe/ ſo koͤnten die Gemaͤcher

der-
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[68/0080] Das I Capitel V. Von zweyen Queſtenbergiſchen Hoͤlen/ das groſſe und kleine kalte Loch oder Eis-Loch genannt. JN dem benachbarten Hoch-Graͤflichen Stolbergiſchen gegen dem Vor- oder Vorder-Hartze gelegenen Ambte Queſten- berg lieget in einem Thale zwiſchen zweyen Bergen ein Dorff/ ſo ebenfalls wie das Ambt Queſtenberg heiſſet; Unter vor beſagten Bergen nun befindet ſich einer/ ſo ein Kalck-Berg/ und an der Sei- te/ da er nach dem Dorffe zugehet/ ſehr hoch und ſtickel iſt/ welchen die Einwohner gemeldeten Dorffes den Waſſer-Berg nennen/ und derjenige iſt/ ſo von denen Curioſis geſuchet wird/ maſſen man da- ſelbſt auf der Sommer-Halbe/ oder der mittaͤgigen Seite/ da der Weg nach Wickerode zu gehet/ gleich unter dem Dorffe einen Riß oder Loch antrifft/ ſo etliche Klaffter tieff iſt/ in welchem zu Som- mers-Zeit/ auch in denen allerheiſſeſten Tagen/ eine ſolche hefftige Kaͤlte verſpuͤret wird/ daß die Tropfen des in dieſelbe flieſſenden Waſſers/ als wie im Winter an denen Daͤchern geſchiehet/ zu Eis- Zapfen gefrieren/ und bald vorne im Eingange herab hangen/ daß es alſo ſcheinet/ als wenn die Natur alhier gleichſam einen immer-waͤh- renden Winter im Sommer machen wolle/ wie denn auch die Kaͤlte daſelbſt ſo empfindlich/ daß/ wenn einer ſo vorwitzig iſt/ und die Naſe hinein ſtecket/ ſolcher dieſelbe bald wieder/ der grauſamen Kaͤlte we- gen/ zuruͤck ziehet. Dieſer ſehr kalte Ort wird das kleine kalte Loch oder das Eis-Loch genennet/ zum Unterſchied des beruͤhmten groſſen kalten Loches/ als welches weiter in den Berg hinein lieget/ und an ſich ſelbſt nichts anders/ als eine aus einem Kalck-Stein-Felſen be- ſtehende geraume und nicht ſehr tieffe Liecht-helle Hoͤle iſt/ darinnen im Sommer eine Wunder-wuͤrdige Kaͤlte angetroffen wird. Wenn ein curieuſer Herr nicht weit von dieſer kalten Hoͤle ein Schloß oder andere Luſt-Wohnung aufbauen lieſſe/ ſo koͤnten die Gemaͤcher der-

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Zitationshilfe: Behrens, Georg Henning: Hercynia Curiosa, oder Curiöser Hartz-Wald. Nordhausen, 1703, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/behrens_hercynia_1703/80>, abgerufen am 29.11.2024.