" von meinem dritten, vierten Jahre an, daß wir ge- gläubt haben, der Heiland bleibt nicht vier Jahr mehr aus.
Wenn mans nun beym Lichten befieht, was der Trieb, das Triebwerk zu allem war; so wars nicht das inwendige, es war nicht das Herz, es war nicht das Creuz JESU, es war nicht das, was er für uns gelitten hat: sondern es war die Hoffnung, vom Bösen erlöst zu werden, ein ruhigers und ver- gnügters Leben zu führen, zu dem Seinigen wieder zu kommen; oder, wenns ja nicht so weit käme, die Rache ausüben zu sehen an den Räubern, an den Menschen, die einen ums seinige, um sein Geld ge- bracht hatten.
Es war denn auch manchmal ein Trost. Man hatte kein Geld mehr, so wolte man einen andern Trost haben, das war ein gutes Buch, das war eine schöne Predigt, das war ein guter Umgang mit den Leuten.
Und darein mengte sich zu gleicher Zeit, der Geist der Prophezeyung von bessern Zeiten; und wenn man auch nicht auf die äusserste Extremitaet fiel: so fielen sie doch alle auf die Erklärung der Offenbah- rung Johannis, auf die determination der Zeiten und Stunden; und wenn ihrer dreyssig zu Schan- den wurden, so kam doch der ein und dreyssigste, und brachte eine neue Erklärung.
Den Leuten fiel gar nicht ein, was der Heiland gesagt: Die Zeitrechnung ist gar nicht euer Werk, ihr könnt versichert seyn, wenn mein Vater wird auf den periodum kommen, da er alle Feinde zu seines Sohns Füssen legen will, er wird weder die Welt noch euch drum fragen. Der Welt wird ers nicht zu melden haben, und euch wird ers nicht sagen.
Ich habe mich schon vielmal gewundert, wa- rum doch die lieben Leute sich in einen so gefährli- chen Weg hinein begeben: denn es ist ein rechtes Mirakel, daß man solche Leute nicht schon lange hat genommen, und hat sie torquirt, zu sagen, was sie " wissen von zukünftigen Dingen. Wenn man die heu-
tige
TheilI.Cap.III.Satz 33.
” von meinem dritten, vierten Jahre an, daß wir ge- glaͤubt haben, der Heiland bleibt nicht vier Jahr mehr aus.
Wenn mans nun beym Lichten befieht, was der Trieb, das Triebwerk zu allem war; ſo wars nicht das inwendige, es war nicht das Herz, es war nicht das Creuz JESU, es war nicht das, was er fuͤr uns gelitten hat: ſondern es war die Hoffnung, vom Boͤſen erloͤſt zu werden, ein ruhigers und ver- gnuͤgters Leben zu fuͤhren, zu dem Seinigen wieder zu kommen; oder, wenns ja nicht ſo weit kaͤme, die Rache ausuͤben zu ſehen an den Raͤubern, an den Menſchen, die einen ums ſeinige, um ſein Geld ge- bracht hatten.
Es war denn auch manchmal ein Troſt. Man hatte kein Geld mehr, ſo wolte man einen andern Troſt haben, das war ein gutes Buch, das war eine ſchoͤne Predigt, das war ein guter Umgang mit den Leuten.
Und darein mengte ſich zu gleicher Zeit, der Geiſt der Prophezeyung von beſſern Zeiten; und wenn man auch nicht auf die aͤuſſerſte Extremitæt fiel: ſo fielen ſie doch alle auf die Erklaͤrung der Offenbah- rung Johannis, auf die determination der Zeiten und Stunden; und wenn ihrer dreyſſig zu Schan- den wurden, ſo kam doch der ein und dreyſſigſte, und brachte eine neue Erklaͤrung.
Den Leuten fiel gar nicht ein, was der Heiland geſagt: Die Zeitrechnung iſt gar nicht euer Werk, ihr koͤnnt verſichert ſeyn, wenn mein Vater wird auf den periodum kommen, da er alle Feinde zu ſeines Sohns Fuͤſſen legen will, er wird weder die Welt noch euch drum fragen. Der Welt wird ers nicht zu melden haben, und euch wird ers nicht ſagen.
Ich habe mich ſchon vielmal gewundert, wa- rum doch die lieben Leute ſich in einen ſo gefaͤhrli- chen Weg hinein begeben: denn es iſt ein rechtes Mirakel, daß man ſolche Leute nicht ſchon lange hat genommen, und hat ſie torquirt, zu ſagen, was ſie ” wiſſen von zukuͤnftigen Dingen. Wenn man die heu-
tige
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Theil I. Cap. III. Satz 33.
” von meinem dritten, vierten Jahre an, daß wir ge-
glaͤubt haben, der Heiland bleibt nicht vier Jahr
mehr aus.
Wenn mans nun beym Lichten befieht, was der
Trieb, das Triebwerk zu allem war; ſo wars nicht
das inwendige, es war nicht das Herz, es war nicht
das Creuz JESU, es war nicht das, was er fuͤr
uns gelitten hat: ſondern es war die Hoffnung,
vom Boͤſen erloͤſt zu werden, ein ruhigers und ver-
gnuͤgters Leben zu fuͤhren, zu dem Seinigen wieder
zu kommen; oder, wenns ja nicht ſo weit kaͤme, die
Rache ausuͤben zu ſehen an den Raͤubern, an den
Menſchen, die einen ums ſeinige, um ſein Geld ge-
bracht hatten.
Es war denn auch manchmal ein Troſt. Man
hatte kein Geld mehr, ſo wolte man einen andern
Troſt haben, das war ein gutes Buch, das war
eine ſchoͤne Predigt, das war ein guter Umgang mit
den Leuten.
Und darein mengte ſich zu gleicher Zeit, der Geiſt
der Prophezeyung von beſſern Zeiten; und wenn
man auch nicht auf die aͤuſſerſte Extremitæt fiel: ſo
fielen ſie doch alle auf die Erklaͤrung der Offenbah-
rung Johannis, auf die determination der Zeiten
und Stunden; und wenn ihrer dreyſſig zu Schan-
den wurden, ſo kam doch der ein und dreyſſigſte,
und brachte eine neue Erklaͤrung.
Den Leuten fiel gar nicht ein, was der Heiland
geſagt: Die Zeitrechnung iſt gar nicht euer Werk,
ihr koͤnnt verſichert ſeyn, wenn mein Vater wird auf
den periodum kommen, da er alle Feinde zu ſeines
Sohns Fuͤſſen legen will, er wird weder die Welt
noch euch drum fragen. Der Welt wird ers nicht
zu melden haben, und euch wird ers nicht ſagen.
Ich habe mich ſchon vielmal gewundert, wa-
rum doch die lieben Leute ſich in einen ſo gefaͤhrli-
chen Weg hinein begeben: denn es iſt ein rechtes
Mirakel, daß man ſolche Leute nicht ſchon lange hat
genommen, und hat ſie torquirt, zu ſagen, was ſie
” wiſſen von zukuͤnftigen Dingen. Wenn man die heu-
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Bengel, Johann Albrecht: Abriß der so genannten Brüdergemeine. Bd. 1. Stuttgart, 1751, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bengel_abriss01_1751/268>, abgerufen am 16.07.2024.
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