Bengel, Johann Albrecht: Abriß der so genannten Brüdergemeine. Bd. 1. Stuttgart, 1751.Von der H. Dreyeinigkeit. Wie stark ist zugleich der Irrthum und derHerzens-Dünkel! erstlich, daß der Ordinarius das klare ganze Zeugniß der heiligen Schrift A. und N. T. welche in ihrem Zusammenhang wie ein einiger gegen ihn streitender Spruch ist, so gar hat aus den Augen setzen, ja auf seine Meinungen zwingen können; und für das an- dere, daß seine sämtliche Gemeine, und bey derselben so viele vorhin in der heiligen Schrift geübte Arbeiter ihnen beypflichten, oder doch zu seiner Neuerung schweigen, und so vieler bün- digen Vorstellungen ungeachtet weder ihn von sich, noch sich von ihm abthun? Es muß das göttliche Licht von ihnen gewichen, und entwe- der ihnen an der Ehre GOttes sehr wenig gele- gen, oder ihre Meynung von ihrem Meister so hoch seyn, daß sie ihn über alle Apostel und vorige Männer GOttes, ja auch über alle Re- den, die GOtt in seinem Buche von sich selb- sten führet, hinaufsezen, und ihn so für Ganz halten, wie er in den Zeyster Reden s. 362 das Ganze überhaupt beschreibet. Was Wun- der ist es, wann sie zu allen übrigen Irrthü- mern ja oder doch nicht nein sagen? Bekommt ihrer einer dieses zu lesen, so denke er in rech- ter Einfalt ein Stündlein unter Gebet und Flehen nach, und was ihm alsdenn sein Herz und Gewissen sagt, das sage er seinen Brü- dern zu ihrer Stärkung. Es wird von ihnen gefordert werden, sie mögen sich selbs eine Wei- le rechtfertigen und segnen, wie sie wollen. Um- sonst ist es, wann die Vornehmste oder Gemei- neste
Von der H. Dreyeinigkeit. Wie ſtark iſt zugleich der Irrthum und derHerzens-Duͤnkel! erſtlich, daß der Ordinarius das klare ganze Zeugniß der heiligen Schrift A. und N. T. welche in ihrem Zuſammenhang wie ein einiger gegen ihn ſtreitender Spruch iſt, ſo gar hat aus den Augen ſetzen, ja auf ſeine Meinungen zwingen koͤnnen; und fuͤr das an- dere, daß ſeine ſaͤmtliche Gemeine, und bey derſelben ſo viele vorhin in der heiligen Schrift geuͤbte Arbeiter ihnen beypflichten, oder doch zu ſeiner Neuerung ſchweigen, und ſo vieler buͤn- digen Vorſtellungen ungeachtet weder ihn von ſich, noch ſich von ihm abthun? Es muß das goͤttliche Licht von ihnen gewichen, und entwe- der ihnen an der Ehre GOttes ſehr wenig gele- gen, oder ihre Meynung von ihrem Meiſter ſo hoch ſeyn, daß ſie ihn uͤber alle Apoſtel und vorige Maͤnner GOttes, ja auch uͤber alle Re- den, die GOtt in ſeinem Buche von ſich ſelb- ſten fuͤhret, hinaufſezen, und ihn ſo fuͤr Ganz halten, wie er in den Zeyſter Reden ſ. 362 das Ganze uͤberhaupt beſchreibet. Was Wun- der iſt es, wann ſie zu allen uͤbrigen Irrthuͤ- mern ja oder doch nicht nein ſagen? Bekommt ihrer einer dieſes zu leſen, ſo denke er in rech- ter Einfalt ein Stuͤndlein unter Gebet und Flehen nach, und was ihm alsdenn ſein Herz und Gewiſſen ſagt, das ſage er ſeinen Bruͤ- dern zu ihrer Staͤrkung. Es wird von ihnen gefordert werden, ſie moͤgen ſich ſelbs eine Wei- le rechtfertigen und ſegnen, wie ſie wollen. Um- ſonſt iſt es, wann die Vornehmſte oder Gemei- neſte
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Von der H. Dreyeinigkeit.
Wie ſtark iſt zugleich der Irrthum und der
Herzens-Duͤnkel! erſtlich, daß der Ordinarius
das klare ganze Zeugniß der heiligen Schrift
A. und N. T. welche in ihrem Zuſammenhang
wie ein einiger gegen ihn ſtreitender Spruch iſt,
ſo gar hat aus den Augen ſetzen, ja auf ſeine
Meinungen zwingen koͤnnen; und fuͤr das an-
dere, daß ſeine ſaͤmtliche Gemeine, und bey
derſelben ſo viele vorhin in der heiligen Schrift
geuͤbte Arbeiter ihnen beypflichten, oder doch zu
ſeiner Neuerung ſchweigen, und ſo vieler buͤn-
digen Vorſtellungen ungeachtet weder ihn von
ſich, noch ſich von ihm abthun? Es muß das
goͤttliche Licht von ihnen gewichen, und entwe-
der ihnen an der Ehre GOttes ſehr wenig gele-
gen, oder ihre Meynung von ihrem Meiſter
ſo hoch ſeyn, daß ſie ihn uͤber alle Apoſtel und
vorige Maͤnner GOttes, ja auch uͤber alle Re-
den, die GOtt in ſeinem Buche von ſich ſelb-
ſten fuͤhret, hinaufſezen, und ihn ſo fuͤr Ganz
halten, wie er in den Zeyſter Reden ſ. 362 das
Ganze uͤberhaupt beſchreibet. Was Wun-
der iſt es, wann ſie zu allen uͤbrigen Irrthuͤ-
mern ja oder doch nicht nein ſagen? Bekommt
ihrer einer dieſes zu leſen, ſo denke er in rech-
ter Einfalt ein Stuͤndlein unter Gebet und
Flehen nach, und was ihm alsdenn ſein Herz
und Gewiſſen ſagt, das ſage er ſeinen Bruͤ-
dern zu ihrer Staͤrkung. Es wird von ihnen
gefordert werden, ſie moͤgen ſich ſelbs eine Wei-
le rechtfertigen und ſegnen, wie ſie wollen. Um-
ſonſt iſt es, wann die Vornehmſte oder Gemei-
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