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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.

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Neues Religionsedict. Verfolgungen.
gekannte Widerstand ihrer Unterthanen scheint bei den japanischen
Mächtigen grosses Missbehagen erregt zu haben: jetzt erst zeigte sich
recht lebhaft, in welchem Maasse das Christenthum das Bewusstsein
des Volkes geweckt, und wie grosse Macht die Missionare auf die
Gemüther der Bekehrten hatten. Jyeyas erliess, ohne die Lehns-
1606.fürsten zur Verfolgung ausdrücklich aufzufordern, im Jahre 1606
ein Edict, welches die christliche Religion abermals verbot: die
Geistlichen mussten ihre Amtstracht wieder ablegen, die Kirchen
schliessen. Im Uebrigen trat er nicht feindlich gegen sie auf, empfing
im Gegentheil in demselben Jahre den neuen Bischof Cerqueira und
im folgenden den Ordens-Visitator Valignan mit dem Pater Rodriguez
sehr ehrenvoll, und veranlasste die Letzteren sogar, seinen Sohn
Fide-tada in Yeddo zu besuchen; -- sie wurden auch an diesem
Hofe glänzend aufgenommen. -- In Yeddo bestand damals eine von
Franciscanern gegründete christliche Gemeinde. --

Das Edict von 1606 veranlasste in den folgenden Jahren neue
Verfolgungen gegen die japanischen Christen von Seiten der Lehns-
fürsten, namentlich auf Kiusiu; man erfand die ausgesuchtesten
Grausamkeiten, gegen deren Schilderung das Gefühl sich sträubt.
Aber die Meisten blieben standhaft: in Nangasaki, das ganz von
Christen bewohnt war, konnte der kaiserliche Statthalter, ein er-
bitterter Christenhasser, mit aller Strenge nichts ausrichten, überall
standen die Missionare den Gläubigen tröstend und ermuthigend zur
Seite, ja sie begeisterten sie durch Verheissung himmlischer Freuden
zum Verlangen des Märtyrertodes. Dennoch findet sich nirgend er-
wähnt, dass ausser dem nur nominell bestehenden Verbannungsedict
und dem Verbote des öffentlichen Gottesdienstes vor dem Jahre 1610
irgend welche Maassregeln gegen die europäischen Geistlichen er-
griffen worden wären. Im Gegentheil erhielt der General-Gouverneur
der Philippinen, Don Rodrigo de Vivero y Velasquo, welcher 1608 79)

79) Adams giebt 1609 an. Seit dem Anfange des Jahrhunderts ging jährlich ein
grosses Schiff von Manila nach Acapulco; ein solches benutzte Don Rodrigo zur
Heimreise. -- Er spricht sich mit der grössten Befriedigung über seinen Empfang,
mit Bewunderung über die geordneten Zustände des Reiches aus, und erklärt, wenn
er keine andere Pflichten hätte, gern sein Leben in Japan beschliessen zu wollen.
Die ganze Ladung des Schiffes wurde freigegeben, obwohl sie nach den Landes-
gesetzen der Regierung verfiel. Jyeyas liess dem Gouverneur durch Adams ein
neues Schiff bauen, auf welchem die Spanier glücklich Acapulco erreichten. Von da
kam 1611 eine Gesandtschaft nach Japan, um für die genossenen Wohlthaten zu
danken und jenes Schiff zu bezahlen; sie scheint aber unter den veränderten

Neues Religionsedict. Verfolgungen.
gekannte Widerstand ihrer Unterthanen scheint bei den japanischen
Mächtigen grosses Missbehagen erregt zu haben: jetzt erst zeigte sich
recht lebhaft, in welchem Maasse das Christenthum das Bewusstsein
des Volkes geweckt, und wie grosse Macht die Missionare auf die
Gemüther der Bekehrten hatten. Jyeyas erliess, ohne die Lehns-
1606.fürsten zur Verfolgung ausdrücklich aufzufordern, im Jahre 1606
ein Edict, welches die christliche Religion abermals verbot: die
Geistlichen mussten ihre Amtstracht wieder ablegen, die Kirchen
schliessen. Im Uebrigen trat er nicht feindlich gegen sie auf, empfing
im Gegentheil in demselben Jahre den neuen Bischof Cerqueira und
im folgenden den Ordens-Visitator Valignan mit dem Pater Rodriguez
sehr ehrenvoll, und veranlasste die Letzteren sogar, seinen Sohn
Fide-tada in Yeddo zu besuchen; — sie wurden auch an diesem
Hofe glänzend aufgenommen. — In Yeddo bestand damals eine von
Franciscanern gegründete christliche Gemeinde. —

Das Edict von 1606 veranlasste in den folgenden Jahren neue
Verfolgungen gegen die japanischen Christen von Seiten der Lehns-
fürsten, namentlich auf Kiusiu; man erfand die ausgesuchtesten
Grausamkeiten, gegen deren Schilderung das Gefühl sich sträubt.
Aber die Meisten blieben standhaft: in Naṅgasaki, das ganz von
Christen bewohnt war, konnte der kaiserliche Statthalter, ein er-
bitterter Christenhasser, mit aller Strenge nichts ausrichten, überall
standen die Missionare den Gläubigen tröstend und ermuthigend zur
Seite, ja sie begeisterten sie durch Verheissung himmlischer Freuden
zum Verlangen des Märtyrertodes. Dennoch findet sich nirgend er-
wähnt, dass ausser dem nur nominell bestehenden Verbannungsedict
und dem Verbote des öffentlichen Gottesdienstes vor dem Jahre 1610
irgend welche Maassregeln gegen die europäischen Geistlichen er-
griffen worden wären. Im Gegentheil erhielt der General-Gouverneur
der Philippinen, Don Rodrigo de Vivero y Velasquo, welcher 1608 79)

79) Adams giebt 1609 an. Seit dem Anfange des Jahrhunderts ging jährlich ein
grosses Schiff von Manila nach Acapulco; ein solches benutzte Don Rodrigo zur
Heimreise. — Er spricht sich mit der grössten Befriedigung über seinen Empfang,
mit Bewunderung über die geordneten Zustände des Reiches aus, und erklärt, wenn
er keine andere Pflichten hätte, gern sein Leben in Japan beschliessen zu wollen.
Die ganze Ladung des Schiffes wurde freigegeben, obwohl sie nach den Landes-
gesetzen der Regierung verfiel. Jyeyas liess dem Gouverneur durch Adams ein
neues Schiff bauen, auf welchem die Spanier glücklich Acapulco erreichten. Von da
kam 1611 eine Gesandtschaft nach Japan, um für die genossenen Wohlthaten zu
danken und jenes Schiff zu bezahlen; sie scheint aber unter den veränderten
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[78/0108] Neues Religionsedict. Verfolgungen. gekannte Widerstand ihrer Unterthanen scheint bei den japanischen Mächtigen grosses Missbehagen erregt zu haben: jetzt erst zeigte sich recht lebhaft, in welchem Maasse das Christenthum das Bewusstsein des Volkes geweckt, und wie grosse Macht die Missionare auf die Gemüther der Bekehrten hatten. Jyeyas erliess, ohne die Lehns- fürsten zur Verfolgung ausdrücklich aufzufordern, im Jahre 1606 ein Edict, welches die christliche Religion abermals verbot: die Geistlichen mussten ihre Amtstracht wieder ablegen, die Kirchen schliessen. Im Uebrigen trat er nicht feindlich gegen sie auf, empfing im Gegentheil in demselben Jahre den neuen Bischof Cerqueira und im folgenden den Ordens-Visitator Valignan mit dem Pater Rodriguez sehr ehrenvoll, und veranlasste die Letzteren sogar, seinen Sohn Fide-tada in Yeddo zu besuchen; — sie wurden auch an diesem Hofe glänzend aufgenommen. — In Yeddo bestand damals eine von Franciscanern gegründete christliche Gemeinde. — 1606. Das Edict von 1606 veranlasste in den folgenden Jahren neue Verfolgungen gegen die japanischen Christen von Seiten der Lehns- fürsten, namentlich auf Kiusiu; man erfand die ausgesuchtesten Grausamkeiten, gegen deren Schilderung das Gefühl sich sträubt. Aber die Meisten blieben standhaft: in Naṅgasaki, das ganz von Christen bewohnt war, konnte der kaiserliche Statthalter, ein er- bitterter Christenhasser, mit aller Strenge nichts ausrichten, überall standen die Missionare den Gläubigen tröstend und ermuthigend zur Seite, ja sie begeisterten sie durch Verheissung himmlischer Freuden zum Verlangen des Märtyrertodes. Dennoch findet sich nirgend er- wähnt, dass ausser dem nur nominell bestehenden Verbannungsedict und dem Verbote des öffentlichen Gottesdienstes vor dem Jahre 1610 irgend welche Maassregeln gegen die europäischen Geistlichen er- griffen worden wären. Im Gegentheil erhielt der General-Gouverneur der Philippinen, Don Rodrigo de Vivero y Velasquo, welcher 1608 79) 79) Adams giebt 1609 an. Seit dem Anfange des Jahrhunderts ging jährlich ein grosses Schiff von Manila nach Acapulco; ein solches benutzte Don Rodrigo zur Heimreise. — Er spricht sich mit der grössten Befriedigung über seinen Empfang, mit Bewunderung über die geordneten Zustände des Reiches aus, und erklärt, wenn er keine andere Pflichten hätte, gern sein Leben in Japan beschliessen zu wollen. Die ganze Ladung des Schiffes wurde freigegeben, obwohl sie nach den Landes- gesetzen der Regierung verfiel. Jyeyas liess dem Gouverneur durch Adams ein neues Schiff bauen, auf welchem die Spanier glücklich Acapulco erreichten. Von da kam 1611 eine Gesandtschaft nach Japan, um für die genossenen Wohlthaten zu danken und jenes Schiff zu bezahlen; sie scheint aber unter den veränderten

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/108>, abgerufen am 21.11.2024.