Kohlensaure Getränke sind für den Europäer ein Lebens- bedürfniss, Sodawasser und moussirende Limonade werden in Masse bereitet und verbraucht. Bei Tische trinken die Engländer noch meist die schweren spanischen Weine, an die sie in der Heimath gewöhnt sind, fangen aber hier und da auch schon an, sich zu leichteren Bordeaux- und zu Moselgewächsen zu bekehren. An Eis zur Kühlung fehlt es nicht; es kommt theils in grossen Schiffsladungen aus Nordamerika, theils wird es -- und in neuester Zeit fast ausschliesslich -- durch Verdunstungsmaschinen an Ort und Stelle erzeugt.
Im Ganzen lebt man bei allem Luxus recht schlecht. Am empfindlichsten ist der Mangel an guter Fleischkost und europäischen Gemüsen, Kartoffeln kommen in allen heissen Gegenden gar nicht fort. Zum Hunger bringt man es bei dem trägen Leben niemals und auch der Appetit schwindet bei längerem Aufenthalte mehr und mehr. So ist zu begreifen, dass der verstimmte Magen bald zu scharfen Gewürzen und anderen Reizmitteln seine Zuflucht nimmt.
Unser Leben war sehr unruhig während des kurzen Aufent- halts in Singapore; die Expedition erhielt äusserlich erst hier ihre Gestaltung und es gab tausenderlei zu berathen, zu besprechen. Die im Gefolge des Gesandten auf dem Ueberlandwege Gekom- menen hatten ihre Kammern auf den Kriegsschiffen einzurichten, in denen sie nichts als eine Schlafcoje und eine Kommode fanden, und noch mancherlei andere Vorkehrungen für die Weiterreise zu treffen; denn Singapore war, wenn wir nach Japan gingen, auf lange Zeit der letzte Hafen, wo man europäische Lebensbedürf- nisse kaufen konnte. Die auf den Kriegsschiffen eingetroffenen Herren, welche ihre Einrichtung in England gemacht und schon Erfahrung gesammelt hatten, gaben die nöthige Anleitung; die englischen Kaufleute lieferten -- zu ansehnlichen Preisen -- fast Alles was der Seereisende braucht, und liessen das Fehlende durch chinesische Handwerker anfertigen. Die Marine-Officiere, die Beamten und Mannschaften hatten nach der langen stürmischen Fahrt alle Hände voll zu thun, um die Schiffe wieder seefertig zu machen -- kurz, Jeder war eifrig beschäftigt. Dazu gab es Be- richte und Briefe zu schreiben, Besuche zu empfangen und zu erwiedern -- man kam nicht zur Besinnung; jeder freie Augen- blick wurde zu Spaziergängen in die Stadt und die Umgegend benutzt.
I. Getränke. — Die Expedition.
Kohlensaure Getränke sind für den Europäer ein Lebens- bedürfniss, Sodawasser und moussirende Limonade werden in Masse bereitet und verbraucht. Bei Tische trinken die Engländer noch meist die schweren spanischen Weine, an die sie in der Heimath gewöhnt sind, fangen aber hier und da auch schon an, sich zu leichteren Bordeaux- und zu Moselgewächsen zu bekehren. An Eis zur Kühlung fehlt es nicht; es kommt theils in grossen Schiffsladungen aus Nordamerika, theils wird es — und in neuester Zeit fast ausschliesslich — durch Verdunstungsmaschinen an Ort und Stelle erzeugt.
Im Ganzen lebt man bei allem Luxus recht schlecht. Am empfindlichsten ist der Mangel an guter Fleischkost und europäischen Gemüsen, Kartoffeln kommen in allen heissen Gegenden gar nicht fort. Zum Hunger bringt man es bei dem trägen Leben niemals und auch der Appetit schwindet bei längerem Aufenthalte mehr und mehr. So ist zu begreifen, dass der verstimmte Magen bald zu scharfen Gewürzen und anderen Reizmitteln seine Zuflucht nimmt.
Unser Leben war sehr unruhig während des kurzen Aufent- halts in Singapore; die Expedition erhielt äusserlich erst hier ihre Gestaltung und es gab tausenderlei zu berathen, zu besprechen. Die im Gefolge des Gesandten auf dem Ueberlandwege Gekom- menen hatten ihre Kammern auf den Kriegsschiffen einzurichten, in denen sie nichts als eine Schlafcoje und eine Kommode fanden, und noch mancherlei andere Vorkehrungen für die Weiterreisé zu treffen; denn Singapore war, wenn wir nach Japan gingen, auf lange Zeit der letzte Hafen, wo man europäische Lebensbedürf- nisse kaufen konnte. Die auf den Kriegsschiffen eingetroffenen Herren, welche ihre Einrichtung in England gemacht und schon Erfahrung gesammelt hatten, gaben die nöthige Anleitung; die englischen Kaufleute lieferten — zu ansehnlichen Preisen — fast Alles was der Seereisende braucht, und liessen das Fehlende durch chinesische Handwerker anfertigen. Die Marine-Officiere, die Beamten und Mannschaften hatten nach der langen stürmischen Fahrt alle Hände voll zu thun, um die Schiffe wieder seefertig zu machen — kurz, Jeder war eifrig beschäftigt. Dazu gab es Be- richte und Briefe zu schreiben, Besuche zu empfangen und zu erwiedern — man kam nicht zur Besinnung; jeder freie Augen- blick wurde zu Spaziergängen in die Stadt und die Umgegend benutzt.
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I. Getränke. — Die Expedition.
Kohlensaure Getränke sind für den Europäer ein Lebens-
bedürfniss, Sodawasser und moussirende Limonade werden in
Masse bereitet und verbraucht. Bei Tische trinken die Engländer
noch meist die schweren spanischen Weine, an die sie in der
Heimath gewöhnt sind, fangen aber hier und da auch schon an,
sich zu leichteren Bordeaux- und zu Moselgewächsen zu bekehren.
An Eis zur Kühlung fehlt es nicht; es kommt theils in grossen
Schiffsladungen aus Nordamerika, theils wird es — und in neuester
Zeit fast ausschliesslich — durch Verdunstungsmaschinen an Ort
und Stelle erzeugt.
Im Ganzen lebt man bei allem Luxus recht schlecht. Am
empfindlichsten ist der Mangel an guter Fleischkost und europäischen
Gemüsen, Kartoffeln kommen in allen heissen Gegenden gar nicht
fort. Zum Hunger bringt man es bei dem trägen Leben niemals
und auch der Appetit schwindet bei längerem Aufenthalte mehr und
mehr. So ist zu begreifen, dass der verstimmte Magen bald zu
scharfen Gewürzen und anderen Reizmitteln seine Zuflucht nimmt.
Unser Leben war sehr unruhig während des kurzen Aufent-
halts in Singapore; die Expedition erhielt äusserlich erst hier ihre
Gestaltung und es gab tausenderlei zu berathen, zu besprechen.
Die im Gefolge des Gesandten auf dem Ueberlandwege Gekom-
menen hatten ihre Kammern auf den Kriegsschiffen einzurichten, in
denen sie nichts als eine Schlafcoje und eine Kommode fanden,
und noch mancherlei andere Vorkehrungen für die Weiterreisé zu
treffen; denn Singapore war, wenn wir nach Japan gingen, auf
lange Zeit der letzte Hafen, wo man europäische Lebensbedürf-
nisse kaufen konnte. Die auf den Kriegsschiffen eingetroffenen
Herren, welche ihre Einrichtung in England gemacht und schon
Erfahrung gesammelt hatten, gaben die nöthige Anleitung; die
englischen Kaufleute lieferten — zu ansehnlichen Preisen — fast
Alles was der Seereisende braucht, und liessen das Fehlende
durch chinesische Handwerker anfertigen. Die Marine-Officiere, die
Beamten und Mannschaften hatten nach der langen stürmischen
Fahrt alle Hände voll zu thun, um die Schiffe wieder seefertig zu
machen — kurz, Jeder war eifrig beschäftigt. Dazu gab es Be-
richte und Briefe zu schreiben, Besuche zu empfangen und zu
erwiedern — man kam nicht zur Besinnung; jeder freie Augen-
blick wurde zu Spaziergängen in die Stadt und die Umgegend
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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/233>, abgerufen am 25.11.2024.
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