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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.

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IV. Akabane.
nennen sie "Chopsticks", -- ein sehr einfaches Instrument dessen
sich alle Japaner und Chinesen statt der Messer, Gabeln und Löffel
bedienen. Ihre Handhabung erfordert viel Geschicklichkeit oder
lange Uebung, wenige Europäer haben sie gründlich erlernt. Man
zerschneidet alle consistenten Gerichte schon in der Küche zu
kleinen Bissen; die Suppen und Saucen werden aus Näpfen ge-
schlürft. -- Die Chopsticks und das Zuckerwerk brachten die Haus-
diener nach dem Essen den Gästen in ihre Zimmer -- so verlangt
es die japanische Sitte.

Das von der Gesandtschaft bewohnte Grundstück liegt im
südlichen Theile von Yeddo, im Stadtviertel Akabane. Vom Lan-
dungsplatze führt eine lange, grade, von Krämern bewohnte Strasse
dahin, die sich etwa eine Viertelmeile vom Seeufer auf einen freien
Platz öffnet. Der Anblick ist durchaus ländlich. Links liegt die
lange Facade eines Yamaske -- so heissen die Sitze der Daimio's, --
vor sich hat man ein Flüsschen mit grünem Ufer, dessen Gärten
sich drüben an eine prächtig bewachsene Höhe lehnen. Aus dem
dunkelen Sammtgrün ehrwürdiger Cryptomerien ragt ein hohes
thurmartiges Mausoleum, roth lackirt, mit schweren, vorkragenden
Dächern über jedem Stockwerk -- die ganze Anlage ist ein Be-
gräbnissplatz der Taiksne. -- Man tritt, eine hölzerne Brücke
überschreitend, wieder in die sich verengende Strasse ein, in
welcher links das Portal des Gesandtschaftshauses liegt. Das
Thorgebäude ist aus mächtigen Balken gezimmert und hat ein
schweres Ziegeldach; rechts springt erkerartig eine Portierloge
vor, welche den Eingang nach der Strasse und dem Hofe be-
herrscht. In der Thorhalle hängen die drei üblichen Instrumente
zum Haschen der Diebe und Verbrecher: eine zweizackige breite
Gabel, mit der man den Schächer an die Wand klemmt, ein harken-
artiges Geräth, das man ihm zwischen die Beine steckt, und eine
Stange mit mehreren Reihen fingerlanger gekrümmter Spitzen, welche
man drehend in seine Kleider nestelt. Diese Werkzeuge sind von
Eisen und haben lange hölzerne Griffe, man findet sie bei jedem
Thürhüter und auf den zahlreichen Polizeiwachen. -- Zu den Seiten
des Portals liegen inwendig zwei offene Schuppen zum Unterstellen
der Pferde; der Hof ist dick mit losen faustgrossen Feldsteinen
bedeckt, sehr reinlich anzusehen aber sehr unbequem für die Füsse,
doch führt eine breite Bahn aus Quadersteinen von dem Portal auf
den Eingang des Wohngebäudes zu, über welchen ein leichtes auf

IV. Akabane.
nennen sie »Chopsticks«, — ein sehr einfaches Instrument dessen
sich alle Japaner und Chinesen statt der Messer, Gabeln und Löffel
bedienen. Ihre Handhabung erfordert viel Geschicklichkeit oder
lange Uebung, wenige Europäer haben sie gründlich erlernt. Man
zerschneidet alle consistenten Gerichte schon in der Küche zu
kleinen Bissen; die Suppen und Saucen werden aus Näpfen ge-
schlürft. — Die Chopsticks und das Zuckerwerk brachten die Haus-
diener nach dem Essen den Gästen in ihre Zimmer — so verlangt
es die japanische Sitte.

Das von der Gesandtschaft bewohnte Grundstück liegt im
südlichen Theile von Yeddo, im Stadtviertel Akabane. Vom Lan-
dungsplatze führt eine lange, grade, von Krämern bewohnte Strasse
dahin, die sich etwa eine Viertelmeile vom Seeufer auf einen freien
Platz öffnet. Der Anblick ist durchaus ländlich. Links liegt die
lange Façade eines Yamaske — so heissen die Sitze der Daïmio’s, —
vor sich hat man ein Flüsschen mit grünem Ufer, dessen Gärten
sich drüben an eine prächtig bewachsene Höhe lehnen. Aus dem
dunkelen Sammtgrün ehrwürdiger Cryptomerien ragt ein hohes
thurmartiges Mausoleum, roth lackirt, mit schweren, vorkragenden
Dächern über jedem Stockwerk — die ganze Anlage ist ein Be-
gräbnissplatz der Taïkšne. — Man tritt, eine hölzerne Brücke
überschreitend, wieder in die sich verengende Strasse ein, in
welcher links das Portal des Gesandtschaftshauses liegt. Das
Thorgebäude ist aus mächtigen Balken gezimmert und hat ein
schweres Ziegeldach; rechts springt erkerartig eine Portierloge
vor, welche den Eingang nach der Strasse und dem Hofe be-
herrscht. In der Thorhalle hängen die drei üblichen Instrumente
zum Haschen der Diebe und Verbrecher: eine zweizackige breite
Gabel, mit der man den Schächer an die Wand klemmt, ein harken-
artiges Geräth, das man ihm zwischen die Beine steckt, und eine
Stange mit mehreren Reihen fingerlanger gekrümmter Spitzen, welche
man drehend in seine Kleider nestelt. Diese Werkzeuge sind von
Eisen und haben lange hölzerne Griffe, man findet sie bei jedem
Thürhüter und auf den zahlreichen Polizeiwachen. — Zu den Seiten
des Portals liegen inwendig zwei offene Schuppen zum Unterstellen
der Pferde; der Hof ist dick mit losen faustgrossen Feldsteinen
bedeckt, sehr reinlich anzusehen aber sehr unbequem für die Füsse,
doch führt eine breite Bahn aus Quadersteinen von dem Portal auf
den Eingang des Wohngebäudes zu, über welchen ein leichtes auf

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[263/0293] IV. Akabane. nennen sie »Chopsticks«, — ein sehr einfaches Instrument dessen sich alle Japaner und Chinesen statt der Messer, Gabeln und Löffel bedienen. Ihre Handhabung erfordert viel Geschicklichkeit oder lange Uebung, wenige Europäer haben sie gründlich erlernt. Man zerschneidet alle consistenten Gerichte schon in der Küche zu kleinen Bissen; die Suppen und Saucen werden aus Näpfen ge- schlürft. — Die Chopsticks und das Zuckerwerk brachten die Haus- diener nach dem Essen den Gästen in ihre Zimmer — so verlangt es die japanische Sitte. Das von der Gesandtschaft bewohnte Grundstück liegt im südlichen Theile von Yeddo, im Stadtviertel Akabane. Vom Lan- dungsplatze führt eine lange, grade, von Krämern bewohnte Strasse dahin, die sich etwa eine Viertelmeile vom Seeufer auf einen freien Platz öffnet. Der Anblick ist durchaus ländlich. Links liegt die lange Façade eines Yamaske — so heissen die Sitze der Daïmio’s, — vor sich hat man ein Flüsschen mit grünem Ufer, dessen Gärten sich drüben an eine prächtig bewachsene Höhe lehnen. Aus dem dunkelen Sammtgrün ehrwürdiger Cryptomerien ragt ein hohes thurmartiges Mausoleum, roth lackirt, mit schweren, vorkragenden Dächern über jedem Stockwerk — die ganze Anlage ist ein Be- gräbnissplatz der Taïkšne. — Man tritt, eine hölzerne Brücke überschreitend, wieder in die sich verengende Strasse ein, in welcher links das Portal des Gesandtschaftshauses liegt. Das Thorgebäude ist aus mächtigen Balken gezimmert und hat ein schweres Ziegeldach; rechts springt erkerartig eine Portierloge vor, welche den Eingang nach der Strasse und dem Hofe be- herrscht. In der Thorhalle hängen die drei üblichen Instrumente zum Haschen der Diebe und Verbrecher: eine zweizackige breite Gabel, mit der man den Schächer an die Wand klemmt, ein harken- artiges Geräth, das man ihm zwischen die Beine steckt, und eine Stange mit mehreren Reihen fingerlanger gekrümmter Spitzen, welche man drehend in seine Kleider nestelt. Diese Werkzeuge sind von Eisen und haben lange hölzerne Griffe, man findet sie bei jedem Thürhüter und auf den zahlreichen Polizeiwachen. — Zu den Seiten des Portals liegen inwendig zwei offene Schuppen zum Unterstellen der Pferde; der Hof ist dick mit losen faustgrossen Feldsteinen bedeckt, sehr reinlich anzusehen aber sehr unbequem für die Füsse, doch führt eine breite Bahn aus Quadersteinen von dem Portal auf den Eingang des Wohngebäudes zu, über welchen ein leichtes auf

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/293>, abgerufen am 26.06.2024.