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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.

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Die Bunyo's in Akabane zu Tische. IV.
Hufeland's Makrobiotik sei 8). Vor zwei Jahren war die Cholera
zum ersten Mal in Yeddo gewesen und hatte in kurzer Zeit
200,000 Menschen hingerafft. Die Bunyo's erkundigten sich nach
Mitteln dagegen; als man ihnen aber sagte, dass eine angemessene
Lebensweise und mässiger Weingenuss anzurathen, und deshalb
ihre hohe Weinsteuer recht unzweckmässig sei, brach Sakai in
helles Lachen aus: "der französische Bevollmächtigte habe sie ver-
sichert, der Wein wäre ein Luxusartikel". Dabei trank er ein Glas
moussirenden Rheinwein nach dem anderen.

13. Septbr.Auf Donnerstag den dreizehnten hatte der Gesandte die
Bunyo's zum Diner eingeladen. Sie erschienen um fünf Uhr und
überreichten ein Geschenk an Thee und Eiern: "so sei es in Japan
bei Einladungen üblich". Im Verlaufe des Gespräches ergab sich,
dass bei Condolenzbesuchen nur Thee geschenkt werde, die Hin-
zufügung von Eiern aber freudebedeutend sei. Sie meldeten zugleich,
dass der Minister des Auswärtigen den Gesandten schon am folgen-
Tage zu empfangen wünsche. -- Bei Tische zeigten sich die beiden
Bunyo's und Moriyama, welche schon viel mit Fremden verkehrt
hatten, im Gebrauche von Messern und Gabeln ganz anstellig, der
O-metske aber war sehr verlegen und ungeschickt, wollte auch
durchaus nicht trinken. Dagegen sprach der joviale Sakai allen
Weinsorten recht herzhaft zu, notirte sich die Gegenstände des
Tafelgeräthes und die Reihenfolge der Gerichte, wickelte von jeder
Speise ein Stück in Papier und steckte es in die weiten Aermel;
das ist die landesübliche Art den Wirth zu ehren. Am besten
schmecken den Japanern immer gekochter Schinken und eingemachte
Früchte, Champagner und andere süsse Weine und Liqueure. Die
Gäste wurden bei jedem Glase munterer, namentlich Sakai und
Moriyama. Hori-Oribe's Benehmen war von Anfang an etwas
zurückhaltender, dabei aber wohlwollend und liebenswürdig; durch
sein ganzes Wesen ging ein schwermüthiger Zug, sein Auftreten
war einnehmend, milde und gleichmässig, sein Ausdruck fein und
geistreich; er gehörte zu den Naturen, die ihre Umgebung gewinnen
und fesseln ohne sich darum zu bemühen.


8) Man muss den gegenwärtigen Stand der ärztlichen Wissenschaft in Japan nicht
nach dieser Aussage beurtheilen. Hufeland's Makrobiotik scheint in weiteren
Kreisen bekannt zu sein, doch fanden wir in den Buchhandlungen auch die Ueber-
setzungen rein wissenschaftlicher medicinischer Werke mit genauer Nachbildung der
darin enthaltenen anatomischen Zeichnungen in Kupferstich und Holzschnitt.

Die Bunyo’s in Akabane zu Tische. IV.
Hufeland’s Makrobiotik sei 8). Vor zwei Jahren war die Cholera
zum ersten Mal in Yeddo gewesen und hatte in kurzer Zeit
200,000 Menschen hingerafft. Die Bunyo’s erkundigten sich nach
Mitteln dagegen; als man ihnen aber sagte, dass eine angemessene
Lebensweise und mässiger Weingenuss anzurathen, und deshalb
ihre hohe Weinsteuer recht unzweckmässig sei, brach Sakaï in
helles Lachen aus: »der französische Bevollmächtigte habe sie ver-
sichert, der Wein wäre ein Luxusartikel«. Dabei trank er ein Glas
moussirenden Rheinwein nach dem anderen.

13. Septbr.Auf Donnerstag den dreizehnten hatte der Gesandte die
Bunyo’s zum Diner eingeladen. Sie erschienen um fünf Uhr und
überreichten ein Geschenk an Thee und Eiern: »so sei es in Japan
bei Einladungen üblich«. Im Verlaufe des Gespräches ergab sich,
dass bei Condolenzbesuchen nur Thee geschenkt werde, die Hin-
zufügung von Eiern aber freudebedeutend sei. Sie meldeten zugleich,
dass der Minister des Auswärtigen den Gesandten schon am folgen-
Tage zu empfangen wünsche. — Bei Tische zeigten sich die beiden
Bunyo’s und Moriyama, welche schon viel mit Fremden verkehrt
hatten, im Gebrauche von Messern und Gabeln ganz anstellig, der
O-metske aber war sehr verlegen und ungeschickt, wollte auch
durchaus nicht trinken. Dagegen sprach der joviale Sakaï allen
Weinsorten recht herzhaft zu, notirte sich die Gegenstände des
Tafelgeräthes und die Reihenfolge der Gerichte, wickelte von jeder
Speise ein Stück in Papier und steckte es in die weiten Aermel;
das ist die landesübliche Art den Wirth zu ehren. Am besten
schmecken den Japanern immer gekochter Schinken und eingemachte
Früchte, Champagner und andere süsse Weine und Liqueure. Die
Gäste wurden bei jedem Glase munterer, namentlich Sakaï und
Moriyama. Hori-Oribe’s Benehmen war von Anfang an etwas
zurückhaltender, dabei aber wohlwollend und liebenswürdig; durch
sein ganzes Wesen ging ein schwermüthiger Zug, sein Auftreten
war einnehmend, milde und gleichmässig, sein Ausdruck fein und
geistreich; er gehörte zu den Naturen, die ihre Umgebung gewinnen
und fesseln ohne sich darum zu bemühen.


8) Man muss den gegenwärtigen Stand der ärztlichen Wissenschaft in Japan nicht
nach dieser Aussage beurtheilen. Hufeland’s Makrobiotik scheint in weiteren
Kreisen bekannt zu sein, doch fanden wir in den Buchhandlungen auch die Ueber-
setzungen rein wissenschaftlicher medicinischer Werke mit genauer Nachbildung der
darin enthaltenen anatomischen Zeichnungen in Kupferstich und Holzschnitt.
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[272/0302] Die Bunyo’s in Akabane zu Tische. IV. Hufeland’s Makrobiotik sei 8). Vor zwei Jahren war die Cholera zum ersten Mal in Yeddo gewesen und hatte in kurzer Zeit 200,000 Menschen hingerafft. Die Bunyo’s erkundigten sich nach Mitteln dagegen; als man ihnen aber sagte, dass eine angemessene Lebensweise und mässiger Weingenuss anzurathen, und deshalb ihre hohe Weinsteuer recht unzweckmässig sei, brach Sakaï in helles Lachen aus: »der französische Bevollmächtigte habe sie ver- sichert, der Wein wäre ein Luxusartikel«. Dabei trank er ein Glas moussirenden Rheinwein nach dem anderen. Auf Donnerstag den dreizehnten hatte der Gesandte die Bunyo’s zum Diner eingeladen. Sie erschienen um fünf Uhr und überreichten ein Geschenk an Thee und Eiern: »so sei es in Japan bei Einladungen üblich«. Im Verlaufe des Gespräches ergab sich, dass bei Condolenzbesuchen nur Thee geschenkt werde, die Hin- zufügung von Eiern aber freudebedeutend sei. Sie meldeten zugleich, dass der Minister des Auswärtigen den Gesandten schon am folgen- Tage zu empfangen wünsche. — Bei Tische zeigten sich die beiden Bunyo’s und Moriyama, welche schon viel mit Fremden verkehrt hatten, im Gebrauche von Messern und Gabeln ganz anstellig, der O-metske aber war sehr verlegen und ungeschickt, wollte auch durchaus nicht trinken. Dagegen sprach der joviale Sakaï allen Weinsorten recht herzhaft zu, notirte sich die Gegenstände des Tafelgeräthes und die Reihenfolge der Gerichte, wickelte von jeder Speise ein Stück in Papier und steckte es in die weiten Aermel; das ist die landesübliche Art den Wirth zu ehren. Am besten schmecken den Japanern immer gekochter Schinken und eingemachte Früchte, Champagner und andere süsse Weine und Liqueure. Die Gäste wurden bei jedem Glase munterer, namentlich Sakaï und Moriyama. Hori-Oribe’s Benehmen war von Anfang an etwas zurückhaltender, dabei aber wohlwollend und liebenswürdig; durch sein ganzes Wesen ging ein schwermüthiger Zug, sein Auftreten war einnehmend, milde und gleichmässig, sein Ausdruck fein und geistreich; er gehörte zu den Naturen, die ihre Umgebung gewinnen und fesseln ohne sich darum zu bemühen. 13. Septbr. 8) Man muss den gegenwärtigen Stand der ärztlichen Wissenschaft in Japan nicht nach dieser Aussage beurtheilen. Hufeland’s Makrobiotik scheint in weiteren Kreisen bekannt zu sein, doch fanden wir in den Buchhandlungen auch die Ueber- setzungen rein wissenschaftlicher medicinischer Werke mit genauer Nachbildung der darin enthaltenen anatomischen Zeichnungen in Kupferstich und Holzschnitt.

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/302>, abgerufen am 01.06.2024.