Volkshaufen, denen sie mit einem Wink steuern konnten, zu- weilen ruhig zusahen.
Bald fanden sich ernstere Ursachen der Unzufriedenheit. Den Verträgen gemäss sollte vom 1. Juli 1859 an der Hafen von Kanagava geöffnet sein. Diese Stadt liegt an der Nordseite und im innersten Winkel einer tiefen Ausbuchtung des Golfes von Yeddo, am Tokaido, der grossen Heerstrasse welche vom Süden und Osten des Reiches nach der Hauptstadt führt. Sei es nun aus Besorgniss vor Conflicten der Fremden mit dem Gefolge der nach Yeddo rei- senden Grossen, sei es um sie besser beaufsichtigen zu können -- genug, die Regierung hatte den zu ihrer Ansiedelung designirten Bezirk nicht in Kanagava, sondern bei dem Fischerdorfe Yokuhama, eine halbe Meile weiter östlich am Südufer der Bucht abstecken und mit einem aus dem Meere gespeisten breiten Canal umgeben lassen. Eine Hügelreihe und sumpfiges Terrain scheiden diesen Ort von Kanagava; um die Entfernung abzukürzen baute die Re- gierung mit grossen Kosten einen langen Steindamm durch die Sümpfe. In Yokuhama waren am Meeresufer stattliche Bollwerke und Landungstreppen aus Granit, ein Zollhaus und umfangreiche Gebäude für die Beamten aufgeführt, weiterhin wuchsen schon mehrere Strassen empor, wo japanische Kaufleute ihre Waarenlager eröffneten. Offenbar hatten diese ausgedehnten und kostbaren Bauten den Zweck, die Niederlassung in Yokuhama zur vollendeten Thatsache zu machen, und die Japaner hatten ganz richtig gerech- net, -- die fremden Kaufleute kamen ihnen zu Hülfe. Die Vertreter von Grossbritannien und Amerika, welche hier die Absicht einer ähnlichen Einsperrung zu sehen glaubten wie die frühere der Hol- länder auf Desima, erhoben lebhaften Einspruch gegen diese Ver- tragsverletzung: jede Person und jeder Waarenballen, der aus oder nach Yokuhama kommt, muss die Wachthäuser auf dem schmalen Steindamm und die Brücke des einschliessenden Grabens passiren; die Japaner konnten den Ab- und Zugang der Personen und die Ein- und Ausfuhr der Waaren hier nach Belieben controlliren, be- steuern oder gar abschneiden; die im Vertrage stipulirte Freiheit des Verkehrs wurde illusorisch. Kanagava dagegen ist von der grössten Verkehrsader des Reiches, dem Tokaido durchschnitten, und hier hätte die japanische Behörde die Berührung der Fremden mit allen Classen der Bevölkerung aus den verschiedensten Theilen des Reiches niemals hindern können; die westländischen Producte hätten
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IV. Eröffnung von Yokuhama statt Kanagava.
Volkshaufen, denen sie mit einem Wink steuern konnten, zu- weilen ruhig zusahen.
Bald fanden sich ernstere Ursachen der Unzufriedenheit. Den Verträgen gemäss sollte vom 1. Juli 1859 an der Hafen von Kanagava geöffnet sein. Diese Stadt liegt an der Nordseite und im innersten Winkel einer tiefen Ausbuchtung des Golfes von Yeddo, am Tokaïdo, der grossen Heerstrasse welche vom Süden und Osten des Reiches nach der Hauptstadt führt. Sei es nun aus Besorgniss vor Conflicten der Fremden mit dem Gefolge der nach Yeddo rei- senden Grossen, sei es um sie besser beaufsichtigen zu können — genug, die Regierung hatte den zu ihrer Ansiedelung designirten Bezirk nicht in Kanagava, sondern bei dem Fischerdorfe Yokuhama, eine halbe Meile weiter östlich am Südufer der Bucht abstecken und mit einem aus dem Meere gespeisten breiten Canal umgeben lassen. Eine Hügelreihe und sumpfiges Terrain scheiden diesen Ort von Kanagava; um die Entfernung abzukürzen baute die Re- gierung mit grossen Kosten einen langen Steindamm durch die Sümpfe. In Yokuhama waren am Meeresufer stattliche Bollwerke und Landungstreppen aus Granit, ein Zollhaus und umfangreiche Gebäude für die Beamten aufgeführt, weiterhin wuchsen schon mehrere Strassen empor, wo japanische Kaufleute ihre Waarenlager eröffneten. Offenbar hatten diese ausgedehnten und kostbaren Bauten den Zweck, die Niederlassung in Yokuhama zur vollendeten Thatsache zu machen, und die Japaner hatten ganz richtig gerech- net, — die fremden Kaufleute kamen ihnen zu Hülfe. Die Vertreter von Grossbritannien und Amerika, welche hier die Absicht einer ähnlichen Einsperrung zu sehen glaubten wie die frühere der Hol- länder auf Desima, erhoben lebhaften Einspruch gegen diese Ver- tragsverletzung: jede Person und jeder Waarenballen, der aus oder nach Yokuhama kommt, muss die Wachthäuser auf dem schmalen Steindamm und die Brücke des einschliessenden Grabens passiren; die Japaner konnten den Ab- und Zugang der Personen und die Ein- und Ausfuhr der Waaren hier nach Belieben controlliren, be- steuern oder gar abschneiden; die im Vertrage stipulirte Freiheit des Verkehrs wurde illusorisch. Kanagava dagegen ist von der grössten Verkehrsader des Reiches, dem Tokaïdo durchschnitten, und hier hätte die japanische Behörde die Berührung der Fremden mit allen Classen der Bevölkerung aus den verschiedensten Theilen des Reiches niemals hindern können; die westländischen Producte hätten
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Volkshaufen, denen sie mit einem Wink steuern konnten, zu-
weilen ruhig zusahen.
Bald fanden sich ernstere Ursachen der Unzufriedenheit.
Den Verträgen gemäss sollte vom 1. Juli 1859 an der Hafen von
Kanagava geöffnet sein. Diese Stadt liegt an der Nordseite und
im innersten Winkel einer tiefen Ausbuchtung des Golfes von Yeddo,
am Tokaïdo, der grossen Heerstrasse welche vom Süden und Osten
des Reiches nach der Hauptstadt führt. Sei es nun aus Besorgniss
vor Conflicten der Fremden mit dem Gefolge der nach Yeddo rei-
senden Grossen, sei es um sie besser beaufsichtigen zu können —
genug, die Regierung hatte den zu ihrer Ansiedelung designirten
Bezirk nicht in Kanagava, sondern bei dem Fischerdorfe Yokuhama,
eine halbe Meile weiter östlich am Südufer der Bucht abstecken
und mit einem aus dem Meere gespeisten breiten Canal umgeben
lassen. Eine Hügelreihe und sumpfiges Terrain scheiden diesen
Ort von Kanagava; um die Entfernung abzukürzen baute die Re-
gierung mit grossen Kosten einen langen Steindamm durch die
Sümpfe. In Yokuhama waren am Meeresufer stattliche Bollwerke
und Landungstreppen aus Granit, ein Zollhaus und umfangreiche
Gebäude für die Beamten aufgeführt, weiterhin wuchsen schon
mehrere Strassen empor, wo japanische Kaufleute ihre Waarenlager
eröffneten. Offenbar hatten diese ausgedehnten und kostbaren
Bauten den Zweck, die Niederlassung in Yokuhama zur vollendeten
Thatsache zu machen, und die Japaner hatten ganz richtig gerech-
net, — die fremden Kaufleute kamen ihnen zu Hülfe. Die Vertreter
von Grossbritannien und Amerika, welche hier die Absicht einer
ähnlichen Einsperrung zu sehen glaubten wie die frühere der Hol-
länder auf Desima, erhoben lebhaften Einspruch gegen diese Ver-
tragsverletzung: jede Person und jeder Waarenballen, der aus oder
nach Yokuhama kommt, muss die Wachthäuser auf dem schmalen
Steindamm und die Brücke des einschliessenden Grabens passiren;
die Japaner konnten den Ab- und Zugang der Personen und die
Ein- und Ausfuhr der Waaren hier nach Belieben controlliren, be-
steuern oder gar abschneiden; die im Vertrage stipulirte Freiheit
des Verkehrs wurde illusorisch. Kanagava dagegen ist von der
grössten Verkehrsader des Reiches, dem Tokaïdo durchschnitten,
und hier hätte die japanische Behörde die Berührung der Fremden
mit allen Classen der Bevölkerung aus den verschiedensten Theilen des
Reiches niemals hindern können; die westländischen Producte hätten
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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/305>, abgerufen am 24.11.2024.
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