[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.V. Die Strassen des Handelsquartiers. Feuersbrünsten, und in aufgeregten Zeiten jede Nacht geschlossenwerden, eine Einrichtung die durch ganz Japan in allen Strassen und Gassen bestehen soll. An jeden Thorweg lehnt sich ein Wachthaus -- das Bureau der Strassenpolizei, wo die Kasira's die Wache beziehen, -- und aus seinem Dache ragt ein hohes Leiter- gerüst, von wo besonders bei Nacht nach Feuersbrünsten gespäht und das Lärmzeichen mit der Glocke gegeben wird. Die Anzahl und Anordnung der Schläge zeigt den Bewohnern gleich die Ent- fernung und Grösse des Brandes an. Viele Häuser dieses Stadttheiles, wo die wohlhabendsten Kauf- V. Die Strassen des Handelsquartiers. Feuersbrünsten, und in aufgeregten Zeiten jede Nacht geschlossenwerden, eine Einrichtung die durch ganz Japan in allen Strassen und Gassen bestehen soll. An jeden Thorweg lehnt sich ein Wachthaus — das Bureau der Strassenpolizei, wo die Kasira’s die Wache beziehen, — und aus seinem Dache ragt ein hohes Leiter- gerüst, von wo besonders bei Nacht nach Feuersbrünsten gespäht und das Lärmzeichen mit der Glocke gegeben wird. Die Anzahl und Anordnung der Schläge zeigt den Bewohnern gleich die Ent- fernung und Grösse des Brandes an. Viele Häuser dieses Stadttheiles, wo die wohlhabendsten Kauf- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0329" n="299"/><fw place="top" type="header">V. Die Strassen des Handelsquartiers.</fw><lb/> Feuersbrünsten, und in aufgeregten Zeiten jede Nacht geschlossen<lb/> werden, eine Einrichtung die durch ganz <placeName>Japan</placeName> in allen Strassen<lb/> und Gassen bestehen soll. An jeden Thorweg lehnt sich ein<lb/> Wachthaus — das Bureau der Strassenpolizei, wo die <hi rendition="#k">Kasira</hi>’s<lb/> die Wache beziehen, — und aus seinem Dache ragt ein hohes Leiter-<lb/> gerüst, von wo besonders bei Nacht nach Feuersbrünsten gespäht<lb/> und das Lärmzeichen mit der Glocke gegeben wird. Die Anzahl<lb/> und Anordnung der Schläge zeigt den Bewohnern gleich die Ent-<lb/> fernung und Grösse des Brandes an.</p><lb/> <p>Viele Häuser dieses Stadttheiles, wo die wohlhabendsten Kauf-<lb/> leute wohnen, sind feuerfest. Sie haben dicke um Bambuspfosten<lb/> gefügte Lehmwände und einen Ueberzug von feinem Stuck. Ihre<lb/> Farbe ist gewöhnlich schwarz, zuweilen auch weiss, der Stuck von<lb/> so glänzender Oberfläche, alle Ecken und Kanten so scharf und<lb/> winkelig dass man polirten Marmor zu sehen glaubt. Die dicken<lb/> Fensterläden haben einen Ueberzug von derselben feuerfesten Masse<lb/> und schliessen hermetisch, das Dach besteht aus dichtgefugten<lb/> schweren Ziegeln. Diese Häuser sind theils das Privateigenthum<lb/> Einzelner, theils das gemeinsame einer ganzen Reihe von Haus-<lb/> wirthen, die bei den rasch um sich greifenden Feuersbrünsten meist<lb/> nur Zeit haben ihre besten Habseligkeiten dahin zu flüchten; die<lb/> Häuser werden dann verschlossen, von aussen noch mit nassen<lb/> Strohmatten gesichert und ihrem Schicksal überlassen, eine Art<lb/> riesiger Geldschränke, die vortreffliche Dienste leisten und trotz<lb/> der furchtbaren Gluth der japanischen Brände — wo Alles nur<lb/> Holz und Papier ist — ihren Inhalt unversehrt bewahren sollen. —<lb/> Die Häuser dieses Stadtviertels stehen zwar regelmässig in einer Reihe,<lb/> aber bald mit dem Giebel, bald mit der Seitenfront nach der Strasse<lb/> gewendet; sie sind bald höher, bald niedriger, nach unseren Begriffen<lb/> aber durchgängig klein, und immer nur für <hi rendition="#g">eine</hi> Familie eingerichtet.<lb/> Die meisten haben Ziegeldächer, manche von den einstöckigen<lb/> Häusern auch Schindeldächer. Erstere sind von sehr künstlicher<lb/> Bauart, die Ziegel sorgfältig geformt und gebrannt, dunkelgrau,<lb/> und mit gleichfarbigem Mörtel zu einer festen Masse verkittet. Ein<lb/> hoher schwerer Balken bildet die Dachfirst und läuft in reich ver-<lb/> zierte breite Stirnziegel aus, von denen sich zwei dicke Wülste über<lb/> die Dachfläche hinablegen. Die Ziegel sind von mannichfacher<lb/> Form und Grösse, man könnte den ganzen Dachstuhl einen Bau aus<lb/> Formsteinen nennen; diejenigen, welche die eigentliche Dachfläche<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [299/0329]
V. Die Strassen des Handelsquartiers.
Feuersbrünsten, und in aufgeregten Zeiten jede Nacht geschlossen
werden, eine Einrichtung die durch ganz Japan in allen Strassen
und Gassen bestehen soll. An jeden Thorweg lehnt sich ein
Wachthaus — das Bureau der Strassenpolizei, wo die Kasira’s
die Wache beziehen, — und aus seinem Dache ragt ein hohes Leiter-
gerüst, von wo besonders bei Nacht nach Feuersbrünsten gespäht
und das Lärmzeichen mit der Glocke gegeben wird. Die Anzahl
und Anordnung der Schläge zeigt den Bewohnern gleich die Ent-
fernung und Grösse des Brandes an.
Viele Häuser dieses Stadttheiles, wo die wohlhabendsten Kauf-
leute wohnen, sind feuerfest. Sie haben dicke um Bambuspfosten
gefügte Lehmwände und einen Ueberzug von feinem Stuck. Ihre
Farbe ist gewöhnlich schwarz, zuweilen auch weiss, der Stuck von
so glänzender Oberfläche, alle Ecken und Kanten so scharf und
winkelig dass man polirten Marmor zu sehen glaubt. Die dicken
Fensterläden haben einen Ueberzug von derselben feuerfesten Masse
und schliessen hermetisch, das Dach besteht aus dichtgefugten
schweren Ziegeln. Diese Häuser sind theils das Privateigenthum
Einzelner, theils das gemeinsame einer ganzen Reihe von Haus-
wirthen, die bei den rasch um sich greifenden Feuersbrünsten meist
nur Zeit haben ihre besten Habseligkeiten dahin zu flüchten; die
Häuser werden dann verschlossen, von aussen noch mit nassen
Strohmatten gesichert und ihrem Schicksal überlassen, eine Art
riesiger Geldschränke, die vortreffliche Dienste leisten und trotz
der furchtbaren Gluth der japanischen Brände — wo Alles nur
Holz und Papier ist — ihren Inhalt unversehrt bewahren sollen. —
Die Häuser dieses Stadtviertels stehen zwar regelmässig in einer Reihe,
aber bald mit dem Giebel, bald mit der Seitenfront nach der Strasse
gewendet; sie sind bald höher, bald niedriger, nach unseren Begriffen
aber durchgängig klein, und immer nur für eine Familie eingerichtet.
Die meisten haben Ziegeldächer, manche von den einstöckigen
Häusern auch Schindeldächer. Erstere sind von sehr künstlicher
Bauart, die Ziegel sorgfältig geformt und gebrannt, dunkelgrau,
und mit gleichfarbigem Mörtel zu einer festen Masse verkittet. Ein
hoher schwerer Balken bildet die Dachfirst und läuft in reich ver-
zierte breite Stirnziegel aus, von denen sich zwei dicke Wülste über
die Dachfläche hinablegen. Die Ziegel sind von mannichfacher
Form und Grösse, man könnte den ganzen Dachstuhl einen Bau aus
Formsteinen nennen; diejenigen, welche die eigentliche Dachfläche
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