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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.

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Portale. Der Atango-yama. V.
geschliffen oder lackirt und mit Buckeln und anderen Zierrathen
von Bronze beschlagen. Der Eingang besteht aus einem breiten
Mittelthor, das nur für Standespersonen geöffnet wird, und zwei
bis drei kleineren Thüren zu jeder Seite; die ganze Construction
ist symmetrisch. Die Schwelle hat bei allen japanischen Thoren
fast zwei Fuss Höhe; der Stirnbalken springt bis unter das Dach-
gesims hervor und trägt das Wappen des Besitzers, erhaben und
massig in Bronze oder schwarzem Stuck gearbeitet. -- Diese Por-
tale sind die besten Erzeugnisse der japanischen Baukunst, eine
wirkliche, wenn auch sehr einfache Architectur, denn alle
Theile haben Zweck und Bedeutung und verbinden sich zu einem
organischen Ganzen; der Charakter ist ganz eigenthümlich und von
allem sonst Bekannten verschieden. Sie haben bei aller Schwere
der Structur ein schönes Ebenmaass der Verhältnisse und tragen
das Gepräge vornehmen Ernstes und herrschaftlicher Würde. Die
bronzenen Balkenknäufe, Sockel und sonstigen Beschläge sind meist
von vortrefflicher Zeichnung; ihre dunkelgrüne goldige Farbe stimmt
schön zu dem natürlichen Dunkelbraun oder Grau, zu dem schwarzen
oder tiefrothen Lack des Holzwerkes, und erhöht den Eindruck
der ernsten Einfachheit und Strenge; -- man glaubt trotz aller
Unähnlichkeit mit europäischen Bauwerken Arbeiten des frühen
Mittelalters zu sehen.

Einen guten Ueberblick über den südwestlichen Theil von
Yeddo gewinnt man auf dem Atango-yama, dem nördlichen Aus-
läufer des Höhenzuges, welcher das Stadtviertel Akabane von dem
Soto-Siro und den centralen Handelsquartieren trennt. Schwindel-
erregende Treppen -- eine ununterbrochene Flucht von über hundert
steilen Stufen -- führen zur Höhe hinan, oben liegen Tempel und
Theehäuser, und am langgestreckten Rande des Hügels strohge-
deckte offene Hallen mit vielen Bänken und Tischen für die Gäste;
man fühlt sich an einen Vergnügungsort der deutschen Heimath
versetzt. Unten breitet sich die weite vom Meere begrenzte Ebene
aus: im Vordergrunde einige aristokratische Strassen, dahinter und
nördlich die vom Tokaido durchschnittenen gewerblichen Quartiere,
links die Mauern und vorspringenden Thorbauten des Soto-Siro
und des Siro, und entfernter in derselben Richtung die den kaiser-
lichen Palast beschattenden Baumwipfel. Diese Aussicht ist ebenso
einförmig wie ausgedehnt, man sieht ein Meer von gleichartigen
grauen Dächern, aus dem nur hier und da einer der viereckigen,

Portale. Der Ataṅgo-yama. V.
geschliffen oder lackirt und mit Buckeln und anderen Zierrathen
von Bronze beschlagen. Der Eingang besteht aus einem breiten
Mittelthor, das nur für Standespersonen geöffnet wird, und zwei
bis drei kleineren Thüren zu jeder Seite; die ganze Construction
ist symmetrisch. Die Schwelle hat bei allen japanischen Thoren
fast zwei Fuss Höhe; der Stirnbalken springt bis unter das Dach-
gesims hervor und trägt das Wappen des Besitzers, erhaben und
massig in Bronze oder schwarzem Stuck gearbeitet. — Diese Por-
tale sind die besten Erzeugnisse der japanischen Baukunst, eine
wirkliche, wenn auch sehr einfache Architectur, denn alle
Theile haben Zweck und Bedeutung und verbinden sich zu einem
organischen Ganzen; der Charakter ist ganz eigenthümlich und von
allem sonst Bekannten verschieden. Sie haben bei aller Schwere
der Structur ein schönes Ebenmaass der Verhältnisse und tragen
das Gepräge vornehmen Ernstes und herrschaftlicher Würde. Die
bronzenen Balkenknäufe, Sockel und sonstigen Beschläge sind meist
von vortrefflicher Zeichnung; ihre dunkelgrüne goldige Farbe stimmt
schön zu dem natürlichen Dunkelbraun oder Grau, zu dem schwarzen
oder tiefrothen Lack des Holzwerkes, und erhöht den Eindruck
der ernsten Einfachheit und Strenge; — man glaubt trotz aller
Unähnlichkeit mit europäischen Bauwerken Arbeiten des frühen
Mittelalters zu sehen.

Einen guten Ueberblick über den südwestlichen Theil von
Yeddo gewinnt man auf dem Ataṅgo-yama, dem nördlichen Aus-
läufer des Höhenzuges, welcher das Stadtviertel Akabane von dem
Soto-Siro und den centralen Handelsquartieren trennt. Schwindel-
erregende Treppen — eine ununterbrochene Flucht von über hundert
steilen Stufen — führen zur Höhe hinan, oben liegen Tempel und
Theehäuser, und am langgestreckten Rande des Hügels strohge-
deckte offene Hallen mit vielen Bänken und Tischen für die Gäste;
man fühlt sich an einen Vergnügungsort der deutschen Heimath
versetzt. Unten breitet sich die weite vom Meere begrenzte Ebene
aus: im Vordergrunde einige aristokratische Strassen, dahinter und
nördlich die vom Tokaïdo durchschnittenen gewerblichen Quartiere,
links die Mauern und vorspringenden Thorbauten des Soto-Siro
und des Siro, und entfernter in derselben Richtung die den kaiser-
lichen Palast beschattenden Baumwipfel. Diese Aussicht ist ebenso
einförmig wie ausgedehnt, man sieht ein Meer von gleichartigen
grauen Dächern, aus dem nur hier und da einer der viereckigen,

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[326/0356] Portale. Der Ataṅgo-yama. V. geschliffen oder lackirt und mit Buckeln und anderen Zierrathen von Bronze beschlagen. Der Eingang besteht aus einem breiten Mittelthor, das nur für Standespersonen geöffnet wird, und zwei bis drei kleineren Thüren zu jeder Seite; die ganze Construction ist symmetrisch. Die Schwelle hat bei allen japanischen Thoren fast zwei Fuss Höhe; der Stirnbalken springt bis unter das Dach- gesims hervor und trägt das Wappen des Besitzers, erhaben und massig in Bronze oder schwarzem Stuck gearbeitet. — Diese Por- tale sind die besten Erzeugnisse der japanischen Baukunst, eine wirkliche, wenn auch sehr einfache Architectur, denn alle Theile haben Zweck und Bedeutung und verbinden sich zu einem organischen Ganzen; der Charakter ist ganz eigenthümlich und von allem sonst Bekannten verschieden. Sie haben bei aller Schwere der Structur ein schönes Ebenmaass der Verhältnisse und tragen das Gepräge vornehmen Ernstes und herrschaftlicher Würde. Die bronzenen Balkenknäufe, Sockel und sonstigen Beschläge sind meist von vortrefflicher Zeichnung; ihre dunkelgrüne goldige Farbe stimmt schön zu dem natürlichen Dunkelbraun oder Grau, zu dem schwarzen oder tiefrothen Lack des Holzwerkes, und erhöht den Eindruck der ernsten Einfachheit und Strenge; — man glaubt trotz aller Unähnlichkeit mit europäischen Bauwerken Arbeiten des frühen Mittelalters zu sehen. Einen guten Ueberblick über den südwestlichen Theil von Yeddo gewinnt man auf dem Ataṅgo-yama, dem nördlichen Aus- läufer des Höhenzuges, welcher das Stadtviertel Akabane von dem Soto-Siro und den centralen Handelsquartieren trennt. Schwindel- erregende Treppen — eine ununterbrochene Flucht von über hundert steilen Stufen — führen zur Höhe hinan, oben liegen Tempel und Theehäuser, und am langgestreckten Rande des Hügels strohge- deckte offene Hallen mit vielen Bänken und Tischen für die Gäste; man fühlt sich an einen Vergnügungsort der deutschen Heimath versetzt. Unten breitet sich die weite vom Meere begrenzte Ebene aus: im Vordergrunde einige aristokratische Strassen, dahinter und nördlich die vom Tokaïdo durchschnittenen gewerblichen Quartiere, links die Mauern und vorspringenden Thorbauten des Soto-Siro und des Siro, und entfernter in derselben Richtung die den kaiser- lichen Palast beschattenden Baumwipfel. Diese Aussicht ist ebenso einförmig wie ausgedehnt, man sieht ein Meer von gleichartigen grauen Dächern, aus dem nur hier und da einer der viereckigen,

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/356>, abgerufen am 21.11.2024.