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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.

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Uebertheuerung. Die Betto's. V.
denn sie suchten die Kauflust durch neue ungesehene Sachen immer
wieder aufzustacheln und brachten zuweilen sehr artige Kleinig-
keiten als Geschenk. Sebi, der weit über der gewöhnlichen Rotte
der Krämer stand, verehrte seinen besten Kunden hin und wieder
eine Schachtel mit Kuchen oder bemalten Wachskerzen, zierlich
mit rothen und silbernen Papierschnüren zugebunden, wie das bei
Geschenken in Japan üblich ist, und mit einem Stückchen getrock-
neten Fisches begleitet, der bei keiner Gabe fehlen darf und an
die alte einfache Lebensweise der Eingeborenen erinnern soll. --
Was die Preise betrifft, so behandelten die Krämer uns offenbar
als vornehme Leute, die nach japanischer Sitte Alles doppelt bezahlen
müssen. Die Bunyo's erwiederten auf unsere Klagen wegen Ueber-
theuerung sehr kaltblütig, dass Leute ihres Standes, wenn ihnen eine
Sache gefiele, immer den geforderten Preis zahlten; das Dingen
scheint gradezu unanständig zu sein, der vornehme Japaner bezahlt
und verachtet den Krämer. Die europäischen Kaufleute in Yokuhama
beklagten sich bitter über die Unzuverlässigkeit der japanischen,
welche bei ihren Lieferungen nach Muster in den Ballen und Kisten
gute, probehaltige Waare nur obenauf, inwendig aber lauter geringe
zu packen pflegten; werden sie auf einer Betrügerei ertappt, so
lachen sie, und begreifen nicht dass man zürnt. Das Ehrgefühl und
die Scham der Rechtschaffenheit scheint diese Classe gar nicht
zu kennen.

Ein merkwürdiger Schlag sind die Stallknechte, Betto's. --
Die in Akabane ab- und zugehenden Mitglieder der Expedition mie-
theten, die beständig dort bleibenden kauften sich meist Pferde; zu
jedem braucht man einen Betto, der für die Wartung sorgt und
bei Ausflügen seinem Herrn voranläuft. So war denn unser Stall-
personal sehr zahlreich. Die Betto's sind muntere durchtriebene
Burschen, sehr tüchtig in ihrem Dienst, aber schwer zu lenken,
rechte Naturmenschen wie sie der Umgang mit Thieren zu erziehen
pflegt, von prächtiger Gestalt, mit breitem Brustkasten und eisernen
Muskeln, immer lustig und guter Dinge, voll Feuer und Frische.
Bei unseren Ritten sprangen sie, es mochte noch so schnell gehen,
immer in muthwilligen Sätzen voran, oft triefend und aufgelöst,
doch immer lachend und jauchzend: es war ein prächtiger Anblick,
besonders wenn sie, bei schnellem Laufen den Rock um die Lenden
gürtend, mit nacktem Oberkörper und Schenkeln dahinrannten.
Man sah Stellungen und Bewegungen, eine Entwickelung männlicher

Uebertheuerung. Die Betto’s. V.
denn sie suchten die Kauflust durch neue ungesehene Sachen immer
wieder aufzustacheln und brachten zuweilen sehr artige Kleinig-
keiten als Geschenk. Sebi, der weit über der gewöhnlichen Rotte
der Krämer stand, verehrte seinen besten Kunden hin und wieder
eine Schachtel mit Kuchen oder bemalten Wachskerzen, zierlich
mit rothen und silbernen Papierschnüren zugebunden, wie das bei
Geschenken in Japan üblich ist, und mit einem Stückchen getrock-
neten Fisches begleitet, der bei keiner Gabe fehlen darf und an
die alte einfache Lebensweise der Eingeborenen erinnern soll. —
Was die Preise betrifft, so behandelten die Krämer uns offenbar
als vornehme Leute, die nach japanischer Sitte Alles doppelt bezahlen
müssen. Die Bunyo’s erwiederten auf unsere Klagen wegen Ueber-
theuerung sehr kaltblütig, dass Leute ihres Standes, wenn ihnen eine
Sache gefiele, immer den geforderten Preis zahlten; das Dingen
scheint gradezu unanständig zu sein, der vornehme Japaner bezahlt
und verachtet den Krämer. Die europäischen Kaufleute in Yokuhama
beklagten sich bitter über die Unzuverlässigkeit der japanischen,
welche bei ihren Lieferungen nach Muster in den Ballen und Kisten
gute, probehaltige Waare nur obenauf, inwendig aber lauter geringe
zu packen pflegten; werden sie auf einer Betrügerei ertappt, so
lachen sie, und begreifen nicht dass man zürnt. Das Ehrgefühl und
die Scham der Rechtschaffenheit scheint diese Classe gar nicht
zu kennen.

Ein merkwürdiger Schlag sind die Stallknechte, Betto’s. —
Die in Akabane ab- und zugehenden Mitglieder der Expedition mie-
theten, die beständig dort bleibenden kauften sich meist Pferde; zu
jedem braucht man einen Betto, der für die Wartung sorgt und
bei Ausflügen seinem Herrn voranläuft. So war denn unser Stall-
personal sehr zahlreich. Die Betto’s sind muntere durchtriebene
Burschen, sehr tüchtig in ihrem Dienst, aber schwer zu lenken,
rechte Naturmenschen wie sie der Umgang mit Thieren zu erziehen
pflegt, von prächtiger Gestalt, mit breitem Brustkasten und eisernen
Muskeln, immer lustig und guter Dinge, voll Feuer und Frische.
Bei unseren Ritten sprangen sie, es mochte noch so schnell gehen,
immer in muthwilligen Sätzen voran, oft triefend und aufgelöst,
doch immer lachend und jauchzend: es war ein prächtiger Anblick,
besonders wenn sie, bei schnellem Laufen den Rock um die Lenden
gürtend, mit nacktem Oberkörper und Schenkeln dahinrannten.
Man sah Stellungen und Bewegungen, eine Entwickelung männlicher

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[328/0358] Uebertheuerung. Die Betto’s. V. denn sie suchten die Kauflust durch neue ungesehene Sachen immer wieder aufzustacheln und brachten zuweilen sehr artige Kleinig- keiten als Geschenk. Sebi, der weit über der gewöhnlichen Rotte der Krämer stand, verehrte seinen besten Kunden hin und wieder eine Schachtel mit Kuchen oder bemalten Wachskerzen, zierlich mit rothen und silbernen Papierschnüren zugebunden, wie das bei Geschenken in Japan üblich ist, und mit einem Stückchen getrock- neten Fisches begleitet, der bei keiner Gabe fehlen darf und an die alte einfache Lebensweise der Eingeborenen erinnern soll. — Was die Preise betrifft, so behandelten die Krämer uns offenbar als vornehme Leute, die nach japanischer Sitte Alles doppelt bezahlen müssen. Die Bunyo’s erwiederten auf unsere Klagen wegen Ueber- theuerung sehr kaltblütig, dass Leute ihres Standes, wenn ihnen eine Sache gefiele, immer den geforderten Preis zahlten; das Dingen scheint gradezu unanständig zu sein, der vornehme Japaner bezahlt und verachtet den Krämer. Die europäischen Kaufleute in Yokuhama beklagten sich bitter über die Unzuverlässigkeit der japanischen, welche bei ihren Lieferungen nach Muster in den Ballen und Kisten gute, probehaltige Waare nur obenauf, inwendig aber lauter geringe zu packen pflegten; werden sie auf einer Betrügerei ertappt, so lachen sie, und begreifen nicht dass man zürnt. Das Ehrgefühl und die Scham der Rechtschaffenheit scheint diese Classe gar nicht zu kennen. Ein merkwürdiger Schlag sind die Stallknechte, Betto’s. — Die in Akabane ab- und zugehenden Mitglieder der Expedition mie- theten, die beständig dort bleibenden kauften sich meist Pferde; zu jedem braucht man einen Betto, der für die Wartung sorgt und bei Ausflügen seinem Herrn voranläuft. So war denn unser Stall- personal sehr zahlreich. Die Betto’s sind muntere durchtriebene Burschen, sehr tüchtig in ihrem Dienst, aber schwer zu lenken, rechte Naturmenschen wie sie der Umgang mit Thieren zu erziehen pflegt, von prächtiger Gestalt, mit breitem Brustkasten und eisernen Muskeln, immer lustig und guter Dinge, voll Feuer und Frische. Bei unseren Ritten sprangen sie, es mochte noch so schnell gehen, immer in muthwilligen Sätzen voran, oft triefend und aufgelöst, doch immer lachend und jauchzend: es war ein prächtiger Anblick, besonders wenn sie, bei schnellem Laufen den Rock um die Lenden gürtend, mit nacktem Oberkörper und Schenkeln dahinrannten. Man sah Stellungen und Bewegungen, eine Entwickelung männlicher

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/358>, abgerufen am 22.11.2024.