[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.V. Landschaft und Vegetation. besonders hübschen Stelle, bei jeder schönen Aussicht liegt einTheehäuschen, wo der Japaner es sich im kühlen Schatten bei Thee und Tabak wohl sein lässt und mit Frau und Kind die Natur geniesst. Jede Bauernhütte hat ihr Blumengärtchen. Ueberall findet man Gehöfte, Dörfer und Tempel, überall Wasserreichthum und Anbau. Den Boden der flachen Thäler bedecken die Reispflanzungen, an abschüssigen Stellen werden andere Feldfrüchte und mancherlei Gemüse gebaut; die Aecker sind gepflegt wie Gartenbeete, kein Unkraut zu sehen. Der Dünger gährt in bedachten Gruben und wird auf Lastpferden in verschlossenen Fässern nach allen Richtungen geführt, in den flachen Gegenden auf schmalen Kanälen zu Boot fortgeschafft. Die Landschaft ist nicht grossartig, aber sehr lieblich und Das Wetter war in der zweiten Hälfte des September regne- V. Landschaft und Vegetation. besonders hübschen Stelle, bei jeder schönen Aussicht liegt einTheehäuschen, wo der Japaner es sich im kühlen Schatten bei Thee und Tabak wohl sein lässt und mit Frau und Kind die Natur geniesst. Jede Bauernhütte hat ihr Blumengärtchen. Ueberall findet man Gehöfte, Dörfer und Tempel, überall Wasserreichthum und Anbau. Den Boden der flachen Thäler bedecken die Reispflanzungen, an abschüssigen Stellen werden andere Feldfrüchte und mancherlei Gemüse gebaut; die Aecker sind gepflegt wie Gartenbeete, kein Unkraut zu sehen. Der Dünger gährt in bedachten Gruben und wird auf Lastpferden in verschlossenen Fässern nach allen Richtungen geführt, in den flachen Gegenden auf schmalen Kanälen zu Boot fortgeschafft. Die Landschaft ist nicht grossartig, aber sehr lieblich und Das Wetter war in der zweiten Hälfte des September regne- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0361" n="331"/><fw place="top" type="header">V. Landschaft und Vegetation.</fw><lb/> besonders hübschen Stelle, bei jeder schönen Aussicht liegt ein<lb/> Theehäuschen, wo der Japaner es sich im kühlen Schatten bei Thee<lb/> und Tabak wohl sein lässt und mit Frau und Kind die Natur<lb/> geniesst. Jede Bauernhütte hat ihr Blumengärtchen. Ueberall findet<lb/> man Gehöfte, Dörfer und Tempel, überall Wasserreichthum und<lb/> Anbau. Den Boden der flachen Thäler bedecken die Reispflanzungen,<lb/> an abschüssigen Stellen werden andere Feldfrüchte und mancherlei<lb/> Gemüse gebaut; die Aecker sind gepflegt wie Gartenbeete, kein<lb/> Unkraut zu sehen. Der Dünger gährt in bedachten Gruben und<lb/> wird auf Lastpferden in verschlossenen Fässern nach allen Richtungen<lb/> geführt, in den flachen Gegenden auf schmalen Kanälen zu Boot<lb/> fortgeschafft.</p><lb/> <p>Die Landschaft ist nicht grossartig, aber sehr lieblich und<lb/> heimlich, voll reizender Abwechselung: hier eine Bauernhütte im<lb/> Bambusgehölz mit dem dichten, hellgrünen Graslaub, dort ladet<lb/> ein schattiger Gang hochstrebender Cryptomerien nach der im<lb/> grünen Bosket versteckten <hi rendition="#k">Mia</hi> — so heissen die <hi rendition="#k">Sinto</hi>-Tempel.<lb/> Bald zieht sich der Weg durch Laubgehölze von heimischem Ansehn,<lb/> bald reitet man zwischen Camelien-, Taxus- und Podocarpus-Hecken,<lb/> zwischen Lorbeer, Myrthen und Azaleen hin; die zierliche Chamaerops<lb/> excelsa — <placeName>Japans</placeName> einzige Palme — sieht verstohlen aus dichtem<lb/> Gebüsch hervor. Die Flora ist unendlich formenreich, die Belaubung<lb/> bald weich und durchsichtig, bald schwer und dicht, bald fahl und<lb/> stumpf, bald frisch, glänzend und gesättigt, bald flaumig und fein<lb/> gefiedert, bald breit und massig. Im September, wo sich der<lb/> hier heimische Zuckerahorn und das Azaleenlaub dunkelpurpurroth<lb/> färben, wird die Farbenpracht der Landschaft berauschend. Das<lb/> wellige Terrain und die Mannichfaltigkeit des Anbaues erzeugt die<lb/> schönsten Linien im Vorder- und Mittelgrunde, und in der Ferne<lb/> erhebt der <hi rendition="#k"><placeName>Fusiyama</placeName></hi> sein beschneites Haupt hoch über die vor-<lb/> liegenden <placeName><hi rendition="#k">Fakone</hi>-Berge</placeName>.</p><lb/> <p>Das Wetter war in der zweiten Hälfte des September regne-<lb/> risch, die Luft aber weich und milde und die Beleuchtungen, wenn<lb/> es schön wurde, ganz herrlich. Unsere Ritte gingen gewöhnlich<lb/> nach der uns zunächst liegenden südlichen und westlichen Umgebung<lb/> von <hi rendition="#k"><placeName>Yeddo</placeName></hi>. Das bei <hi rendition="#k"><placeName>Akabane</placeName></hi> fliessende Gewässer aufwärts ver-<lb/> folgend wendet sich der Weg bald in scharfem Winkel nach Süden;<lb/> eine Strecke weit ziehen sich Häuserreihen an beiden Ufern hin,<lb/> dahinter liegen Höhen mit abschüssigen Strassen. Die Ufer werden<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [331/0361]
V. Landschaft und Vegetation.
besonders hübschen Stelle, bei jeder schönen Aussicht liegt ein
Theehäuschen, wo der Japaner es sich im kühlen Schatten bei Thee
und Tabak wohl sein lässt und mit Frau und Kind die Natur
geniesst. Jede Bauernhütte hat ihr Blumengärtchen. Ueberall findet
man Gehöfte, Dörfer und Tempel, überall Wasserreichthum und
Anbau. Den Boden der flachen Thäler bedecken die Reispflanzungen,
an abschüssigen Stellen werden andere Feldfrüchte und mancherlei
Gemüse gebaut; die Aecker sind gepflegt wie Gartenbeete, kein
Unkraut zu sehen. Der Dünger gährt in bedachten Gruben und
wird auf Lastpferden in verschlossenen Fässern nach allen Richtungen
geführt, in den flachen Gegenden auf schmalen Kanälen zu Boot
fortgeschafft.
Die Landschaft ist nicht grossartig, aber sehr lieblich und
heimlich, voll reizender Abwechselung: hier eine Bauernhütte im
Bambusgehölz mit dem dichten, hellgrünen Graslaub, dort ladet
ein schattiger Gang hochstrebender Cryptomerien nach der im
grünen Bosket versteckten Mia — so heissen die Sinto-Tempel.
Bald zieht sich der Weg durch Laubgehölze von heimischem Ansehn,
bald reitet man zwischen Camelien-, Taxus- und Podocarpus-Hecken,
zwischen Lorbeer, Myrthen und Azaleen hin; die zierliche Chamaerops
excelsa — Japans einzige Palme — sieht verstohlen aus dichtem
Gebüsch hervor. Die Flora ist unendlich formenreich, die Belaubung
bald weich und durchsichtig, bald schwer und dicht, bald fahl und
stumpf, bald frisch, glänzend und gesättigt, bald flaumig und fein
gefiedert, bald breit und massig. Im September, wo sich der
hier heimische Zuckerahorn und das Azaleenlaub dunkelpurpurroth
färben, wird die Farbenpracht der Landschaft berauschend. Das
wellige Terrain und die Mannichfaltigkeit des Anbaues erzeugt die
schönsten Linien im Vorder- und Mittelgrunde, und in der Ferne
erhebt der Fusiyama sein beschneites Haupt hoch über die vor-
liegenden Fakone-Berge.
Das Wetter war in der zweiten Hälfte des September regne-
risch, die Luft aber weich und milde und die Beleuchtungen, wenn
es schön wurde, ganz herrlich. Unsere Ritte gingen gewöhnlich
nach der uns zunächst liegenden südlichen und westlichen Umgebung
von Yeddo. Das bei Akabane fliessende Gewässer aufwärts ver-
folgend wendet sich der Weg bald in scharfem Winkel nach Süden;
eine Strecke weit ziehen sich Häuserreihen an beiden Ufern hin,
dahinter liegen Höhen mit abschüssigen Strassen. Die Ufer werden
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