Japan erträgt, sollte man glauben, dass wenigstens in den südwest- lichen Küstengegenden Europas und an den Abhängen der Alpen und Pyrenäen, wo feuchte Niederschläge häufig sind, der Anbau gelingen würde.
Eben so wünschenswerth wäre die Acclimatisirung der Soya- Bohne. Die bei uns unter diesem Namen bekannte Sauce ist grossen- theils ein künstlich gemischtes Präparat und kommt nur auf die Tafeln der Reichen; aber selbst die aus Japan eingeführte ist von derjenigen, welche dort Jedermann als tägliche Speisezuthat geniesst, so himmelweit verschieden, wie gekochter Ungarwein von unver- fälschtem Tokayer. Die Bereitung, deren Einzelnheiten leicht näher zu erfahren wären, soll sehr einfach sein: man kocht die Bohnen weich, versetzt sie mit Reis- oder Gerstenmalz, und lässt sie an einem warmen Ort vierundzwanzig Stunden lang gähren; dann wird Salz und Wasser zugesetzt, die Mischung in den ersten Tagen öfter umgerührt und darauf zwei bis drei Monate in grossen verschlossenen Töpfen verwahrt, endlich die Flüssigkeit ausgepresst, in Fässer gefüllt und verspundet. Die so bereitete Soya ist dünnflüssig und von leichter salziger Würze, erregt angenehm den Appetit und fördert die Verdauung; sie soll durch das Alter an Güte gewinnen, hält sich aber gewiss, wie leichte Fassbiere, nur einen beschränkten Zeitraum. Alle von den Holländern importirte ist vor der Ver- schiffung aufgekocht; sie hält sich darnach besser, ist aber dick- flüssig und scharf. Wahren Nutzen könnte nur der Anbau bringen, durch welchen man sie frisch und billig erhielte; sie gibt in diesem Zustande den fadesten Speisen wie Mehlbrei und dergleichen den ärmeren Classen zur Nahrung dienenden Gerichten die angenehmste Würze und leichte Verdaulichkeit. In Japan geniessen Arm und Reich, Vornehm und Gering Soya zu allen Malzeiten; auf unseren Schiffen wurde sie von Officieren und Mannschaften fässerweise verbraucht.
Der Tabak ist den Japanern, die ihn schon früh von den Portugiesen erhielten, zum Lebensbedürfniss geworden, und das Rauchen vielleicht in keinem Lande so allgemein; es gibt wohl kaum einen Erwachsenen, der nicht beständig seine Tabakstasche bei sicht führte; Frauen und Mädchen rauchen meist nur zu Hause. Die Blätter werden haarfein geschnitten und haben, aus den kleinen Pfeifchen mit eichelnapfgrossen Köpfen geraucht, ein feines, etwas berauschendes Aroma.
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VII. Soya. Tabak.
Japan erträgt, sollte man glauben, dass wenigstens in den südwest- lichen Küstengegenden Europas und an den Abhängen der Alpen und Pyrenäen, wo feuchte Niederschläge häufig sind, der Anbau gelingen würde.
Eben so wünschenswerth wäre die Acclimatisirung der Soya- Bohne. Die bei uns unter diesem Namen bekannte Sauce ist grossen- theils ein künstlich gemischtes Präparat und kommt nur auf die Tafeln der Reichen; aber selbst die aus Japan eingeführte ist von derjenigen, welche dort Jedermann als tägliche Speisezuthat geniesst, so himmelweit verschieden, wie gekochter Ungarwein von unver- fälschtem Tokayer. Die Bereitung, deren Einzelnheiten leicht näher zu erfahren wären, soll sehr einfach sein: man kocht die Bohnen weich, versetzt sie mit Reis- oder Gerstenmalz, und lässt sie an einem warmen Ort vierundzwanzig Stunden lang gähren; dann wird Salz und Wasser zugesetzt, die Mischung in den ersten Tagen öfter umgerührt und darauf zwei bis drei Monate in grossen verschlossenen Töpfen verwahrt, endlich die Flüssigkeit ausgepresst, in Fässer gefüllt und verspundet. Die so bereitete Soya ist dünnflüssig und von leichter salziger Würze, erregt angenehm den Appetit und fördert die Verdauung; sie soll durch das Alter an Güte gewinnen, hält sich aber gewiss, wie leichte Fassbiere, nur einen beschränkten Zeitraum. Alle von den Holländern importirte ist vor der Ver- schiffung aufgekocht; sie hält sich darnach besser, ist aber dick- flüssig und scharf. Wahren Nutzen könnte nur der Anbau bringen, durch welchen man sie frisch und billig erhielte; sie gibt in diesem Zustande den fadesten Speisen wie Mehlbrei und dergleichen den ärmeren Classen zur Nahrung dienenden Gerichten die angenehmste Würze und leichte Verdaulichkeit. In Japan geniessen Arm und Reich, Vornehm und Gering Soya zu allen Malzeiten; auf unseren Schiffen wurde sie von Officieren und Mannschaften fässerweise verbraucht.
Der Tabak ist den Japanern, die ihn schon früh von den Portugiesen erhielten, zum Lebensbedürfniss geworden, und das Rauchen vielleicht in keinem Lande so allgemein; es gibt wohl kaum einen Erwachsenen, der nicht beständig seine Tabakstasche bei sicht führte; Frauen und Mädchen rauchen meist nur zu Hause. Die Blätter werden haarfein geschnitten und haben, aus den kleinen Pfeifchen mit eichelnapfgrossen Köpfen geraucht, ein feines, etwas berauschendes Aroma.
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VII. Soya. Tabak.
Japan erträgt, sollte man glauben, dass wenigstens in den südwest-
lichen Küstengegenden Europas und an den Abhängen der Alpen
und Pyrenäen, wo feuchte Niederschläge häufig sind, der Anbau
gelingen würde.
Eben so wünschenswerth wäre die Acclimatisirung der Soya-
Bohne. Die bei uns unter diesem Namen bekannte Sauce ist grossen-
theils ein künstlich gemischtes Präparat und kommt nur auf die
Tafeln der Reichen; aber selbst die aus Japan eingeführte ist von
derjenigen, welche dort Jedermann als tägliche Speisezuthat geniesst,
so himmelweit verschieden, wie gekochter Ungarwein von unver-
fälschtem Tokayer. Die Bereitung, deren Einzelnheiten leicht näher
zu erfahren wären, soll sehr einfach sein: man kocht die Bohnen
weich, versetzt sie mit Reis- oder Gerstenmalz, und lässt sie an
einem warmen Ort vierundzwanzig Stunden lang gähren; dann wird
Salz und Wasser zugesetzt, die Mischung in den ersten Tagen öfter
umgerührt und darauf zwei bis drei Monate in grossen verschlossenen
Töpfen verwahrt, endlich die Flüssigkeit ausgepresst, in Fässer
gefüllt und verspundet. Die so bereitete Soya ist dünnflüssig und
von leichter salziger Würze, erregt angenehm den Appetit und fördert
die Verdauung; sie soll durch das Alter an Güte gewinnen, hält
sich aber gewiss, wie leichte Fassbiere, nur einen beschränkten
Zeitraum. Alle von den Holländern importirte ist vor der Ver-
schiffung aufgekocht; sie hält sich darnach besser, ist aber dick-
flüssig und scharf. Wahren Nutzen könnte nur der Anbau bringen,
durch welchen man sie frisch und billig erhielte; sie gibt in diesem
Zustande den fadesten Speisen wie Mehlbrei und dergleichen den
ärmeren Classen zur Nahrung dienenden Gerichten die angenehmste
Würze und leichte Verdaulichkeit. In Japan geniessen Arm und
Reich, Vornehm und Gering Soya zu allen Malzeiten; auf unseren
Schiffen wurde sie von Officieren und Mannschaften fässerweise
verbraucht.
Der Tabak ist den Japanern, die ihn schon früh von den
Portugiesen erhielten, zum Lebensbedürfniss geworden, und das
Rauchen vielleicht in keinem Lande so allgemein; es gibt wohl
kaum einen Erwachsenen, der nicht beständig seine Tabakstasche
bei sicht führte; Frauen und Mädchen rauchen meist nur zu Hause.
Die Blätter werden haarfein geschnitten und haben, aus den kleinen
Pfeifchen mit eichelnapfgrossen Köpfen geraucht, ein feines, etwas
berauschendes Aroma.
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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/103>, abgerufen am 24.11.2024.
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