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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.

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Die Japanische Gesandtschaft in Amerika. VII.
kaufen oder bauen dort Häuser; die japanische Behörde hat ver-
tragsmässig das Recht, alle Bauarbeiten zu beaufsichtigen und
die Anlage von Festungswerken zu verhindern. Bei der ersten
Landvertheilung in Yokuhama konnten die Fremden keine legale
Sicherung ihrer Rechte auf bleibenden Besitz erlangen, da dieser
Punct in den Verträgen nicht vorgesehen war; die japanische Regie-
rung hätte sie, wie ihre eigenen Unterthanen, nach Willkür von
den Grundstücken vertreiben können. Später gelang es den Ver-
tretern der Vertragsmächte nach vielen Bemühungen, mit der Behörde
eine Form zu vereinbaren, welche das Miethsverhältniss in eine Art
unwiderruflicher Erbpacht verwandelt, so dass der Berechtigte
seinen Besitz ohne Zuthun der einheimischen Obrigkeit frei an
Andere übertragen kann.

Im November 1860 beherbergte Yeddo wahrscheinlich mehr
Fremde als jemals zuvor: am 1. erschien die amerikanische Fregatte
Hartford auf der Rhede und am 9. traf der Kriegsdampfer Niagara
mit der japanischen Gesandtschaft dort ein, welche nach den Ver-
einigten Staaten
geschickt worden war. Er brachte aus China die
Nachricht mit, dass die englisch-französische Armee vor Peking
stände.

Die japanischen Gesandten waren das Jahr zuvor von der
amerikanischen Fregatte Powhattan aus Yeddo abgeholt worden,
und reisten über die Sandwich-Inseln, San-Francisco und Panama
nach Washington. Ein in Holland gebautes Dampfboot des Taikun
begleitete, ausschliesslich von Japanern bemannt, den Powhattan
über den Stillen Ocean, und kehrte von dort, soviel dem Verfasser
bekannt wurde, ganz allein nach Yeddo zurück. Es war ihre erste
weite Seefahrt seit über zweihundert Jahren, und sie lieferten damit
den gültigsten Beweis für ihre Fähigkeit zur Navigation und Führung
von Dampfbooten.

Die Aufnahme der Gesandten in Amerika war bekanntlich
sehr glänzend, wenn auch vielleicht nach unseren Begriffen nicht
durchaus passend; namentlich scheinen sie in der ersten Zeit ihrer
Anwesenheit nicht mit den der japanischen Bildungsstufe ange-
messenen Rücksichten behandelt worden zu sein, über welche freilich
in der ganzen westlichen Welt noch sonderbare Ansichten herrschen.
Später überzeugte man sich wenigstens von ihrer Intelligenz und

Die Japanische Gesandtschaft in Amerika. VII.
kaufen oder bauen dort Häuser; die japanische Behörde hat ver-
tragsmässig das Recht, alle Bauarbeiten zu beaufsichtigen und
die Anlage von Festungswerken zu verhindern. Bei der ersten
Landvertheilung in Yokuhama konnten die Fremden keine legale
Sicherung ihrer Rechte auf bleibenden Besitz erlangen, da dieser
Punct in den Verträgen nicht vorgesehen war; die japanische Regie-
rung hätte sie, wie ihre eigenen Unterthanen, nach Willkür von
den Grundstücken vertreiben können. Später gelang es den Ver-
tretern der Vertragsmächte nach vielen Bemühungen, mit der Behörde
eine Form zu vereinbaren, welche das Miethsverhältniss in eine Art
unwiderruflicher Erbpacht verwandelt, so dass der Berechtigte
seinen Besitz ohne Zuthun der einheimischen Obrigkeit frei an
Andere übertragen kann.

Im November 1860 beherbergte Yeddo wahrscheinlich mehr
Fremde als jemals zuvor: am 1. erschien die amerikanische Fregatte
Hartford auf der Rhede und am 9. traf der Kriegsdampfer Niagara
mit der japanischen Gesandtschaft dort ein, welche nach den Ver-
einigten Staaten
geschickt worden war. Er brachte aus China die
Nachricht mit, dass die englisch-französische Armee vor Pekiṅg
stände.

Die japanischen Gesandten waren das Jahr zuvor von der
amerikanischen Fregatte Powhattan aus Yeddo abgeholt worden,
und reisten über die Sandwich-Inseln, San-Francisco und Panama
nach Washington. Ein in Holland gebautes Dampfboot des Taïkūn
begleitete, ausschliesslich von Japanern bemannt, den Powhattan
über den Stillen Ocean, und kehrte von dort, soviel dem Verfasser
bekannt wurde, ganz allein nach Yeddo zurück. Es war ihre erste
weite Seefahrt seit über zweihundert Jahren, und sie lieferten damit
den gültigsten Beweis für ihre Fähigkeit zur Navigation und Führung
von Dampfbooten.

Die Aufnahme der Gesandten in Amerika war bekanntlich
sehr glänzend, wenn auch vielleicht nach unseren Begriffen nicht
durchaus passend; namentlich scheinen sie in der ersten Zeit ihrer
Anwesenheit nicht mit den der japanischen Bildungsstufe ange-
messenen Rücksichten behandelt worden zu sein, über welche freilich
in der ganzen westlichen Welt noch sonderbare Ansichten herrschen.
Später überzeugte man sich wenigstens von ihrer Intelligenz und

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[88/0108] Die Japanische Gesandtschaft in Amerika. VII. kaufen oder bauen dort Häuser; die japanische Behörde hat ver- tragsmässig das Recht, alle Bauarbeiten zu beaufsichtigen und die Anlage von Festungswerken zu verhindern. Bei der ersten Landvertheilung in Yokuhama konnten die Fremden keine legale Sicherung ihrer Rechte auf bleibenden Besitz erlangen, da dieser Punct in den Verträgen nicht vorgesehen war; die japanische Regie- rung hätte sie, wie ihre eigenen Unterthanen, nach Willkür von den Grundstücken vertreiben können. Später gelang es den Ver- tretern der Vertragsmächte nach vielen Bemühungen, mit der Behörde eine Form zu vereinbaren, welche das Miethsverhältniss in eine Art unwiderruflicher Erbpacht verwandelt, so dass der Berechtigte seinen Besitz ohne Zuthun der einheimischen Obrigkeit frei an Andere übertragen kann. Im November 1860 beherbergte Yeddo wahrscheinlich mehr Fremde als jemals zuvor: am 1. erschien die amerikanische Fregatte Hartford auf der Rhede und am 9. traf der Kriegsdampfer Niagara mit der japanischen Gesandtschaft dort ein, welche nach den Ver- einigten Staaten geschickt worden war. Er brachte aus China die Nachricht mit, dass die englisch-französische Armee vor Pekiṅg stände. Die japanischen Gesandten waren das Jahr zuvor von der amerikanischen Fregatte Powhattan aus Yeddo abgeholt worden, und reisten über die Sandwich-Inseln, San-Francisco und Panama nach Washington. Ein in Holland gebautes Dampfboot des Taïkūn begleitete, ausschliesslich von Japanern bemannt, den Powhattan über den Stillen Ocean, und kehrte von dort, soviel dem Verfasser bekannt wurde, ganz allein nach Yeddo zurück. Es war ihre erste weite Seefahrt seit über zweihundert Jahren, und sie lieferten damit den gültigsten Beweis für ihre Fähigkeit zur Navigation und Führung von Dampfbooten. Die Aufnahme der Gesandten in Amerika war bekanntlich sehr glänzend, wenn auch vielleicht nach unseren Begriffen nicht durchaus passend; namentlich scheinen sie in der ersten Zeit ihrer Anwesenheit nicht mit den der japanischen Bildungsstufe ange- messenen Rücksichten behandelt worden zu sein, über welche freilich in der ganzen westlichen Welt noch sonderbare Ansichten herrschen. Später überzeugte man sich wenigstens von ihrer Intelligenz und

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/108>, abgerufen am 18.05.2024.