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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.

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Die Lage. X.
anmerken. Graf Eulenburg glaubte damals nicht an ernstliche Ge-
fahr für die Fremden, wohl aber an innere politische Wirren, deren
Wichtigkeit die Regierung zur Förderung ihres Zweckes, der wei-
teren Beschränkung der Fremden übertriebe. Genaues konnte man
durchaus nicht erfahren, denn die Bunyo's hüllten sich gegen ein-
gehende Fragen in tiefes Schweigen und im Volke liefen nur aus-
schweifende und widersprechende Gerüchte um: die sechshundert
Lonine sollten zu Hause erst ihre sämmtlichen Weiber und Kinder
umgebracht haben, um sich der Verzweiflung preiszugeben und zur
Mordlust zu entflammen. Dann hiess es wieder, nur die Kaufleute
in Yokuhama sollten niedergemetzelt, alle Diplomaten aber lebend
entführt werden, u. s. w. Waren diese Gerüchte auch falsch, so
sprachen doch genug deutliche Anzeichen für die Ernsthaftigkeit
der Lage: alle Polizeistationen in Yeddo erhielten starke militärische
Besatzung, die zur strengsten Handhabung der Ordnung angewiesen
war; auf der Landstrasse nach Kanagava begegnete man zahlreichen
Detachements, die von berittenen Daimio's inspicirt wurden. Ein
Bunyo des auswärtigen Ministeriums erzählte auf der amerikanischen
Gesandtschaft, die Regierung habe bis dahin nur vier oder fünf
Verschworene verhaften, nach einer ernsten Verwarnung aber wieder
freigeben lassen; sie hätte schon eben so viele hunderte aufzuheben
vermocht, vermeide das jedoch wegen der aufgeregten Volks-
stimmung, und begnüge sich zu zeigen, dass sie ihre Absichten
kenne. Wir ahnten damals die tiefe Zerrüttung der inneren Ver-
hältnisse noch nicht, welche in den nächsten Jahren zu Tage
kam; doch hatte es wohl den Anschein, als ob mächtige Personen,
die man nicht zu verletzen wagte, im Hintergrunde der Bewegung
ständen. Man brachte sie mit der Ermordung des Regenten und
dem Tode des Fürsten von Mito in Zusammenhang. Letzterer
sollte nach den neuesten Nachrichten weder eines natürlichen Todes
noch durch befohlenes Harakiru gestorben sein, sondern durch
Mörderhand: ein Trabant des Regenten hätte sich, als Zimmermann
verkleidet, im Palaste des Fürsten Arbeit zu verschaffen gewusst
und ihn mit der Axt erschlagen. Seinen Tod zu rächen, wollten
die sechshundert Lonine durch Ermordung der Fremden die Re-
gierung in Conflicte mit den westlichen Mächten bringen.

Der engliche Gesandte war, wie gesagt, nicht ohne Besorgniss
und hielt den Rear-Admiral Jones einige Tage in Japan zurück.
Da sich aber nichts ereignete, so segelte dieser am 8. Januar mit

Die Lage. X.
anmerken. Graf Eulenburg glaubte damals nicht an ernstliche Ge-
fahr für die Fremden, wohl aber an innere politische Wirren, deren
Wichtigkeit die Regierung zur Förderung ihres Zweckes, der wei-
teren Beschränkung der Fremden übertriebe. Genaues konnte man
durchaus nicht erfahren, denn die Bunyo’s hüllten sich gegen ein-
gehende Fragen in tiefes Schweigen und im Volke liefen nur aus-
schweifende und widersprechende Gerüchte um: die sechshundert
Lonine sollten zu Hause erst ihre sämmtlichen Weiber und Kinder
umgebracht haben, um sich der Verzweiflung preiszugeben und zur
Mordlust zu entflammen. Dann hiess es wieder, nur die Kaufleute
in Yokuhama sollten niedergemetzelt, alle Diplomaten aber lebend
entführt werden, u. s. w. Waren diese Gerüchte auch falsch, so
sprachen doch genug deutliche Anzeichen für die Ernsthaftigkeit
der Lage: alle Polizeistationen in Yeddo erhielten starke militärische
Besatzung, die zur strengsten Handhabung der Ordnung angewiesen
war; auf der Landstrasse nach Kanagava begegnete man zahlreichen
Detachements, die von berittenen Daïmio’s inspicirt wurden. Ein
Bunyo des auswärtigen Ministeriums erzählte auf der amerikanischen
Gesandtschaft, die Regierung habe bis dahin nur vier oder fünf
Verschworene verhaften, nach einer ernsten Verwarnung aber wieder
freigeben lassen; sie hätte schon eben so viele hunderte aufzuheben
vermocht, vermeide das jedoch wegen der aufgeregten Volks-
stimmung, und begnüge sich zu zeigen, dass sie ihre Absichten
kenne. Wir ahnten damals die tiefe Zerrüttung der inneren Ver-
hältnisse noch nicht, welche in den nächsten Jahren zu Tage
kam; doch hatte es wohl den Anschein, als ob mächtige Personen,
die man nicht zu verletzen wagte, im Hintergrunde der Bewegung
ständen. Man brachte sie mit der Ermordung des Regenten und
dem Tode des Fürsten von Mito in Zusammenhang. Letzterer
sollte nach den neuesten Nachrichten weder eines natürlichen Todes
noch durch befohlenes Harakiru gestorben sein, sondern durch
Mörderhand: ein Trabant des Regenten hätte sich, als Zimmermann
verkleidet, im Palaste des Fürsten Arbeit zu verschaffen gewusst
und ihn mit der Axt erschlagen. Seinen Tod zu rächen, wollten
die sechshundert Lonine durch Ermordung der Fremden die Re-
gierung in Conflicte mit den westlichen Mächten bringen.

Der engliche Gesandte war, wie gesagt, nicht ohne Besorgniss
und hielt den Rear-Admiral Jones einige Tage in Japan zurück.
Da sich aber nichts ereignete, so segelte dieser am 8. Januar mit

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[142/0162] Die Lage. X. anmerken. Graf Eulenburg glaubte damals nicht an ernstliche Ge- fahr für die Fremden, wohl aber an innere politische Wirren, deren Wichtigkeit die Regierung zur Förderung ihres Zweckes, der wei- teren Beschränkung der Fremden übertriebe. Genaues konnte man durchaus nicht erfahren, denn die Bunyo’s hüllten sich gegen ein- gehende Fragen in tiefes Schweigen und im Volke liefen nur aus- schweifende und widersprechende Gerüchte um: die sechshundert Lonine sollten zu Hause erst ihre sämmtlichen Weiber und Kinder umgebracht haben, um sich der Verzweiflung preiszugeben und zur Mordlust zu entflammen. Dann hiess es wieder, nur die Kaufleute in Yokuhama sollten niedergemetzelt, alle Diplomaten aber lebend entführt werden, u. s. w. Waren diese Gerüchte auch falsch, so sprachen doch genug deutliche Anzeichen für die Ernsthaftigkeit der Lage: alle Polizeistationen in Yeddo erhielten starke militärische Besatzung, die zur strengsten Handhabung der Ordnung angewiesen war; auf der Landstrasse nach Kanagava begegnete man zahlreichen Detachements, die von berittenen Daïmio’s inspicirt wurden. Ein Bunyo des auswärtigen Ministeriums erzählte auf der amerikanischen Gesandtschaft, die Regierung habe bis dahin nur vier oder fünf Verschworene verhaften, nach einer ernsten Verwarnung aber wieder freigeben lassen; sie hätte schon eben so viele hunderte aufzuheben vermocht, vermeide das jedoch wegen der aufgeregten Volks- stimmung, und begnüge sich zu zeigen, dass sie ihre Absichten kenne. Wir ahnten damals die tiefe Zerrüttung der inneren Ver- hältnisse noch nicht, welche in den nächsten Jahren zu Tage kam; doch hatte es wohl den Anschein, als ob mächtige Personen, die man nicht zu verletzen wagte, im Hintergrunde der Bewegung ständen. Man brachte sie mit der Ermordung des Regenten und dem Tode des Fürsten von Mito in Zusammenhang. Letzterer sollte nach den neuesten Nachrichten weder eines natürlichen Todes noch durch befohlenes Harakiru gestorben sein, sondern durch Mörderhand: ein Trabant des Regenten hätte sich, als Zimmermann verkleidet, im Palaste des Fürsten Arbeit zu verschaffen gewusst und ihn mit der Axt erschlagen. Seinen Tod zu rächen, wollten die sechshundert Lonine durch Ermordung der Fremden die Re- gierung in Conflicte mit den westlichen Mächten bringen. Der engliche Gesandte war, wie gesagt, nicht ohne Besorgniss und hielt den Rear-Admiral Jones einige Tage in Japan zurück. Da sich aber nichts ereignete, so segelte dieser am 8. Januar mit

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/162>, abgerufen am 23.11.2024.