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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.

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X. Vermuthungen über Heuskens Ermordung.
ungeduldig über seine Warnungen, zu Hori's aufrichtigen Bewun-
derern und wurde von ihm mit Auszeichnung behandelt. Ein Groll
zwischen beiden konnte uns bei den heiteren Tischgesprächen, welche
Heusken dolmetschte und auf das witzigste commentirte, unmöglich
entgehen. Konnten die Verhandlungen mit dem Reichsrath wohl
über zwei Monate dauern bis sie zu Hori's Selbstmord führten, und
konnte sich dieser in der Zwischenzeit so vollkommen verstellen?
Sein Tod muss zwischen dem 13. December und 2. Januar erfolgt
sein; am 15. wurde Heusken ermordet, und zwar, wie die späteren
Gerüchte behaupten durch Trabanten des Hori, aus Rache für ihren
Herrn. Wir blieben noch bis zum 28. Januar in Yeddo, und erhiel-
ten auch während des Aufenthaltes in Nangasaki und China be-
ständig von allen dortigen Vorgängen und Gerüchten Kenntniss;
jene Erzählung aber tauchte viel später auf und wurde dem Ver-
fasser erst anderthalb Jahre nachher, im Sommer 1862, von Herrn
Harris mitgetheilt, welcher auf der Rückreise nach Amerika durch
Berlin kam. Er wollte das in Yeddo damals allgemein geglaubte
Gerücht keineswegs verbürgen, hielt es aber nicht für unwahr-
scheinlich; nach so langer Zeit war wohl auch seinem Gedächtniss
der Zwischenraum von über zwei Monaten zwischen dem Brande
und dem Tode Hori's entschwunden. Der Verfasser aber muss
nach genauer Vergleichung der feststehenden Daten und Umstände
diese Version für durchaus ungegründet halten.2)

2) Während des Druckes ist dem Verfasser aus Japan die zuverlässige Nachricht
zugegangen, dass man dort in späterer Zeit den Mörder Heuskens sehr wohl gekannt
hat. Er war das Haupt einer Lonin-Bande, die viele andere Unthaten verübte,
und soll von der Regierung nur deshalb geschont worden sein, weil sie ihn als
Spion brauchte, wurde aber 1864 wenige Schritte von der Stelle, wo er Heusken
umbrachte, von seinen eigenen Leuten niedergehauen. -- Ueber den Tod des Hori-Oribe
haben dessen eigene Verwandten dem preussischen Consul Herrn von Brandt folgende
Aufklärung gegeben. Ando Tsus-sima's Politik ging auf Unterdrückung der Autorität
des Mikado, welche schon damals der Siogun-Herrschaft gefährlich zu werden
drohte. Er las bei einem Besuche Hori's diesem ein darauf zielendes, zur Ver-
breitung bestimmtes Pamphlet vor; Hori aber tadelte es in so scharfen Ausdrücken,
dass der Minister ärgerlich das Zimmer verliess. Nun fordert die japanische Sitte,
dass, wer seinen Vorgesetzten beleidigt hat, ihn am folgenden Tage um Entschuldigung
bittet, oder Harakiru begeht. Hori kam nach Hause, und entfernte seine Familie
unter dem Vorwande, er habe Wichtiges zu schreiben; man fand ihn bald darauf in
seinem Blute. Ando Tsus-sima soll bei der Nachricht von Hori's Tode in Thränen
ausgebrochen und untröstlich gewesen sein, denn sein Verdruss war nur vorüber-
gehend. Die Angabe des Herrn Lindau (Voyage autour du Japon), dass
Ando Tsus-sima von Hori's Trabanten angegriffen und verwundet worden sei,
entbehrt jeder Begründung; er lässt Hori am 10. Januar 1861 sterben, den Angriff

X. Vermuthungen über Heuskens Ermordung.
ungeduldig über seine Warnungen, zu Hori’s aufrichtigen Bewun-
derern und wurde von ihm mit Auszeichnung behandelt. Ein Groll
zwischen beiden konnte uns bei den heiteren Tischgesprächen, welche
Heusken dolmetschte und auf das witzigste commentirte, unmöglich
entgehen. Konnten die Verhandlungen mit dem Reichsrath wohl
über zwei Monate dauern bis sie zu Hori’s Selbstmord führten, und
konnte sich dieser in der Zwischenzeit so vollkommen verstellen?
Sein Tod muss zwischen dem 13. December und 2. Januar erfolgt
sein; am 15. wurde Heusken ermordet, und zwar, wie die späteren
Gerüchte behaupten durch Trabanten des Hori, aus Rache für ihren
Herrn. Wir blieben noch bis zum 28. Januar in Yeddo, und erhiel-
ten auch während des Aufenthaltes in Naṅgasaki und China be-
ständig von allen dortigen Vorgängen und Gerüchten Kenntniss;
jene Erzählung aber tauchte viel später auf und wurde dem Ver-
fasser erst anderthalb Jahre nachher, im Sommer 1862, von Herrn
Harris mitgetheilt, welcher auf der Rückreise nach Amerika durch
Berlin kam. Er wollte das in Yeddo damals allgemein geglaubte
Gerücht keineswegs verbürgen, hielt es aber nicht für unwahr-
scheinlich; nach so langer Zeit war wohl auch seinem Gedächtniss
der Zwischenraum von über zwei Monaten zwischen dem Brande
und dem Tode Hori’s entschwunden. Der Verfasser aber muss
nach genauer Vergleichung der feststehenden Daten und Umstände
diese Version für durchaus ungegründet halten.2)

2) Während des Druckes ist dem Verfasser aus Japan die zuverlässige Nachricht
zugegangen, dass man dort in späterer Zeit den Mörder Heuskens sehr wohl gekannt
hat. Er war das Haupt einer Lonin-Bande, die viele andere Unthaten verübte,
und soll von der Regierung nur deshalb geschont worden sein, weil sie ihn als
Spion brauchte, wurde aber 1864 wenige Schritte von der Stelle, wo er Heusken
umbrachte, von seinen eigenen Leuten niedergehauen. — Ueber den Tod des Hori-Oribe
haben dessen eigene Verwandten dem preussischen Consul Herrn von Brandt folgende
Aufklärung gegeben. Ando Tsus-sima’s Politik ging auf Unterdrückung der Autorität
des Mikado, welche schon damals der Siogun-Herrschaft gefährlich zu werden
drohte. Er las bei einem Besuche Hori’s diesem ein darauf zielendes, zur Ver-
breitung bestimmtes Pamphlet vor; Hori aber tadelte es in so scharfen Ausdrücken,
dass der Minister ärgerlich das Zimmer verliess. Nun fordert die japanische Sitte,
dass, wer seinen Vorgesetzten beleidigt hat, ihn am folgenden Tage um Entschuldigung
bittet, oder Harakiru begeht. Hori kam nach Hause, und entfernte seine Familie
unter dem Vorwande, er habe Wichtiges zu schreiben; man fand ihn bald darauf in
seinem Blute. Ando Tsus-sima soll bei der Nachricht von Hori’s Tode in Thränen
ausgebrochen und untröstlich gewesen sein, denn sein Verdruss war nur vorüber-
gehend. Die Angabe des Herrn Lindau (Voyage autour du Japon), dass
Ando Tsus-sima von Hori’s Trabanten angegriffen und verwundet worden sei,
entbehrt jeder Begründung; er lässt Hori am 10. Januar 1861 sterben, den Angriff
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[159/0179] X. Vermuthungen über Heuskens Ermordung. ungeduldig über seine Warnungen, zu Hori’s aufrichtigen Bewun- derern und wurde von ihm mit Auszeichnung behandelt. Ein Groll zwischen beiden konnte uns bei den heiteren Tischgesprächen, welche Heusken dolmetschte und auf das witzigste commentirte, unmöglich entgehen. Konnten die Verhandlungen mit dem Reichsrath wohl über zwei Monate dauern bis sie zu Hori’s Selbstmord führten, und konnte sich dieser in der Zwischenzeit so vollkommen verstellen? Sein Tod muss zwischen dem 13. December und 2. Januar erfolgt sein; am 15. wurde Heusken ermordet, und zwar, wie die späteren Gerüchte behaupten durch Trabanten des Hori, aus Rache für ihren Herrn. Wir blieben noch bis zum 28. Januar in Yeddo, und erhiel- ten auch während des Aufenthaltes in Naṅgasaki und China be- ständig von allen dortigen Vorgängen und Gerüchten Kenntniss; jene Erzählung aber tauchte viel später auf und wurde dem Ver- fasser erst anderthalb Jahre nachher, im Sommer 1862, von Herrn Harris mitgetheilt, welcher auf der Rückreise nach Amerika durch Berlin kam. Er wollte das in Yeddo damals allgemein geglaubte Gerücht keineswegs verbürgen, hielt es aber nicht für unwahr- scheinlich; nach so langer Zeit war wohl auch seinem Gedächtniss der Zwischenraum von über zwei Monaten zwischen dem Brande und dem Tode Hori’s entschwunden. Der Verfasser aber muss nach genauer Vergleichung der feststehenden Daten und Umstände diese Version für durchaus ungegründet halten. 2) 2) Während des Druckes ist dem Verfasser aus Japan die zuverlässige Nachricht zugegangen, dass man dort in späterer Zeit den Mörder Heuskens sehr wohl gekannt hat. Er war das Haupt einer Lonin-Bande, die viele andere Unthaten verübte, und soll von der Regierung nur deshalb geschont worden sein, weil sie ihn als Spion brauchte, wurde aber 1864 wenige Schritte von der Stelle, wo er Heusken umbrachte, von seinen eigenen Leuten niedergehauen. — Ueber den Tod des Hori-Oribe haben dessen eigene Verwandten dem preussischen Consul Herrn von Brandt folgende Aufklärung gegeben. Ando Tsus-sima’s Politik ging auf Unterdrückung der Autorität des Mikado, welche schon damals der Siogun-Herrschaft gefährlich zu werden drohte. Er las bei einem Besuche Hori’s diesem ein darauf zielendes, zur Ver- breitung bestimmtes Pamphlet vor; Hori aber tadelte es in so scharfen Ausdrücken, dass der Minister ärgerlich das Zimmer verliess. Nun fordert die japanische Sitte, dass, wer seinen Vorgesetzten beleidigt hat, ihn am folgenden Tage um Entschuldigung bittet, oder Harakiru begeht. Hori kam nach Hause, und entfernte seine Familie unter dem Vorwande, er habe Wichtiges zu schreiben; man fand ihn bald darauf in seinem Blute. Ando Tsus-sima soll bei der Nachricht von Hori’s Tode in Thränen ausgebrochen und untröstlich gewesen sein, denn sein Verdruss war nur vorüber- gehend. Die Angabe des Herrn Lindau (Voyage autour du Japon), dass Ando Tsus-sima von Hori’s Trabanten angegriffen und verwundet worden sei, entbehrt jeder Begründung; er lässt Hori am 10. Januar 1861 sterben, den Angriff

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/179>, abgerufen am 24.11.2024.