Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.

Bild:
<< vorherige Seite

X. Der Gesandte des Mikado. Letzte Schwierigkeiten.
sehnlichst, müsse aber den Gesandten bitten, bis zur Vollendung
des Audienzsaales zu warten, wenn er selbst das Schreiben über-
reichen wolle. Graf Eulenburg musste aber unter den obwaltenden
Umständen wünschen, der Hauptstadt des Taikun möglichst bald
den Rücken zu kehren; der Empfang hatte keine politische
Wichtigkeit, und er berührte den Gegenstand nicht weiter. Die
Minister sollen nur deshalb die Audienz abgeschlagen haben, weil
ein Gesandter des Mikado wegen mangelnden Empfangssaales schon
acht Monate auf eine solche wartete. Vielleicht war Diesem gegen-
über der genannte Grund nur ein Vorwand, um seinen Empfang
zu verschieben, denn der Taikun ertheilte in der Zwischenzeit
dem englischen Gesandten und dem französischen Geschäfts-
träger in seinem Interimspalaste Audienzen behufs Auswechselung
der Ratifications-Urkunden. Das hatte der stolze Höfling des
Mikado aber sehr übel genommen und geltend gemacht, dass ihm
der Vorrang vor allen Barbaren gebühre. Um nun seinen Zorn
nicht nochmals zu reizen, musste man dem Grafen den Empfang
versagen.

Am 23. Januar erschienen die Bevollmächtigten in Akabane
mit der Erklärung, dass sie, nach Vollendung der Reinschriften,
jetzt zur Unterzeichnung des Vertrages bereit seien. Graf Eulenburg
hatte dem Abkommen gemäss dem Minister ein Schreiben zugestellt,
in dem er versprach, die Hinausschiebung der Ratification und der
Absendung des diplomatischen Vertreters nach Yeddo auf zwei bis
drei Jahre bei seiner Regierung zu befürworten. Da der Vertrag
auch ohne Ratification am 1. Januar 1863 in Wirkung treten musste,
so brachte uns dieses Versprechen keinen Nachtheil, legte auch der
Absendung von Consuln nach den geöffneten Häfen kein Hinderniss
in den Weg. Die beanspruchte Gegenleistung aber, ein schriftliches
Versprechen des Ministers, die in Japan lebenden Preussen in der
Zwischenzeit unbelästigt zu lassen, sie wie die Unterthanen der
Vertragsmächte zu behandeln und den übrigen Deutschen eine
fernere Frist von sechs Monaten zur Abwickelung ihrer Geschäfte
zu gönnen, war nicht erfolgt. Als der Gesandte die Bunyo's jetzt
daran erinnerte, suchten sie ihn in einer zweistündigen Unterredung
zu überzeugen, dass die Erfüllung eines solchen Versprechens un-
möglich sei. Erstens verbiete ein ausdrückliches Gesetz jedem nicht
den Vertragsmächten angehörigen Ausländer unbedingt den Aufenthalt
in Japan, und der preussische Tractat trete erst in zwei Jahren in

II. 11

X. Der Gesandte des Mikado. Letzte Schwierigkeiten.
sehnlichst, müsse aber den Gesandten bitten, bis zur Vollendung
des Audienzsaales zu warten, wenn er selbst das Schreiben über-
reichen wolle. Graf Eulenburg musste aber unter den obwaltenden
Umständen wünschen, der Hauptstadt des Taïkūn möglichst bald
den Rücken zu kehren; der Empfang hatte keine politische
Wichtigkeit, und er berührte den Gegenstand nicht weiter. Die
Minister sollen nur deshalb die Audienz abgeschlagen haben, weil
ein Gesandter des Mikado wegen mangelnden Empfangssaales schon
acht Monate auf eine solche wartete. Vielleicht war Diesem gegen-
über der genannte Grund nur ein Vorwand, um seinen Empfang
zu verschieben, denn der Taïkūn ertheilte in der Zwischenzeit
dem englischen Gesandten und dem französischen Geschäfts-
träger in seinem Interimspalaste Audienzen behufs Auswechselung
der Ratifications-Urkunden. Das hatte der stolze Höfling des
Mikado aber sehr übel genommen und geltend gemacht, dass ihm
der Vorrang vor allen Barbaren gebühre. Um nun seinen Zorn
nicht nochmals zu reizen, musste man dem Grafen den Empfang
versagen.

Am 23. Januar erschienen die Bevollmächtigten in Akabane
mit der Erklärung, dass sie, nach Vollendung der Reinschriften,
jetzt zur Unterzeichnung des Vertrages bereit seien. Graf Eulenburg
hatte dem Abkommen gemäss dem Minister ein Schreiben zugestellt,
in dem er versprach, die Hinausschiebung der Ratification und der
Absendung des diplomatischen Vertreters nach Yeddo auf zwei bis
drei Jahre bei seiner Regierung zu befürworten. Da der Vertrag
auch ohne Ratification am 1. Januar 1863 in Wirkung treten musste,
so brachte uns dieses Versprechen keinen Nachtheil, legte auch der
Absendung von Consuln nach den geöffneten Häfen kein Hinderniss
in den Weg. Die beanspruchte Gegenleistung aber, ein schriftliches
Versprechen des Ministers, die in Japan lebenden Preussen in der
Zwischenzeit unbelästigt zu lassen, sie wie die Unterthanen der
Vertragsmächte zu behandeln und den übrigen Deutschen eine
fernere Frist von sechs Monaten zur Abwickelung ihrer Geschäfte
zu gönnen, war nicht erfolgt. Als der Gesandte die Bunyo’s jetzt
daran erinnerte, suchten sie ihn in einer zweistündigen Unterredung
zu überzeugen, dass die Erfüllung eines solchen Versprechens un-
möglich sei. Erstens verbiete ein ausdrückliches Gesetz jedem nicht
den Vertragsmächten angehörigen Ausländer unbedingt den Aufenthalt
in Japan, und der preussische Tractat trete erst in zwei Jahren in

II. 11
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0181" n="161"/><fw place="top" type="header">X. Der Gesandte des <hi rendition="#k">Mikado</hi>. Letzte Schwierigkeiten.</fw><lb/>
sehnlichst, müsse aber den Gesandten bitten, bis zur Vollendung<lb/>
des Audienzsaales zu warten, wenn er selbst das Schreiben über-<lb/>
reichen wolle. Graf <persName ref="http://d-nb.info/gnd/119178931">Eulenburg</persName> musste aber unter den obwaltenden<lb/>
Umständen wünschen, der Hauptstadt des <hi rendition="#k">Taïk&#x016B;n</hi> möglichst bald<lb/>
den Rücken zu kehren; der Empfang hatte keine politische<lb/>
Wichtigkeit, und er berührte den Gegenstand nicht weiter. Die<lb/>
Minister sollen nur deshalb die Audienz abgeschlagen haben, weil<lb/>
ein Gesandter des <hi rendition="#k">Mikado</hi> wegen mangelnden Empfangssaales schon<lb/>
acht Monate auf eine solche wartete. Vielleicht war Diesem gegen-<lb/>
über der genannte Grund nur ein Vorwand, um seinen Empfang<lb/>
zu verschieben, denn der <hi rendition="#k">Taïk&#x016B;n</hi> ertheilte in der Zwischenzeit<lb/>
dem englischen Gesandten und dem französischen Geschäfts-<lb/>
träger in seinem Interimspalaste Audienzen behufs Auswechselung<lb/>
der Ratifications-Urkunden. Das hatte der stolze Höfling des<lb/><hi rendition="#k">Mikado</hi> aber sehr übel genommen und geltend gemacht, dass ihm<lb/>
der Vorrang vor allen Barbaren gebühre. Um nun seinen Zorn<lb/>
nicht nochmals zu reizen, musste man dem Grafen den Empfang<lb/>
versagen.</p><lb/>
          <p>Am 23. Januar erschienen die Bevollmächtigten in <hi rendition="#k"><placeName>Akabane</placeName></hi><lb/>
mit der Erklärung, dass sie, nach Vollendung der Reinschriften,<lb/>
jetzt zur Unterzeichnung des Vertrages bereit seien. Graf <persName ref="http://d-nb.info/gnd/119178931">Eulenburg</persName><lb/>
hatte dem Abkommen gemäss dem Minister ein Schreiben zugestellt,<lb/>
in dem er versprach, die Hinausschiebung der Ratification und der<lb/>
Absendung des diplomatischen Vertreters nach <hi rendition="#k"><placeName>Yeddo</placeName></hi> auf zwei bis<lb/>
drei Jahre bei seiner Regierung zu befürworten. Da der Vertrag<lb/>
auch ohne Ratification am 1. Januar 1863 in Wirkung treten musste,<lb/>
so brachte uns dieses Versprechen keinen Nachtheil, legte auch der<lb/>
Absendung von Consuln nach den geöffneten Häfen kein Hinderniss<lb/>
in den Weg. Die beanspruchte Gegenleistung aber, ein schriftliches<lb/>
Versprechen des Ministers, die in <placeName>Japan</placeName> lebenden Preussen in der<lb/>
Zwischenzeit unbelästigt zu lassen, sie wie die Unterthanen der<lb/>
Vertragsmächte zu behandeln und den übrigen Deutschen eine<lb/>
fernere Frist von sechs Monaten zur Abwickelung ihrer Geschäfte<lb/>
zu gönnen, war nicht erfolgt. Als der Gesandte die <hi rendition="#k">Bunyo</hi>&#x2019;s jetzt<lb/>
daran erinnerte, suchten sie ihn in einer zweistündigen Unterredung<lb/>
zu überzeugen, dass die Erfüllung eines solchen Versprechens un-<lb/>
möglich sei. Erstens verbiete ein ausdrückliches Gesetz jedem nicht<lb/>
den Vertragsmächten angehörigen Ausländer unbedingt den Aufenthalt<lb/>
in <placeName>Japan</placeName>, und der preussische Tractat trete erst in zwei Jahren in<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">II. 11</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[161/0181] X. Der Gesandte des Mikado. Letzte Schwierigkeiten. sehnlichst, müsse aber den Gesandten bitten, bis zur Vollendung des Audienzsaales zu warten, wenn er selbst das Schreiben über- reichen wolle. Graf Eulenburg musste aber unter den obwaltenden Umständen wünschen, der Hauptstadt des Taïkūn möglichst bald den Rücken zu kehren; der Empfang hatte keine politische Wichtigkeit, und er berührte den Gegenstand nicht weiter. Die Minister sollen nur deshalb die Audienz abgeschlagen haben, weil ein Gesandter des Mikado wegen mangelnden Empfangssaales schon acht Monate auf eine solche wartete. Vielleicht war Diesem gegen- über der genannte Grund nur ein Vorwand, um seinen Empfang zu verschieben, denn der Taïkūn ertheilte in der Zwischenzeit dem englischen Gesandten und dem französischen Geschäfts- träger in seinem Interimspalaste Audienzen behufs Auswechselung der Ratifications-Urkunden. Das hatte der stolze Höfling des Mikado aber sehr übel genommen und geltend gemacht, dass ihm der Vorrang vor allen Barbaren gebühre. Um nun seinen Zorn nicht nochmals zu reizen, musste man dem Grafen den Empfang versagen. Am 23. Januar erschienen die Bevollmächtigten in Akabane mit der Erklärung, dass sie, nach Vollendung der Reinschriften, jetzt zur Unterzeichnung des Vertrages bereit seien. Graf Eulenburg hatte dem Abkommen gemäss dem Minister ein Schreiben zugestellt, in dem er versprach, die Hinausschiebung der Ratification und der Absendung des diplomatischen Vertreters nach Yeddo auf zwei bis drei Jahre bei seiner Regierung zu befürworten. Da der Vertrag auch ohne Ratification am 1. Januar 1863 in Wirkung treten musste, so brachte uns dieses Versprechen keinen Nachtheil, legte auch der Absendung von Consuln nach den geöffneten Häfen kein Hinderniss in den Weg. Die beanspruchte Gegenleistung aber, ein schriftliches Versprechen des Ministers, die in Japan lebenden Preussen in der Zwischenzeit unbelästigt zu lassen, sie wie die Unterthanen der Vertragsmächte zu behandeln und den übrigen Deutschen eine fernere Frist von sechs Monaten zur Abwickelung ihrer Geschäfte zu gönnen, war nicht erfolgt. Als der Gesandte die Bunyo’s jetzt daran erinnerte, suchten sie ihn in einer zweistündigen Unterredung zu überzeugen, dass die Erfüllung eines solchen Versprechens un- möglich sei. Erstens verbiete ein ausdrückliches Gesetz jedem nicht den Vertragsmächten angehörigen Ausländer unbedingt den Aufenthalt in Japan, und der preussische Tractat trete erst in zwei Jahren in II. 11

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/181
Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/181>, abgerufen am 24.11.2024.